UNPAINTED lab 3.0 im MMA

20. Februar 2016 • Text von

Digitale Kunst ist auch im Jahre 2016 eine Herausforderung. Wie reagieren Künstler auf die zunehmende Digitalisierung der Welt? Was ist Web-Art, Net-Art und Virtual-Reality-Art? Auf diese Fragen versucht das UNPAINTED lab 3.0 als international besetzte Plattform zum Thema digitale Kunst Antworten zu finden. Mit Präsentationen, Performances, Talks und Workshops. Das wollten sich die Autoren von Gallerytalk natürlich nicht entgehen lassen. Ann-Kathrin Ntokalou und Quirin Brunnmeier berichten hier von ihrem Besuch im MMA.

Die Messe für digitale Kunst will innovativ und wegweisend sein, bleibt dafür jedoch erstaunlich konventionell findet Ann-Kathrin Ntokalou. Neben Videoarbeiten – wie die der Künstlerin Birthe Blauth, die mit Hilfe minimaler digitaler Veränderungen die Gesichtszüge eines Mannes so verändert, dass es dem Betrachter auf subtile Weise jegliche Art von Emotion vermittelt – oder multimedialen Installationsräumen wie die des Künstlerduos Station Rose, zeigt UNPAINTED dann doch vor allem eines: gerahmte Bilder. Diese Arbeiten sind zum Teil klug, konzeptionell wie auch visuell ansprechend, doch der eigentlichen Idee der Messe gegenläufig.

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Bild: UNPAINTED lab 3.0, Rechts: Nora Renaud

Nora Renaud nutzt Pen und Handydisplay anstelle von Pinsel und Leinwand. Ihre Arbeiten entstehen innerhalb weniger Minuten und außerhalb eines Ateliers, sie malt und stellt das Bild unmittelbar danach auf Instagram. Die Schweizerin spricht von performativer Kunst, da sie die Bilder der Community zur Verfügung stellt, die sie wiederum kommentieren und weiterverwenden kann.  Auf der Messe zeigt die Künstlerin ihre digitalen Bilder in gedruckter Version – abstrakte Gemälde auf synthetischen Fellen und Polyester. Renauds Arbeiten sind spannend, durchdacht und zeitgemäß. Doch auch ihre Arbeit wirft die Frage auf, die sich einem bei der Betrachtung des präsentierten Kanons förmlich aufdrängt: Was ist hier „UNPAINTED“? Eine Abkehr von der Malerei, wie sie im Titel der Messe antizipiert wird, ist hier nicht erkennbar. Denn ist ein Gemälde weniger Gemälde, wenn es am Bildschirm entsteht? Ist Malerei keine Malerei mehr, nur weil man das Medium wechselt?

Bild: Florian Freier, Eye Of God, Google Earth Remix

Bild: Florian Freier, Eye Of God, Google Earth Remix

Der Zwiespalt zwischen Analog und Digital setzte sich auch an andere Stelle fort. Quirin Brunnmeier ist beim Rundgang durch den Ausstellungsparcours besonders eine künstlerische Position aufgefallen, die sich klug mit digitaler Aneignung, Datenspeicherung und unseren Gewohnheiten in der digitalen, visuellen Welt auseinander setzt. Der junge Münchner Künstler Florian Freier präsentiert drei Projekte auf der Messe, die sich an der Grenze von Fotografie, Konzept und digitaler Kommunikation befinden. Für seine Arbeit „The Eye of God“ collagierte er aus Google Earth entnommene Bildfragmente digital so, dass das Ergebnis eine fast deckungsgleiche Kopie der Bekannten Fotografie „Bahrain 1“ von Andreas Gursky ergab. Die Anleitung für diese Raub-Kopie-Fotocollage stelle er als Tutorial-Video online, macht so seinen Arbeitsprozess sicht-  und nachvollziehbar.

Bild: Florian Freier, Profile Page

Bild: Florian Freier, Profile Page

In einer aktuelleren Arbeit setzt sich Freier mit Individualität, unserer Privatsphäre und der im Netz gepflegten Selbstdarstellung auseinander. Er setzt die Bilder standardisierter Einzimmer-Studentenapartments in einem Wohnheim neben Screenshots der gleichsam standardisierten Facebook-Profile der Bewohner. Dabei entsteht ein eigentümlicher Kontrast aus on- und off-line Selbstentwurf und Häuslichkeit. Auf Facebook wie im Zimmer wird ein vorher definierter Raum mit Persönlichem ergänzt, gestaltet und sich zu eigen gemacht. Das Ergebnis der Kontrastierung ist ein gleichzeitig intimer wie melancholischer Einblick in persönliche Lebensrealitäten.

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Bild: UNPAINTED lab 3.0

Digitale Kunst ist ein schwer abzugrenzendes Feld: Computerkunst fällt darunter, generative Kunst, Medienkunst im Allgemeinen und auch Sound- und Konzeptkunst kann man unter diesen Begriff subsumieren. Dass sich unter dem Label „Post-Internet“ eine ganze Generation höchst unterschiedlicher Künstler versammelt hat und nun in namhaften Galerien und Institutionen ausstellt macht die Abgrenzung wahrlich nicht leichter. Das UNPAINTED lab 3.0 hat es sich zum Ziel gesetzt, eine internationale Plattform zur digitalen Kunst zu schaffen und unterschiedliche Positionen zu zeigen. Doch so unscharf wie der Oberbegriff der „Digitalen Kunst“ bleibt, zeigt sich auch die Messe selbst. Projizierte Videoarbeiten neben gerahmten Bildern, installative Ansätze neben eher klassischen Bildformaten. Auch wenn einige der gezeigten Positionen herausstechen und das disruptive und subversive Potential der digitalen Ansätze illustrieren, erscheint die Messe als solche doch eher unschlüssig.

Wer sich selbst ein Bild machen möchte, hat heute Abend einen guten Anlass. Die Unpainted feiert diesen Samstag mit einem Late Night Programm bis in die Nacht: Mit einem Workshop und Performances von Tom Früchtl, Manuela Hartel, Station Rose sowie einem DJ Set von Leo Kane – Because it’s all about love!

WANN: Noch zu sehen bis Sonntag, 21. Februar.
WO: UNPAINTED lab 3.0, MMA – MIXED MUNICH ARTS, Katharina-von-Bora-Straße 8,  50333 München.

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