Malerei als geteilte Erfahrung Inae Shin im Restaurant Kini von Ye-Rin Moerbeck
29. August 2024 • Text von Katrin Krumm
Ye-Rin Moerbeck ist Musikerin, Veranstalterin und Restaurantbesitzerin. Mit “Gentle Leash” gründete sie nun ein Projekt zur Förderung der asiatisch-diasporischen Community in Hamburg. Für die erste Ausstellung in ihrem Restaurant Kini hat sie die koreanische Malerin Inae Shin eingeladen. Ein Gespräch über Sichtbarkeit, Community und Malerei als zeitliches Medium.
gallerytalk.net: Ye-Rin, wie ist die Idee entstanden, Ausstellungen in deinem Restaurant zu veranstalten?
Ye-Rin Moerbeck: Meine Freund:innen und ich haben oft überlegt, wie wir Momente der Begegnung mit anderen Koreaner:innen oder generell asiatischen Menschen schaffen können. In Berlin gibt es einige panasiatische Kollektive. Das hat mir in Hamburg gefehlt. Also habe ich die Partyreihe „Gentle Leash“ im Pudel gestartet, bei der Künstler:innen der asiatischen Diaspora auftreten. Irgendwann kam mir der Gedanke, dass ich mit meinem Restaurant Kini ja auch einen Raum habe, den man mit Kunst bespielen könnte. Also habe ich mit Ari gesprochen …
Ari Cho, die an der HFBK Hamburg studiert?
Moerbeck: Genau. Sie war sofort überzeugt. Wir haben gute Kontakte zur HFBK und ich hatte schon öfters gehört, dass es Studierende aus Asien oder allgemein aus dem Ausland schwer haben, Räume in Hamburg zu finden, um ihre Arbeiten zu zeigen. Wenn dann Künstler:innen aus dem Ausland kommen, sind es meistens solche aus europäischen Ländern. Zudem haben diejenigen, die ohne Netzwerk aus dem Ausland kommen, weniger Chancen. Deswegen soll mein Restaurant ein Raum sein, der ihnen explizit offensteht.
Jetzt ist Inae Shin die erste Künstlerin, die im Kini ausstellt. Wieso fiel die Entscheidung auf sie?
Moerbeck: Ich habe Kiki Park, den Kurator der Ausstellung, ins Boot geholt. Er studiert ebenfalls an der HFBK und hat mir Inae vorgestellt.
Inae Shin: Kiki und ich hatten vor einer Weile schon mal darüber gesprochen, wie toll es wäre, gäbe es ein Kunst-Event als einen Ort der Gemeinschaft für Koreaner:innen und andere asiatische Menschen – weniger einen strengen White Cube, eher ein Format, das sich natürlich und offen für alle anfühlt. Als Ye-Rin und er mich eingeladen haben, im Kini auszustellen, war ich begeistert. Ich war neugierig darauf, wie meine Arbeiten in einem Restaurant wirken und was für Menschen sie dort sehen würden. Also habe ich zugesagt.
Deine Malereien zeigen Menschen in Alltagssituationen – spazierend, fahrradfahrend, im Auto.
Shin: Ich mache immer Fotos, während ich unterwegs bin. Wenn ich dann nach Hause komme, suche ich nach einem bestimmten Bild, das ich zeichnen möchte und übertrage es von der Fotografie zur Malerei.
So wie ich deine Arbeit verstehe, geht es um Verbindungen?
Shin: Das hängt mit meinem Leben in Hamburg zusammen. In Korea trifft man selten auf westliche Menschen, es sei denn, man geht nach Itaewon, einem Stadtviertel von Seoul. In Hamburg habe ich zum ersten Mal so viele diverse Menschen aus verschiedenen Ländern und mit unterschiedlichen Hintergründen getroffen. Diese Vielfalt hat in mir Emotionen geweckt – vielleicht wurde die geteilte Anonymität mit fremden Personen zu einem Raum, der mich mit ihnen verbindet. Ich habe versucht, mich an diese Momente und die Farbe des Lichts zu erinnern, und sie in einem gemeinsamen Bild zusammenzuführen.
Welche Rolle spielt Zeit in deinen Malereien?
Shin: Ich denke, dass Malerei im Vergleich zu anderen Medien eine gewisse Zeitlichkeit in sich trägt. An meiner Arbeit interessiert mich, wie ich meinen Eindruck von Menschen festhalten kann. Ich weiß nicht, warum, aber fremde Menschen faszinieren mich sehr. Trotzdem ist es mir wichtig, den privaten Raum der Protagonist:innen meiner Werke zu wahren. Deshalb versuche ich, das genaue Aussehen zu verwischen und eher den Eindruck, den ich in dem Moment hatte, zu beschreiben.
Mir ist aufgefallen, dass du in der Ausstellung deine Werke oft in Dreierreihen hängst.
Shin: Ich bekomme viel Inspiration aus dem Filmischen. Obwohl ich male, sehe ich meine Malereien so, als ob sie eine Szene aus einem Kinofilm wären. Ich denke, es gibt etwas, das sie miteinander verbindet – nicht die Form, sondern die Farbe und das Gefühl. Vielleicht wirkt es deshalb so, als würden sie sich ähneln.
Kunst in einem Restaurant zu zeigen, war für euch beide neu. Wie war die Erfahrung bis jetzt?
Shin: Ich war zwar schon vor meiner Ausstellung im Kini essen, aber Ye-Rin kannte ich noch nicht. Sie hat mich bei der Arbeit unterstützt und immer wieder betont, dass ich frei in der Gestaltung bin. Das hat Spaß gemacht.
Moerbeck: Wenn wir Veranstaltungen für die Community machen, so wie die „Gentle Leash“-Partys, dann kommen Freund:innen und deren Freund:innen. Das ist ja auch Sinn und Zweck der Sache. Aber es ist auch schön, dass im Restaurant noch mal ganz andere Gruppen von Menschen Teil des Ganzen werden. Der Ort ist eben nicht exklusiv. Der gesamte Prozess hat sich sehr natürlich angefühlt. Inae und ich haben kulturell und auch über die Sprache eine besondere Verbindung. Als sie ihre Arbeiten im Restaurant aufgehängt hat, sind die Kunst und der Raum wie selbstverständlich miteinander verschmolzen. Die Kombination funktioniert sehr gut – nicht nur auf ästhetischer Ebene. Es fühlt sich authentisch und warm an.
WANN: Die Ausstellung “Omnibus” läuft noch bis Dienstag, den 10. September.
WO: kini, Susannenstraße 15, 20357 Hamburg.