Urbane Spähren
Aktuelle Landschaftsarchitektur

28. April 2017 • Text von

Global zieht es immer mehr Menschen in die Städte. Landschaften werden von urbanen Wucherungen verschluckt, Flüsse verschmutzt und begradigt, Täler mit Häuserschluchten gespickt. Die aktuelle Landschaftsarchitektur muss sich diesen Trends stellen und sie untersuchen. Mit der Ausstellung „draußen“ widmet sich das Architekturmuseum München nun erstmals diesen Herausforderungen.

Der Ciliwung River im Bereich des Viertels Kampung Bukit Duri, Jakarta, Indonesien, 2011, Foto / Photo: © Jörg Rekittke.

Der Ciliwung River im Bereich des Viertels Kampung Bukit Duri, Jakarta, Indonesien, 2011, Foto / Photo: © Jörg Rekittke.

Der Begriff Anthropozän wurde in den letzten Jahren häufig in Diskussionen verwendet und in Diskurse eingebracht. So markiert das Anthropozän den neuen Zeitabschnitt, in dem der Mensch zu einem wichtigen Faktor auf biologische und geologische Prozesse der Erde geworden ist. Es ist das Zeitalter einer Geologie der Menschheit; der Mensch als dominanter Auslöser von Veränderungsprozessen. Dass diese These in der Realität besteht, die Auswirkungen des Menschen aber nicht notwendigerweise irreversibel sind, zeigt die Ausstellung „draußen“ im Architekturmuseum München eindrucksvoll.

Die Cañada Real schlängelt sich durch die Peripherie von Madrid, 2016, Foto / Photo: © Johann-Christian Hannemann, CC BY-SA 4.0

Die Cañada Real schlängelt sich durch die Peripherie von Madrid, 2016, Foto / Photo: © Johann-Christian Hannemann, CC BY-SA 4.0.

Die globalen Städte wachsen, die Welle der Verstädterung scheint unaufhaltsam. Doch diese Veränderungen führen unwillkürlich zu Problemen: soziale Ungerechtigkeit, räumliche Zersiedlung, Instabilität und ökologische Sünden. Um diese Probleme zu analysieren und deren Auswirkungen zu korrigieren zieht die Disziplin der Landschaftsarchitektur einen weiten räumlichen und zeitlichen Horizont, denn die Vorstellung der Dichotomie von Stadt und Land entspricht nicht mehr der Realität. Die Ausstellung „draußen“ geht davon aus, dass es am Anfang des 21. Jahrhunderts global keine Orte mehr gibt, die nicht von den Auswirkungen der Urbanisierung und Migration, der Ausbeutung fossiler Brennstoffe und der damit einhergehenden unkontrollierten Veränderungen ökologischer Systeme betroffen sind. Die Ausstellung zeigt in zehn globalen Case Studies das konkrete Zusammenwirken, die systemische Dependenz von Stadt und Umland, von Waren- Wasser- und Abfallkreisläufen und deren lokalen und globalen Bedingungen.

Wassergeprägte Stadtlandschaft entlang des Chuanzi-Flusses nach der Umsetzung des Projekts, 2016, Foto / Photo: © Lothar Fuchs.

Wassergeprägte Stadtlandschaft entlang des Chuanzi-Flusses nach der Umsetzung des Projekts, 2016, Foto / Photo: © Lothar Fuchs.

Ein Slum in einer europäischen Großstadt, eine chinesische Metropole, die das Wasser, auf dem sie gebaut ist, vergiftet. Städte eingezwängt zwischen dem Meer und sich ausbreitender Wüste. Die Ausstellung „draußen“ vermittelt einen detaillierten Einblick in die aktuelle Arbeit der Landschaftsarchitektur. Fünf akademische Teams präsentieren im Architekturmuseum die Ergebnisse ihrer grundlegenden Forschungen. Mit Karten, Videos und exemplarischen Objekten werden die einzelnen Fallstudien auf Tischen präsentiert. Modelle illustrieren den Kontext und markieren Veränderungen. Problemstellungen in Casablanca und Madrid, Changde und Medellín werden präsentiert und analysiert.

Der Tamanduateí ist seit 1957 komplett kanalisiert und teilweise verrohrt, 2015, Foto / Photo: © Marcus Hanke, Institut für Landschaftsarchitektur, Leibniz Universität Hannover.

Der Tamanduateí ist seit 1957 komplett kanalisiert und teilweise verrohrt, 2015, Foto / Photo: © Marcus Hanke, Institut für Landschaftsarchitektur, Leibniz Universität Hannover.

Die Forschungsteams haben dafür Instrumente aus unterschiedlichen Disziplinen verwendet, aus der Soziologie, Ethnologie oder Ökonomie. Zusammen mit lokalen Partner wird versucht den Kern des Problems zu identifizieren, um im nächsten Schritt konkrete bauliche Maßnahmen zu formulieren. Und diese ähneln sich oft. Die Antwort auf die Probleme des Anthropozän ist meist die Natur. Parks, die renaturalisierten Flüssen als Auen dienen, Grünflächen, die schmutziges Wasser filtern, Recycling-Kreisläufe. Die aktuelle Landschaftsarchitektur widmet sich heute jenen räumlichen und sozialen Systemen, die unsere Gesellschaft von morgen prägen werden.

WANN: Die Ausstellung ist bis zum 20. August zu sehen.
WO: Architekturmuseum in der Pinakothek der Moderne, Barer Straße 40, 80333 München.

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