Eine warme Umarmung für alle
Valentina Karga in der Stadtgalerie Saarbrücken

23. Januar 2025 • Text von

Krisen gibt es derzeit viele, sie alle fordern unsere Aufmerksamkeit. Nach den jüngsten Ereignissen in Los Angeles rückt eine wieder stärker ins kollektive Bewusstsein: die Klimakrise. Die Stadtgalerie Saarbrücken versteht sich als “Ort der kritischen Zuversicht” und zeigt aktuell mit “Well Beings” von Valentina Karga eine Ausstellung, die sich behutsam dem Thema Klimaangst widmet und einen niedrigschwelligen Wohlfühlort zum Nachdenken anbietet.

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Ausstellungsansicht WELL BEINGS von Valentina Karga Stadtgalerie 2024, Foto: Valentina Karga.

Wie fühlt ihr euch eigentlich, wenn ihr an das Klima denkt? Welche Ängste und Traumata tragt ihr so mit euch herum? Eine Krise nach der anderen bricht über uns herein und die sozialen Medien werden immer mehr zu einem Ort der Dokumentation ökologischer und politischer Katastrophen. Millionen von Menschen auf der ganzen Welt konnten kürzlich auf ihren Smartphones dabei zusehen, wie Los Angeles in Kalifornien in Flammen aufgeht. Dürren, Überschwemmungen, Epidemien, Wirbelstürme und Erdbeben haben das letzte Jahrzehnt geprägt. Auch wenn auf politischer Ebene der Ernst der Lage noch nicht ausreichend erkannt zu sein scheint, ist sie bei vielen Menschen da: die Klimaangst. Sie wirft viele Fragen und Unsicherheiten darüber auf, wie sich die Zukunft auf diesem Planeten in den nächsten Jahren und Jahrzehnten gestalten wird, insbesondere für die jüngeren Generationen.

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Ausstellungsansicht WELL BEINGS von Valentina Karga Stadtgalerie 2024, Adaption, Foto: Valentina Karga.

Die Künstlerin Valentina Karga widmet dem Thema mit “Well Beings” eine Ausstellung in der Stadtgalerie Saarbrücken – eine interaktive Installation, die eine sanft-wohlige Umgebung schafft, in der sich die Besucher*innen in Ruhe mit ihren Sorgen, Gefühlen und Ängsten bezüglich der Klimakrise auseinandersetzen können. Die Installation war bereits 2023 im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg zu sehen und findet nun ihre Fortsetzung im Südwesten Deutschlands.

Beim Eintreten in die Ausstellungsräume im untersten Stockwerk der Stadtgalerie treffen die Betrachtenden direkt auf die neue Wandarbeit, die hier in Saarbrücken entstanden ist – eine Erzählung in natürlichen Farben, die Natur, Kultur, Mensch und Nicht-Mensch vereint und eine fürsorgliche Perspektive auf die Klimakrise eröffnet. Die sanfte Stimme der Künstlerin Valentina Karga, die Teil der Videoarbeit “Prähistorische Postmenschen – eine visuelle Erzählung” ist, begleitet den Ausstellungsauftakt. In ihrem Filmessay verbindet Karga ihre Forschung mit den Theorien der Archäologin Marija Gimbutas, die Tonfiguren der Jungsteinzeit als Symbole eines umfassenden Glaubenssystems interpretierte. Gimbutas’ interdisziplinäre Ansätze beeinflussten das Verständnis prähistorischer Gesellschaften und regten Debatten über Geschlechterrollen in Geschichte und Wissenschaft an – die jedoch bis heute umstritten sind.

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Ausstellungsansicht WELL BEINGS von Valentina Karga Stadtgalerie 2024, Foto: Valentina Karga.

Eine Videoarbeit mit dem Titel “Adaption”, die in Zusammenarbeit mit Studierenden der HFBK Hamburg als Live-Action-Rollenspiel entstanden ist, visualisiert in drei Akten die verschiedenen Stadien der Klimaangst: von Stress, Unsicherheit und Untergangsstimmung über zunächst erzwungene, dann bewusste Veränderungen, und neue körperliche Formen bis hin zu einer neuen Existenz voller Hoffnung und Neugier auf eine naturnahe Welt mit gemeinschaftlichem Zusammenhalt.

