Wir müssen reden
10 Jahre xpon-art

12. Februar 2017 • Text von

Anlässlich des 10-jährigen Jubiläums haben wir das Kuratorenteam des xpon-arts getroffen. Arne Lösekann (Konzeptkünstler und Mitgründer der Galerie), Florian Huber (Installationskünstler), Anne Simone Krüger (Kunsthistorikerin) und Gerald Chors (Fotograf) leiten den Offspace in den wunderschönen Räumen einer historischen Schlachterei in der Münzburg und sprachen mit uns darüber, wie wichtig es ist immer wieder in einen Dialog über die Kunst zu treten.

Außenansicht xpon-art gallery | Foto: Arne Loesekann

Außenansicht xpon-art gallery | Foto: Arne Loesekann

gallerytalk.net:  Ihr seid auf thematische Gruppenausstellungen ausgerichtet. Wie kommen eure Themen- und Künstlerauswahl zustande?
Anne Simone Krüger: Unsere Themen entstehen aus dem Team heraus, oftmals sind es Themen, die für einen von uns wichtig sind und die einer gemeinschaftlichen Diskussion standgehalten haben. Wir überlegen im Team: „Was davon ist tragfähig, was ist vielleicht doch ein wenig zu speziell?“ Wir treffen eine Mehrheitsentscheidung darüber, welche Themen wir endgültig nehmen. Dann machen wir einen Open Call über unseren Verteiler, so dass jeder Künstler die Möglichkeit hat, sich mit Einreichungen zu bewerben. Wir freuen uns immer auch sehr, wenn das zu Freunden und Bekannten weitergetragen wird. Aus all den Einsendungen kuratieren wir dann gemeinsam eine Ausstellung, die qualitativ hochwertig und spannend in der Auseinandersetzung mit dem Thema sein soll. 

Arne Lösekann: Wir nehmen zumeist mehrdeutige Themen. Das hat den Grund, dass wir einen Diskurs katalysieren wollen. Man kann sich auch sehr gut über ein nicht-mehrdeutiges aber unterschiedlich auslegbares Thema die Köpfe heiß reden, aber das funktioniert eher dann gut, wenn man im direkten Dialog ist. Da wir die Zwischenschaltung mit dem Bewerbungsverfahren haben, nehmen wir immer Worte, die in sich schon ein Wortspiel haben und erhalten dann auch automatisch Arbeiten, die man gegeneinander positionieren kann. Daneben sind uns unterschiedliche Medien wichtig. Wir versuchen den Leuten immer wieder zu verstehen zu geben, dass es nicht nur Tafelwerk sein muss und wer Tafelwerk benutzt, soll dazu angeregt werden auch damit den Raum zu bespielen oder performative Installationen zu machen. Da hilft es unglaublich, wenn das Wort erstmal nicht so manifest daher kommt und etwas Spiel erlaubt.

gallerytalk.net: Was ist für euch an eurer Arbeit am wichtigsten?
Anne Simone Krüger: Einer der essentiellen Teile des xpon ist, dass wir mit den Leuten reden wollen. Es geht uns wirklich darum, dass die Leute hier ihre Fragen formulieren können, dass sie erzählen können, was die Ausstellung bei ihnen auslöst. Wenn man sagt „Hemmschwellen abbauen“, dann klingt das ein bisschen doof – doch genau das versuchen wir, Leute an Kunst heranzuführen. Man muss das Alles ja gar nicht gut finden, doch wir wollen bewirken, dass die Menschen anfangen mehr hinzugucken und nachzudenken, frei zu assoziieren.

Arne Lösekann: Es geht uns eben nicht nur um uns oder die Künstler, sondern insbesondere auch um die Leute, die vorbeikommen, um sich die Ausstellung anzusehen, sei es gezielt oder durch Zufall. Genau daher versuchen wir, dass eigentlich immer einer aus dem Team da ist, um die Ausstellungen zu betreuen. Damit es keinen Moment gibt, in dem zwar jemand nett aussehendes hier sitzt, lächelt und vielleicht auch die Namen der Künstler von der Liste ablesen kann, derjenige aber keine Geschichte dazu erzählen kann, keinen Kontakt mit den Künstlern gehabt hat.

Florian Huber: Du stehst hier in der Regel am Tresen und kannst raus auf die Straße sehen. Wenn man sieht, dass jemand im Vorbeigehen auf die Räume reagiert, dann winkt man eben mal oder zeigt auf die Tür. So entstehen gerade auch Kontakte mit Leuten, die vielleicht auf den ersten Blick mit Kunst und Galerien nichts anfangen können und mit denen man durch den schönen Raum auf einmal ins Gespräch kommt und die sich dann die Ausstellung ansehen.

