Ungewiss apokalyptisch
Malte Bartsch im EIGEN + ART Lab

3. Mai 2021 • Text von

Zeit und Geld sind Investments. Investments in eine hoffentlich bessere Zukunft. Oder investieren wir eigentlich nur unnachgiebig in eine drohende Apokalypse? Mögliche Visionen für die Zukunft schlägt Malte Bartsch in seiner Ausstellung „Investment“ vor – wobei nichts eindeutig oder unabänderlich ist.

Malte Bartsch, Investment, Ausstellungsansicht, 2021, EIGEN + ART Lab. Foto: Otto Felber, Berlin. Courtesy the artist and EIGEN + ART Lab

Eine „Time Machine“, die eine Quittung mit der Sekundenzahl des Zeitverlustes ausstellt. Oder des Zeitgewinns? Ein brennender Geldautomat. Oder ein Geldautomat mit Lagerfeuer-Upgrade? Was nach willkürlicher Zweckentfremdung klingt ist ein spielerisch-apokalyptisches Hinterfragen von gewohnten Strukturen. Ein brennender Geldautomat klingt nach gewalttätiger Revolte mit Occupy Wall Street Unterton. Revolte mit folgender Apokalypse? 

Hier ist zu erwähnen, dass der Geldautomat „EC“ von Malte Bartsch im EIGEN + ART Lab nicht in reißenden Flammen steht. Der Bildschirm des Automaten wurde entfernt und durch eine Gasplatte ersetzt. Das Feuer flackert eher vor sich hin, statt theatralisch zu lodern. Es flackert jedoch unmissverständlich und eindringlich, als würde es einen drohenden Umbruch vorhersagen. Wobei Umbruch ja nicht gleich Apokalypse ist. Sowieso ist fraglich, ob eine Apokalypse zwangsläufig schlecht ist.

Malte Bartsch, Investment, Ausstellungsansicht, 2021, EIGEN + ART Lab. Foto: Otto Felber, Berlin. Courtesy the artist and EIGEN + ART Lab

Apokalyptisch anmutend sind alle Werke von Bartschs Ausstellung „Investment“. Zwei silbrig-schimmernde Agavenbäume stehen wie titanenhafte Aliens, die nach der Apokalypse auf der Erde gelandet sind, im Raum. Ihre tentakelartigen Äste ragen über drei Meter hoch in die Luft. Sie sind grazil fragil, wirken aber dennoch unbeugsam. Ihr Ziel: Die Erdlandschaft nach dem Ruin einnehmen. Und einen besseren Ort daraus machen? Momentan befinden wir uns angesichts Pandemie, Klimakrise und unzähliger weiterer Katastrophen vielleicht auch sowieso schon auf dem Weg einer selbstausgelösten Apokalypse.  

Apokalypse klingt jetzt ziemlich dramatisch. Es muss nicht gleich ein grausamer Untergang drohen. Möglicherweise ist es ein kurzes, aber intensives Lodern – wie in dem feuerrot erleuchteten Iglu in der Fotografie „Schneehaus“. Trotz eines apokalyptisch erscheinenden Leuchtens aus dem Eingang des Iglus bleibt dieses standhaft. Es geht nicht unter, befindet sich aber im Umbruch. Wird wachgerüttelt. Apokalyptisch ist hier als Nährboden für etwas Neues, etwas Besseres zu verstehen. Was auch immer dieses neue Bessere sein mag, es braucht einen Umsturz, um es auszulösen. Vielleicht kann die Corona-Pandemie da als produktiver Ausgangspunkt dienen. Ob das dann auch alles funktioniert, ist trotzdem ungewiss. Ungewiss ist auch, ob das Iglu letztlich nicht doch noch in Flammen zusammenstürzt. Was bleibt, ist ein Unbehagen.

Malte Bartsch, Investment, Ausstellungsansicht, 2021, EIGEN + ART Lab. Foto: Otto Felber, Berlin. Courtesy the artist and EIGEN + ART Lab

Malte Bartsch wirft in seiner Einzelausstellung Zukunftsvisionen in den Raum. Zukunftsvisionen, die als Vorschläge gelten und keinesfalls unerschütterlich oder unveränderlich sind. Sie sind Anregungen und ein gleichzeitiges Alarmieren über unsere aktuelle Situation. Die Agaven sehen zwar nach außerirdischen Gestalten aus, könnten aber genau so gut auch ein Produkt des zwanghaften Versuchs des Menschen sein, die Natur zu manipulieren und zu beherrschen. Ein Produkt, das im Zuge des apokalyptischen Massenkonsums dann sowieso im Abfall landet. 

Zwischen Apokalypse und Hoffnung oszillieren auch die Feuerwerks-Raketen im zwölfminütigen Video „Rakete“. In einem permanenten Loop zeigt es den Start und Fall von zehn Raketen. Wann das Video anfängt und aufhört und um welche Rakete es sich gerade handelt, bleibt unklar. In regelmäßigen Abständen ist ein explosionsartiger Knall zu hören. Die Raketen gehen in funkelnde Strahlen auf. Jedoch nicht – wie zu erwarten – am höchsten Punkt der Flugbahn, sondern wenn sie sich schon wieder auf dem Rückweg zur Erde befinden. Es ist ein Überraschungsmoment, der wachrüttelt und uns unsere gewohnten Erwartungen, Haltungen und Strukturen hinterfragen lässt. Wir können eben nicht selbstverständlich davon ausgehen, dass etwas genau nach unserer Vorstellung passiert. Letztlich befindet sich alles in einem Raum des Ungewissen, in dem nichts zu einhundert Prozent vorhergesagt werden kann. 

Malte Bartsch, Investment, Ausstellungsansicht, 2021, EIGEN + ART Lab. Foto: Otto Felber, Berlin. Courtesy the artist and EIGEN + ART Lab

Dass uns, wenn wir so weiter machen, ein Unheil droht, kann wohl aber doch mit ziemlicher Gewissheit gesagt werden. Und wohlmöglich ist dieses Unheil ja auch schon da. Was kommt da noch? Was steht uns bevor? „Investment“ ist eine Vision für eine mögliche Zukunft. Eine Vision, die existenzielle Fragen aufwirft. Die Ausstellung ist ein bedrohliches Flackern, das – wenn wir unser Handeln nicht endlich fundamental ändern – schnell in ein apokalyptisches Lodern umschlagen kann. 

WANN: Die Ausstellung „Investment“ läuft noch bis Samstag, den 15. Mai.
WO: EIGEN + ART Lab, Torstraße 202, 10115 Berlin.

Weitere Artikel aus Berlin