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Ausstellungsansicht WELL BEINGS von Valentina Karga Stadtgalerie 2024, Weighted Blanket, Foto: Valentina Karga.

Valentina Karga verbindet in ihrer Praxis Design, Architektur und Forschung. Ihre “Well Beings” – die “wohligen Wesen” – sind inspiriert von den vielen Anti-Stress-Produkten, die mittlerweile auf dem Markt zu finden sind und ein besseres Wohlbefinden versprechen: Gewichtsdecken, Anti-Stress-Bälle oder Kuschelkissen. Die Ausstellung lädt dazu ein, sich auf den von der Künstlerin entworfenen Möbelstücken niederzulassen oder abzulegen, sich der Ruhe hinzugeben und den Gedanken freien Lauf zu lassen. Auf die eigenen Gedanken besinnen und ihnen wieder Gehör schenken, kann in Zeiten des Doomscrollings – wie auch eine Arbeit von Karga in der Ausstellung heißt – eine große Herausforderung sein. Die von Kargas entworfenen Objekte und Möbel sind eine Alternative zu den von der Ökonomie getriebenen Industrieprodukten. Sie werden aus recycelten Materialien und natürlichen Farben hergestellt und haben ihre Wurzeln in der Formgebung der griechischen Mythologie und Archäologie.

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Ausstellungsansicht WELL BEINGS von Valentina Karga Stadtgalerie 2024, Body Warmers, Foto: Valentina Karga.

Eine wichtige Inspirationsquelle für Kargas künstlerische Praxis sind prähistorische Idole, die in neue Figuren und Formen umgewandelt und zum Teil auch für die Besucher*innen greifbar und erlebbar werden. Neben Zeichnungen auf Wänden und Papier können figurative Wärmekissen, die “Körperwärmer”, in der Mikrowelle erwärmt und in der Ausstellung genutzt werden. Die kreisförmig angeordnete Arbeit „Gruppenumarmung“ aus handgenähten Kissen in Körperformen nach griechischen Vorbildern lädt zum gemeinsamen Entspannen ein. Dieser Raum steht symbolisch für einen hierarchiefreien Austausch. Aber auch das “Hug Sofa” oder “Die Gewichtsdecke” auf einer Matratze dürfen zum Reflektieren genutzt werden.

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Ausstellungsansicht WELL BEINGS von Valentina Karga Stadtgalerie 2024, Group Hug, Foto: Valentina Karga.

Die Ausstellung “Well Beings” konfrontiert uns, anders als vielleicht zunächst erwartet, nur am Rande mit dramatischen Bildern von Klimakatastrophen. Sie ist nicht laut oder stressig, was eine ebenso berechtigte Darstellung der Klimaangst und künstlerische Entscheidung hätte sein können. “Well Beings” ist ein warmer Ort, der sich dem Thema behutsam nähert und den Menschen, die Gemeinschaft, in den Mittelpunkt stellt. So erhält ein negativ besetztes Thema, das Sorgen, Ängste und psychische Erkrankungen auslösen kann, eine zuversichtliche Lesart, die es allen Beteiligten ermöglicht, die Erfahrungen und Bilder, die täglich auf uns einprasseln, zu verarbeiten. Die Werke sind nicht anklagend, im Gegenteil, sie können genutzt werden, um sich einzukuscheln und über eine positivere und nachhaltigere Zukunft nachzudenken. Lehnt euch zurück, denkt nach und findet heraus, wie ihr Angst in Bewegung und kritische Zuversicht verwandeln könnt.

WANN: Die Ausstellung “Well Beings” läuft noch bis zum 16. Februar.
WO: Stadtgalerie Saarbrücken, St. Johanner Markt 24, 66111 Saarbrücken.

Die nächsten Führungen durch die Ausstellung finden am 26. Januar um 13 Uhr, 14:30 Uhr und 16 Uhr sowie am 2. Februar um 16 Uhr statt.

Vielen Dank für die Presse-Einladung nach Saarbrücken und die Übernahme der Reisekosten.