Gerald Chors: Eines Abends wollte ich gerade abschließen, doch da standen noch Zwei in der Tür. Da hab’ ich gesagt: „Kommt doch noch rein, ich mach das Licht nochmal an.“ Es entwickelte sich ein echt gutes Gespräch, wir blieben noch eine gute Stunde länger.

Arne Lösekann: Das soll jetzt nicht so wirken, als beschränkten wir uns auf eine Vermittlerrolle für Noch-Nicht-Kunst-Interessierte. Wir decken die ganze Bandbreite ab, unser Spagat ist richtig groß. Von der Schulklasse bis zum Sammler, mit dem man einen angeregten Diskurs über die Arbeit und ihre Hängung führt – der persönliche Kontakt steht bei uns im Vordergrund. Das Schöne ist ja, dass der Laden nur bei den Eröffnungen überlaufen ist. Von daher kann man sich immer auf jede Person individuell einstellen. Das war uns auch von Anfang an wichtig.

Eröffnung Jubiläumsausstellung xpon goes X | Foto: Klaus Friese

Eröffnung Jubiläumsausstellung xpon goes X | Foto: Klaus Friese

gallerytalk.net: Und habt ihr so etwas wie ein kommunikatives Konzept?
Arne Lösekann: Ja, unser Dreiklang aus Vernissage, Tresengespräch und Finissage ist ein Gesamtensemble. Wir suchen bewusst die Möglichkeit zur Reflektion dessen, was wir uns gedacht haben, als wir die Künstler und ihre Arbeiten zusammengestellt haben. Das ist ja für uns auch immer ein Versuchsfeld. Ich bin von Haus aus Installationskünstler und am Ende des Tages ist eine Ausstellung für mich eine große Installation. Daher ist für mich persönlich das Spannendste an den Ausstellungen die Gesamtkonzeption und wie diese ankommt: Wie nimmt der Besucher das hier auf, welche Querbezüge kann er herstellen?

Anne Simone Krüger: Zur jeweiligen Ausstellung gehört bei uns immer ein Tresengespräch mit circa 30 bis 40 Gästen. Dieses soll im Rahmen des Themas nochmal einen ganz anderen Kontext beleuchten. Bei der Ausstellung „ÜberGewissheit“ haben wir beispielsweise zwei Philosophen eingeladen, oder zuletzt einen Anwalt für Medien- und Urheberrecht. Diese Personen konnten dem jeweiligen Thema nochmal eine neue Komponente mitgeben, den Diskurs auf eine andere Ebene heben.

Arne Lösekann: Auch unsere Finissage ist etwas Besonderes und steht schon seit Anbeginn unter dem gleichen Gedanken. Sie geht von 11 bis 16 Uhr, es gibt Brunch. An dem können sowohl Künstler als auch Besucher teilnehmen. Die Künstler beginnen nach 16 Uhr mit dem Abbau. Die Besucher, aber auch wir und die Künstler untereinander, können sich in diesem Rahmen viel entspannter als auf der Eröffnung nochmals unterhalten und austauschen.

gallerytalk.net: Wie finanziert ihr euch?
Arne Lösekann: Das Ganze hier funktioniert nur, weil wir alle für das gleiche brennen. Das heißt nicht, dass wir unbedingt immer einer Meinung sind, es kann schon mal etwas lauter werden, lebhafte Diskussionen geben, doch am Ende des Tages lebt das xpon-art von der Leidenschaft für die Kunst. Bei uns geht es um die Themen und die Künstler, nicht um den monetären Erfolg. Deswegen machen wir das alle neben unseren Jobs.

Anne Simone Krüger: Wir finanzieren uns vollständig aus uns heraus. Wir wollen keine Töpfe angraben, die ohnehin schon zu klein sind. Wir wollen niemandem Unterstützung abzwacken, weswegen wir uns nicht um öffentliche Fördergelder bewerben. Manchmal haben wir Glück und bekommen Spenden, so dass das nächste Quartal etwas entspannter wird. Das Galerien-Handbuch hat uns zum Jubiläum beispielsweise einfach mal eine Doppelseite geschenkt.

Eingangsbereich xpon-art gallery | Foto: Arne Loesekann

Eingangsbereich xpon-art gallery | Foto: Arne Loesekann

gallerytalk.net: Wie definiert ihr euer Selbstverständnis?
Anne Simone Krüger: Wir zeigen hier viele junge Künstler, sehr sehr gern auch speziell junge Künstler. Doch auch hier machen wir einen Spagat, denn genauso zeigen wir auch Künstler, die von einer Galerie vertreten werden. Das ist möglich, weil die Galerien, welche die jeweiligen Künstler vertreten, uns einerseits akzeptieren, aber durch unsere Ausrichtung eben nicht als Konkurrenz ansehen. So sind alle Altersklassen vertreten . Für die Künstler ist es spannend, in einen querschnittsartigen Dialog zu treten.

