Utopie für alle! Millerntor Gallery #7
26. Juni 2017 • Text von Martina John
Zum mittlerweile siebten Mal verwandelt sich das legendäre Millerntor Stadion in ein Wunderland aus Kunst und Musik. Anlässlich der Millerntor Gallery #7 mit dem Motto “Youtopic” haben wir mit Kuratorin Anna Lafrentz gesprochen.
Wo sonst die Fans des FC St. Pauli auf den Tribünen singen, zieht einmal im Jahr die Kunst ein. Die Millerntor Gallery, das bunte Festival mit viel Musik, Contemporary und Urban Art, macht nicht nur Spaß, sie dient auch einem guten Zweck: Die Erlöse gehen an die Hilfsorganisation Viva con Agua.
Wir haben uns in die nach Farbe riechenden Katakomben des Stadions gewagt, wo Künstler und ehrenamtliche Helfer emsig an der Vorbereitung der Millerntor Gallery #7 swerkeln. Mit Kuratorin Anna Lafrentz trafen wir uns zu einem gemütlichen Schnack auf der Haupttribüne, wo sie mit Blick auf das abendsonnengrüne Spielfeld erzählte, warum bei der diesjährigen Millerntor Gallery Qualität vor Quantität kommt, was der Trevibrunnen auf St. Pauli zu suchen hat, und warum Utopien nicht immer im Science-Fiction-Bereich verortet sein müssen.
Gallerytalk: Hallo Anna. Das ist jetzt die siebte Ausgabe der Millerntor Gallery – was ist in diesem Jahr neu und besonders?
Anna Lafrentz: Wir haben drei Säulen: Kunst, Musik, Kultur und es gibt tatsächlich in jedem Bereich Neuerungen. Im Kunstbereich ist die größte Neuerung, dass wir die Anzahl der Künstler reduziert haben – was in einem eigentlich wachsenden System natürlich erstmal komisch klingt. Aber wir wollten mehr Fokus. Mehr Zeit. Platz, Wertschätzung jedem einzelnen gegenüber.
Gallerytalk: Also haben die Künstler dann auch mehr Raum in der Ausstellung, sodass sie mehr Arbeiten zeigen können?
Anna Lafrentz: Genau. Mehr und auch andere Arbeiten. Wir haben auch mehr Ressourcen für Sonderprojekte wie zum Beispiel überlebensgroße Installationen. Das Grundkonzept bleibt, dass wir versuchen etablierte Künstler mit jungen und unbekannten zu mischen. Schon jetzt in der Vorbereitungszeit geht unser Konzept gut auf und es ist total spannend, was für Synergien sich daraus ergeben.
Gallerytalk: Natürlich interessiert uns der Kunstbereich am meisten, aber gibt es auch Neuerungen im Kultur- und Musikprogramm?
Anna Lafrentz: Das Kulturprogramm haben wir erweitert und werden mit dem “Kulturwohnzimmer” einen neuen Raum schaffen. Außerdem gibt es eine Start-up-Academy für Social Start-ups mit Pitches, Workshops und einer Podiumsdiskussion. Im Musikbereich ist die Neuerung, dass wir Bühnenpaten haben. Die drei Haupttage werden durch Bela B, Fettes Brot und DJ Mad kuratiert. So bekommen wir auch andere Bands, denn wenn Bela jemanden anfragt, ist es natürlich etwas Anderes, als wenn Viva con Agua jemanden anfragt. Auch in Hinsicht auf Überraschungen: Interessante Newcomer, die wir noch gar nicht auf dem Schirm haben – dadurch, dass es etablierte Musiker sind, die die buchen, sitzen wir quasi direkt an der Quelle.
Gallerytalk: Das Motto dieses Jahr lautet “Youtopic” – wie kann man sich die Umsetzung mit eurem Kunst- und Rahmenprogramm vorstellen?
Anna Lafrentz: Das ist sind natürlich die Rahmenbedingunge, die wir als Veranstalter vorgeben und da beschäftigen wir uns viel mit Utopien und haben unser Musik- und Kulturprogramm dahingehend kuratiert. Wir haben darauf bereits in den letzten Monaten hingewirkt und zum Beispiel in unserem ehrenamtlichen Team herumgefragt: Was sind denn deine Utopien, wie stellst du dir die Welt vor? Was sind deine Wünsche? Das wird sich auch in der Gallery wiederfinden. Und die Künstler sind natürlich dazu angehalten, sich damit zu beschäftigen und das tun viele auch. Ganz spannend finde ich zum Beispiel die Künstlerin Macha aus Nepal, die auf der Süd ein großes Mural malt. Sie hat erzählt, auf dem Bild sieht man einen Vater, wie er seine Tochter umarmt – das ist ihre persönliche Utopie.
Gallerytalk: Im Gegensatz zum eher amorphen Motto des Vorjahres “To float an idea”, ist Utopie ja ein konkreteres Thema. In eine persönliche Utopie mit dem “You”-Aspekt kann man sich als Künstler sicher noch besser hineinfühlen.
Anna Lafrentz: Ja genau, das Gefühl habe ich auch.
Gallerytalk: Wo wir gerade von Künstlern sprechen – hast du besondere Lieblingskünstler oder –arbeiten aus dem diesjährigen Programm der Millerntor Gallery?
Anna Lafrentz: Ich stehe ja total auf junge, unbekannte Künstler. Sehr gespannt bin ich zum Beispiel auf drei Künstler, die haben letztes Jahr bei uns als Kollektiv Guapo Sapo ausgestellt. Denen haben wir jetzt jeweils eine eigene Wand zur Verfügung gestellt – jeder der drei hat seine 7,50 Meter und da bin ich ganz gespannt, was das jetzt macht und auslöst. Wir werden auch Performancekunst haben, das wird sicher auch ganz interessant und lustig. Es wird einen Fontana di Pauli geben, angelehnt an den Fontana di Trevi, wo man als Performance sein Glück suchen kann…
Gallerytalk: Also wirft man eine Münze hinein, wie in den Trevibrunnen in Rom?
Anna Lafrentz: Richtig, genau das. Und es wird ein paar Überraschungen geben. Wir haben zum Beispiel neue Genres dazubekommen. Wir haben einen Künstler aus Österreich, der im Säulengang eine Fadeninstallation macht. Im Digital- und Lichtbereich gibt es auch Neuerungen. Wir dürfen zum ersten Mal das Spielfeld bespielen mit einer Lichtinstallation, das wird auf jeden Fall spannend. Außerdem haben wir zum ersten Mal Mapping-Künstler dabei, die an der Außenfassade ein Mapping gestaltet haben, das auch außerhalb der Öffnungszeiten sichtbar sein wird. Ja, es wird nochmal bunter, nochmal mehr Mix und sicher auch noch einmal ein bisschen mehr Clash. Das finden wir immer sehr spannend!
WANN: Die Millerntor Gallery eröffnet am Donnerstag, den 29. Juni, ab 18 Uhr. Danach läuft das Festival bis Sonntag, den 2. Juli.
WO: Wie immer in der Süd- und Hauptribüne des Millerntor Stadion, Harald-Stender-Platz 1, 20359 Hamburg. Rein kommt ihr am Einlass Medienparkplatz zwischen Süd und Gegengerade.