Working memory Die Klasse Olaf Nicolai in der Galerie der Künstler
18. August 2016 • Text von Quirin Brunnmeier
Was ist Geschichte, was ist Geschichtlichkeit. Was ist ein Monument und wie erinnert man sich. Die Klasse Olaf Nicolai präsentiert mit „A Tree Is Best Measured When It Is Down“ in der Galerie der Künstler eine stimmige und nachdenkliche Gruppenausstellung.
Die persönliche Erinnerung ist etwas sehr subjektives, ephemeres. Man vergisst, verdrängt Schlechtes und hebt Schönes womöglich hervor. Die Vergangenheit ist immer nur einen kurzen Moment der Gegenwart entfernt. Eine Gesellschaft als Ganzes wiederum basiert auf einem kollektiven Gedächtnis, das sich aus den Erinnerungen einzelner zusammensetzt und die Vergangenheit immer mit der Gegenwart in Relation zu setzten versucht. Doch was ist Erinnerung und wie kann der fragile Prozess des Erinnerns gebannt und in einen künstlerischen Prozess transformiert werden. Die Klasse Olaf Nicolai an der Akademie der Bildenden Künste München widmete sich in den letzten Monaten dieser ambitionierten Fragestellung in drei Schritten. In einer Publikation, einem diskursiven Veranstaltungsprogramm in der Akademie und in einer Ausstellung unternahmen die Studierenden den Versuch einer diskursiven Annäherung an Erinnerung, Geschichte und Geschichtlichkeit. Zentrales Motiv und Ausgangspunkt dieser Auseinandersetzung war das Konzept des Monuments als physische Manifestation von Erinnerung im Raum. Unter dem Titel „A Tree Is Best Measured When It Is Down“ präsentiert die Klasse nun in der Galerie der Künstler den dritten und abschließenden Teil dieses Projekts. Gezeigt werden 22 junge künstlerische Positionen, die sich skulptural, in Videos und Filmen, malerisch und installativ dem Themenkomplex widmen.
Die ersten Blicke zieht eine Struktur aus Bambus auf sich. Eine skulpturale Überlegung von Raphael Krome über positiven und negativen Raum, über Volumen und Struktur. Ein Gerüst das nichts einschließt, eine Struktur die nichts trägt. Wenig ist monumental in dieser Ausstellung, wenig besitzergreifend. Man muss sich auf die gezeigten Arbeiten einlassen, die oft Zwischenräume ausloten. Wie auf David Baumanns bewegungsaktive Soundinstallation, die ihre zarten Klänge nur denen offenbart, die länger vor ihr verweilen. Ein Trigger setzt erst dann eine Mechanik in Gang, die die Skulptur zum Leben erweckt. Der Rezipient selbst löst das Kunstwerk aus und tritt so tatsächlich in einen Dialog. Digital und Analog, Videos, Skulpturen und raumgreifende Interventionen, die formelle Bandbreite der gezeigten Arbeiten ist beträchtlich. Lena Grossmann spielt in ihrer Textil-Installation mit Formen und Volumina und lädt die Betrachter ein, sich ihres eigenen körperlichen Verhältnisses bewusst zu werden. Die Räumlichkeiten in der Galerie der Künstler wurden in sieben Bereiche gegliedert, einige Arbeiten durchbrechen diese Struktur und setzen übergreifend Akzente. Dass es den Beteiligten um die kollaborative Entwicklung von kuratorischen Räume ging ist gut zu erkennen.
Beim Gang durch die Ausstellung öffnen sich Blickrichtungen und Perspektiven. Die gezeigten Arbeiten ergänzen sich und stehen aktiv zueinander in Beziehung. Kuratiert wurde die Ausstellung von Anja Lückenkemper, die seit 2016 künstlerische Leiterin des Kunstverein Göttingen ist und Julia Maier, langjährige künstlerische Mitarbeiterin der Klasse Olaf Nicolai. Die Ausstellung ist am Ende keine rein Thematische, zu heterogen sind die Arbeiten, zu breit das Spektrum. Was die gezeigten Positionen verbindet ist ihr nachdenklicher und oft poetischer Umgang mit dem Konzept Monument. So auch in der Videoarbeit „Lucy“ von Laurel Severin. In der Skizze eines dokumentarischen Portraits kommen wir behutsam dem queeren Protagonisten näher und erleben die Geschichte einer individuellen Emanzipation. Ein ruhiges Monument der persönlichen Freiheit.
WANN: Die Gruppenausstellung ist noch bis zum 28. August zu sehen.
WO: Galerie der Künstler, BBK, Maximilianstraße 42, 80538 München.