Arne Lösekann: Ich fand es nach dem Ende des Studiums total schade, dass die Atmosphäre des Arbeitsraums wegfiel, in der man auch einfach mal Sachen für die Tonne produzieren konnte, diese aber dennoch mit einer gewissen Öffentlichkeit teilen und diskutieren musste. Unser Verständnis ist eben nicht nach dem Motto: „Bringt mir ein fertiges Produkt und wir kümmern uns um das Vermarkten.“ Bei uns sind es häufig erstmal nur Ideen. Um sich bei uns zu bewerben, muss es von daher nicht immer eine fertige Arbeit sein, die komplett aus dem aktuellen Zyklus des Künstlers ablesbar ist. Wir widmen uns auch gerne den anderen zwei, drei Strängen, die ein Künstler fährt. Häufig führt dies zu Nachtschichten bis kurz vorher um Sachen fertig zu kriegen, da sich die Ideen im Prozess einfach nochmal fast um 180 Grad gedreht haben – es sind immer tolle Sachen dabei rausgekommen und tolle Freundschaften entstanden.

Anne Simone Krüger: Das sieht man auch an der Ausstellung zum 10-Jährigen. Viele Leute begleiten die Galerie schon lange. Etliche Künstler bewerben sich zum einen immer wieder mit Einreichungen, haben immer wieder Lust, unsere Themen zu begleiten und gehen auch sonst regelmäßig hier ein und aus. Man merkt, es gibt einen Kreis um diese Galerie, der sich ein bisschen wie eine große Familie anfühlt.

Gerald Chors: Und zwar ohne Klüngel zu sein.

Eröffnung xpon goes X | Foto: Klaus Friese

Eröffnung xpon goes X | Foto: Klaus Friese

gallerytalk.net: Wie begeht ihr das Jubiläums-Jahr?
Arne Lösekann: Als erstes haben wir unsere große Jubiläums-Ausstellung. Ich weiß immer noch nicht, ob das die beste oder die blödeste Idee ist, die wir jemals hatten. Wir haben alle 278 Künstler, die wir jemals gezeigt haben, angeschrieben. Jeder konnte eine Arbeit vorbeibringen, ohne Angabe darüber wie groß, oder ob eine Arbeit eine Serie heißt oder ob’s eine Performance oder Installation ist. Die Ausstellung ist eine Zeitreise durch 10 Jahre. Und man merkt echt, wieviel in unseren Räumen passiert ist.

Anne Simone Krüger: Auch für den weiteren Verlauf des Jahres haben wir uns ein paar Freiheiten von unserem üblichen Konzept genommen. Im Schnitt haben wir in den letzten Jahren 10 Ausstellungen pro Jahr gemacht, davon brechen wir aus. Wir nehmen uns in diesem Jahr die Freiheit weniger Ausstellungen zu machen, diese aber noch intensiver zu betreiben. Es wird einen Zyklus von 5 Ausstellungen mit verschiedenen Themen geben. Jede dieser Ausstellungen bekommt eine Leitfigur aus der Kunstgeschichte. Jemand, der zu diesem Thema Denkweisen geändert hat.

Arne Lösekann: Es geht dabei nicht um Name-Dropping, sondern um das Aufgreifen von Ideen. Um diese neu zu diskutieren und zeitgenössisch zu beleuchten, reduzieren wir nicht nur die Ausstellungsmenge, sondern auch die Anzahl der Künstler auf die Hälfte. Dann haben wir mehr Zeit, um uns mit der Entstehung der Arbeiten auseinaderzusetzen und zu diskutieren, wie sie sich zu einer Ausstellung zusammenfügen lassen.

Gerald Chors: Wichtig ist noch zu erwähnen, dass anders als sonst dieses Jahr kein open-call gemacht wird. Wir fragen pro Ausstellung um die sieben Künstler an, die schon bei uns ausgestellt haben. Wir sehen das als Essenz der letzten Jahre. Angedachte Werke und konzeptionelle Ideen der Künstler werden den anderen ausstellenden Künstlern in der Vorbereitung der Ausstellung zur Diskussion gegeben, wir wollen die Künstler aufeinander zukommen lassen und schauen, was passiert. 

Anne Simone Krüger: Das ist quasi unser Geschenk für uns zum 10-Jährigen. Für uns und Alle.

WANN: Die Jubiläumsschau läuft noch bis Sonntag, den 12. März. Geöffnet ist von Samstag bis Dienstag zwischen 18 und 21 Uhr, sowie nach Vereinbarung. Am Sonntag der Finissage gibt es zwischen 11 und 16 Uhr Brunch.
WO: 
Das xpon-art findet ihr in der Repsoldstraße 45, 20097 Hamburg.

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