Zeichen und Nicht-Zeichen
Ekaterina Shapiro-Obermair und Hannes Zebedin bei permanent

5. April 2019 • Text von

Eine karge Landschaft im Innenraum, die man durch das Fenster beobachten kann. Die Äste so fragil, dass sie brechen könnten. Zwischen ihnen gesetzte Obelisken strecken sich gen Decke empor.

Ve.Sch @ Permanent: Ausstellungsansicht, 2019. Courtesy Georg Kargl Fine Arts. Foto © Lisa Rastl.

Die Objekte der Rauminstallation von Ekaterina Shapiro-Obermair und Hannes Zebedin im Ausstellungsraum permanent der Galerie Georg Kargl formen eine Mikro-Landschaft. Diese Analogie drängt sich quasi auf. Nichtsdestotrotz mäandern die zu sehenden Arbeiten gemeinsam zwischen Eindeutigkeit und Ambivalenz. Eine vollends ausdefinierte Landschaft finden die Besucher*innen nicht vor. Jedes Exponat gibt durch seine Formensprache konkret Auskunft über eine mögliche semantische Bedeutung. Sie verschwimmt jedoch in unserer Erinnerung und löst sich dadurch von ihren Raum-Gefährten, um mit diesen einen neuen Einbettungskontext zu formen. Es stellt sich ein Moment der Stille ein, den Shapiro-Obermairs Beiträge erzeugen, und in dem es um die Zusammenführung und gleichzeitig Sprengung der vielen semantischen Ebenen der Objekte geht. Die im permanent zu sehenden Arbeiten waren 2018 Teil einer Ausstellung im Kunstraum Ve.sch und erfahren im Zuge der Kooperation zwischen Ve.sch und der Galerie Georg Kargl eine Reinszenierung unter dem Titel „Anschluss & Slides“.

In dieser Wortfolge drückt sich ein wesentliches Charakteristikum der Ausstellung aus: Die Betrachter*innen können an die semiotischen Zeichen der Objekte anknüpfen und anschließen. Aber sie begeben sich damit unumgänglich auf vages Terrain. Auf die Gefahr auszurutschen wird man schon beim ersten Blick durch das Schaufenster des Ausstellungsraums hingewiesen: Die Augen bleiben an Ekaterina Shapiro-Obermairs Gouache in Schwarz-Weiß hängen: „The ice melts“ – ein Eisberg, der seine Umrisse in eine strikte Geometrie einschreibt. Er überblickt zwei Äste, zwei Bäume. Wir sind in der Arktis, im Wald, oder vielleicht doch in der steinigen Landschaft um Triest. Jede der drei Arbeiten changiert zwischen Verweisen auf explizite Territorien und unseren oder deren „träumerischen Realitäten“ – wie im Titel von Hannes Zebedin offenkundig wird. Shapiro-Obermairs Obelisken am Boden werden zu Verweisen. Ihre silbrige Farbe erinnert an das Grau aufrecht stehender Großsteinen der Ur- und Frühgeschichte, die damals sowohl als Wegweiser, aber auch als ideologisch-spirituelle Kultobjekte dienten. In ihnen wird die Dichotomie zwischen Zeichnung und Skizze erkennbar: Striche auf Papier werden zu etwas Definitiven – einer Darstellung eines Sachverhalts. Jedoch bleibt jede noch so eindeutige Zeichnung mehrdeutig. Dadurch wird sie auch zu einer Skizze, einem sich bei den Rezipient*innen entwickelnden Gedanken. Innerhalb der weit gestreckten Territorien des Ausstellungsraumes werden die Objekte zu skizzierenden Elementen kartographischen Charakters. Auch Zebedins Arbeit setzt die Thematik der Skizze mithilfe von Textpassagen aus Scipio Slatapers „Mein Karst“ und Srečko Kosovels Gedicht „Kons 5“ fort. Beide Schriftsteller reflektieren in ihrer Werken intensiv jene Landschaft, in der sie lebten und die gleichzeitig dieser Ausstellung eine geomorphologische Parallele zu bieten scheint: den Karst.

Ve.Sch @ Permanent: Ausstellungsansicht, 2019. Courtesy Georg Kargl Fine Arts. Foto © Lisa Rastl.

Die von Shapiro-Obermair und Zebedin kreierte Installation spielt mit den prozessualen Zwischenräumen bei der Entstehung dieser Landschaftsform. Die Verkarstung als Steinwerdung schreibt Symbole und deren Bedeutung dauerhaft fest. Es liegt an uns zu entscheiden, wie und in welcher Form dies geschieht – welche Deutungen und Lesearten festgeschrieben werden, beziehungsweise, ob es überhaupt einer Festschreibung bedarf? Mit den Arbeiten von Shapiro-Obermair und Zebedin befinden wir uns innerhalb eines weiten Netzes an Referenzen, die sich gegenseitig ergänzen, und sich wie in einer kontinuierlichen Vor- und Zurückbewegung weiterspielen. Dadurch wird die Einbettung in Literatur, Geologie und Archäologie verwebt und verkompliziert. Es entsteht eine Oberfläche, die sich in ein Terrain verwandelt. Dieses Terrain ist anders als das Terrain davor. Der Faltenwurf des gewebten Tuches nimmt bei jedem Auflegen eine andere Form an. Durch das Schaufenster von permanent erhaschen Passant*innen auch bei geschlossenen Türen einen Blick auf diesen sich neu formierenden kleinen Kosmos’. Er hat sich auf kleinstem Raum zu einer verdichteten Geographie voller Zeichen und Nicht-Zeichen entwickelt. Es finden sich Spuren und Hinweise, die Formen und Gedanken kreieren. Sie passen sich den Gegebenheiten an und treten gleichzeitig in Symbiose, um die vorherrschende Vegetation zu unterwandern. Der Eisberg schmilzt und hinterlässt eine abstrakte Formensprache, die einzuordnen es keiner eindeutigen Lese- und Deutungsart bedarf.

WANN: Die Ausstellung ist noch bis zum 20. April, jeweils von Mittwoch bis Freitag von 13 – 19 Uhr, sowie am Samstag von 11 bis 16 Uhr, geöffnet. Am 13. April findet eine Publikationspräsentation statt.
WO: Ve.sch @ permanent, Schleifmühlgasse 5, 1040 Wien. Mehr Infos hier.

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