Digitale Leitwölfe und Filmikonen
Die Ausstellungen zum Festival „Kino der Kunst“

25. April 2017 • Text von

Filmkunst und Kunstfilm, visuelle Tradition und digitale Transformation – ein Münchner Festival widmet sich dem Thema „Kino der Kunst“ in all seinen Facetten. Neben Screenings, Talks und Diskussionen bilden zwei Ausstellungen das Herzstück des Programms, in denen die Macher einem kinematografischen Altmeister und einem unkonventionellen Newcomer die Bühne bieten.

Ian Cheng, Emissary Forks For You2, © Espace Luis Vuitton

Ian Cheng, Emissary Forks For You2, © Espace Luis Vuitton

Steht man mit Blick auf die Münchner Oper auf dem Max-Joseph-Platz, wird klar: Die konzeptionellen Pole dieser beiden Ausstellungen sind deutlich ausgelotet. Zur Linken zeigt die Bayerische Akademie der Schönen Künste die fotografischen Arbeiten des hochdotierten Kameramanns Ed Lachman. Zur Rechten stellt der Espace Luis Vuitton Ian Chengs Bewegtbild mit Hang zur autonomen Reproduktion aus. Am Ende schließt sich so der Kreis zwischen moderner Filmtradition und visueller wie konzeptueller Sinnsuche der 2000er-Jahre.

Cate Blanchett and Ed Lachman on the set of ‘Carol’, 2015.© Ed Lachman

Cate Blanchett and Ed Lachman on the set of ‘Carol’, 2015. © Ed Lachman

Im prachtvollen Königsbau der Residenz beheimatet und einst vom Freistaat als „oberste Pflegestelle der Kunst“ gegründet, inszeniert die Bayerische Akademie der Schönen Künste die Fotografien des Amerikaners Ed Lachman, der mit Filmen wie „Virgin Suicides“, „Ken Park“, „I´m not there“ oder „Carol“ internationale Kultgrößen der Filmgeschichte schuf. Ob Videostills, Blicke hinter die Kulissen oder völlig losgelöste Aufnahmen, Lachman schafft es den semantischen wie ästhetischen Gehalt, den seine bewegten Bilder besitzen auch in seine Fotografien zu legen. Er friert Emotionen und Atmosphäre ein und lässt seine Fotos dadurch ihre eigenen Geschichten erzählen. Kunstvoll und präzise setzt Ed Lachman seine Objekte in Szene und zeigt dabei die feine Diskrepanz auf, die immer zwischen Rolle und Individuum besteht. Cate Blanchett als Cate, Cate Blanchett als Carol oder junger Bob Dylan, feinsinnig begibt sich Lachman hier auf eine Gratwanderung zwischen Realität und Fiktion. Sein Repertoire zeigt, Lachman hat zu Recht das Medium Kamera gewählt, ob er die Playtaste drückt oder den Auslöser, er schafft zeitgenössische Ikonen.  

Ian Cheng, Emissary Forks For You2, © Espace Luis Vuitton

Ian Cheng, Emissary Forks For You2, © Espace Luis Vuitton

Wo Lachman Bilder aus dem Diesseits schöpft, geht der amerikanische Künstler Ian Cheng bereits einen Schritt weiter. In seiner ersten deutschlandweiten Einzelausstellung kreiert er eine Art Hyperrealität, die er an die Ausstellungswände des Espace Luis Vuitton projiziert. Die Arbeiten „Emissary Forks“ und „Thousand Islands“ sind keine gewöhnlichen Videoarbeiten, es sind „live simulations“. Die virtuellen Ökosysteme, die er erschafft, sind dem kontinuierlichen Wandel verschrieben, ohne dass Cheng noch Einfluss darauf hätte. Zwar codiert er die einzelnen Objekte zu Beginn und weist seinen Protagonisten – japanischen Shiba-Hunden, Kranichen oder Egoshootern – bestimmt Parameter zu. Was danach folgt, entzieht sich jedoch seiner Einflussnahme. Kein Bild taucht so ein zweites Mal auf, kein Stein bleibt auf dem anderen. Cheng, Kognitionswissenschaftler und Künstler, gibt die schöpferische Macht des Künstlers so an sein Kunstwerk ab. Es ist der Hund im roten Fell, der eine sich stets umwälzende, dystopische Welt strukturiert, in der alles stets rotiert, ohne dass es aufzuhalten wäre. Was es heißt das gewohnte Machtverhältnis umzukehren, darf man dann auch als Besucher selbst erfahren, wenn einen Ian Chengs Hunde durch den Luis Vuitton Store treiben. „Folge mir und du wirst belohnt“, man tut es, denn man kann nicht anders und gibt so letztlich selbst ab, was seit Jahrhunderten das eigenen Weltbild geprägt hat.

Vielleicht ist es das, was Ed Lachmans und Ian Changs Arbeiten am stärksten voneinander trennt: Während Lachman die Winkel der Gegenwart ausleuchtet, blitzt Chang schon in die Zukunft. Lachman bildet Realitäten ab, Chang überwirft sie wieder. Zusammen jedoch eröffnen die beiden einen Kanon, der die Dimension diverser Positionen zum „Kino der Kunst“ maßgeblich abbildet.

WANN: Die Ausstellung „Ed Lachman“ ist noch bis zum 30. April 2017 , „Emissary Forks Featuring Thousland Islands“ des Künstlers Ian Cheng noch bis zum 09. September 2017 zu sehen.
WO: Bayerische Akademie der Schönen Künste, Max-Joseph-Platz 3, 80539 München und Espace Luis Vuitton München, Maximilianstr. 2a, 80539 München.

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