Von Aufstieg und Absturz "Bild und Macht“ im Zeppelin Museum Friedrichshafen
23. Juni 2025 • Text von Quirin Brunnmeier
Wie konstruieren und projizieren Bilder Macht? Die Ausstellung “Bild und Macht“ im Zeppelin Museum Friedrichshafen zeigt, wie Luftschiff-Fotografie zwischen Technikbegeisterung, Propaganda und Fiktion oszilliert. Mit drei zeitgenössischen Positionen schafft die Ausstellung eine direkte Verbindung in unsere Gegenwart im Zeitalter von KI und Fake News.

Eine beleuchtete Wabenstruktur empfängt Besucher*innen der Ausstellung “Bild und Macht” im Zeppelin Museum in Friedrichshafen. Die Formgebung dieser eleganten, kantigen Ausstellungsarchitektur bezieht sich direkt auf das Hauptmotiv dieser Ausstellung: den Zeppelin. Im Zentrum stehen rund 500 Fotografien aus dem hauseigenen Archiv, das mehr als 11.000 Aufnahmen aus der Zeit zwischen 1900 und 1940 umfasst. Die Ausstellung ist dabei aber keine reine Bestandsaufnahme der Sammlung, eher widmet sie sich einem historisch wie aktuell wichtigem Themenkomplex, der fotografischen Konstruktion und Inszenierung von Technik, Macht und Ideologie. Das Luftschiff, tief im kollektiven Bewusstsein verankert, war schon immer eine Projektionsfläche und bediente die Inszenierungen nationaler Stärke und vermeintlicher technischer Überlegenheit.

Ein imposanter Zeppelin über der Skyline von New York, schwebend im exotischen Südamerika oder in dynamischer Fahrt in Berlin. Die gezeigten fotografischen Aufnahmen werden hier nicht als dokumentarische Bilddokumente präsentiert, vielmehr sind sie Teile einer konstruierten Narration, die mit Bildmacht und Bildmanipulation politische Ansprüche transportiert. Denn schon in der frühen Zeit der Fotografie wurden Bilder etwa durch nachträglich übermalte Glasnegative oder durch Fotomontagen verfälscht. Drei zeitgenössische Positionen erweitern den Diskurs über die Wirkmacht, die fragile Authentizität und die Kontextualisierung fotografischer Bilder, auch in Bezug auf generative künstliche Intelligenz.

Mit einer solchen künstlichen Intelligenz arbeitet auch die interaktive Installation „Auto-Promo“ des Kollektivs Ebb.global & Neïl Beloufa. Ihre Arbeit nutzt KI als Werkzeug, um Mechanismen der Macht visuell zu übersteigern und satirisch zu hinterfragen. Ein Tool, das mit historischen Zeppelin-Bildern gefüttert und mit popkulturellen Motiven erweitert wurde, generiert individuell anpassbare Postkarten für zahlende Besucher*innen. Dass die KI dabei auch frühere Propagandamuster reproduziert, wird in der Ausstellung transparent gemacht. Diese spielerische, mitunter groteske Auseinandersetzung mit historischem Material führt direkt zu aktuellen Fragen hinsichtlich der Grenzen zwischen Fakt und Fiktion, Dokumentation und Desinformation.
Die interdisziplinär arbeitende Künstlerin Aziza Kadyri wiederum interpretiert das Luftschiff als poetisches, märchenhaftes Wesen, auch inspiriert von Geschichten aus ihrer Heimat Usbekistan. Ihre installative Arbeit thematisiert zudem die Unsichtbarkeit von Frauen in der Geschichte des Zeppelinbaus und nutzt historische Bilder von Näherinnen als Ausgangspunkt für eine individuelle, spekulative Geschichtsschreibung. Tablets laden Besucher*innen ein, mithilfe von KI eigene narrative Bildwelten zu generieren. Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz löst sie sich von der westlichen Perspektive und hinterfragt die Deutung des Zeppelins als Sinnbild für Macht, Maskulinität und Fortschrittsglaube.

Die dritte Position, Christelle Oyiris Videoinstallation “Sky is the Limit”, verbindet den Absturz des Luftschiffs Hindenburg im Jahr 1937 mit den Bildern des 11. September 2001. Beide Ereignisse sind auch durch ihre mediale Dokumentation und deren Verbreitung tief im globalen Bewusstsein verankert. Die französische interdisziplinäre Künstlerin zeigt ein beeindruckendes Video, in dem sie eine dichte, fast essayhafte Collage aus unterschiedlichem Material spinnt. Sie verbindet dabei Archivmaterial, Interview-Sequenzen und durch KI erzeugte Bilder zu einem intensiven Stream of Consciousness. Ihre Arbeit geht der Frage nach, wie unterschiedliche Technologien zu Ikonen politischer Macht stilisiert wurden und wie der Zusammenbruch oder Absturz, medial multipliziert, zum Symbol ihrer eigenen Brüchigkeit werden konnte. Ein Luftschiff mit der Aufschrift “The World is Yours”, bekannt aus dem Film Scarface, wird zur bitteren Chiffre des Scheiterns.
Ergänzt wird die Ausstellung durch ein umfangreiches Begleitprogramm. Die Vortragsreihe „Open House“ bietet vertiefende Beiträge zu Aspekten politischer Bildung und Künstlicher Intelligenz, zudem gibt es thematische Führungen und Workshops. “Bild und Macht” verbindet gekonnt historisches Bildmaterial mit zeitgenössischen Positionen. In der Ausstellung werden die Spannungsfelder zwischen der Begeisterung für neue Technologien, den Möglichkeiten des Missbrauchs dieser Technologien und einer ideologischen Aufladung verhandelt. Über unterschiedliche Zeiten und politische Systeme hinweg.
WANN: Die Ausstellung “Bild und Macht. Zeppelin-Fotografie im Fokus” ist noch bis 14. April 2026 zu sehen.
WO: Zeppelin Museum Friedrichshafen, Seestraße 22, 88045 Friedrichshafen.
Vielen Dank für die Presse-Einladung nach Friedrichshafen und die Übernahme der Reisekosten.