Sprachrohr der Geschichte
Ulrike Grossarth in der Galerie Max Mayer

6. März 2023 • Text von

Eine Stadt, ein Land, eine Künstlerin: Ulrike Grossarth erforscht die jüdische Vergangenheit von Lublin im Osten Polens. Ihre Ausstellung “Salle des Mères” in der Galerie Max Mayer zeigt, wie Geschichte zu Kunst wird.

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Installation view / Installationsansicht: Ulrike Grossarth: Salle des Mères, Galerie Max Mayer, Schmela Haus, Düsseldorf, 2023. Foto: Katja Illner.

Wie vermittelt man Geschichte, ohne zu langweilen? Eine Antwort darauf könnte der Besuch in der Ausstellung „Salle des Mères“ von Ulrike Grossarth in der Galerie Max Mayer in Düsseldorf bieten. Grossarth hat lange Rechercheaufenthalte in Auschwitz verbracht und schließlich in den 1980er-Jahren die polnische Stadt Lublin als räumlichen Mittelpunkt ihrer künstlerischen Praxis bestimmt. Seither forscht die Künstlerin zur jüdischen Geschichte und Vergangenheit der Stadt.

Lublin galt in Polen als Zentrum des Chassidismus, einer religiösen Bewegung des osteuropäischen Judentums, entstanden im 18. Jahrhundert. Durch das NS-Regime erfuhr die Stadt einen Vernichtungsfeldzug und somit eine starke Zäsur. 2014 gründete Grossarth die so genannte Schule von Lublin, ein mobiles Institut für das Studium und die Forschung zu jüdischen Themen. 2015 eröffnete sie den öffentlichen Projektraum Symbol gotowe/sklep, in dem bis heute Ausstellungen und Interventionen stattfinden. Der Raum dient als offene Plattform, um über neue Kunst- und Kulturbegriffe nachzudenken, die auf Quellen von jüdischen Denk- und Lehrtraditionen basieren.

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Ulrike Grossarth, SYMBOL gotowe / trading, oil and goldleaf on cardboard, nitro reprint, 3 frames each: 40,3 x 52,4 x 2,5 cm, Lublin / Dresden, 2011/2012. Foto: Katja Illner.

In der Serie “SYMBOL gotowe / trading”, die aktuell in der Galerie Max Meyer ausgestellt ist, verarbeitet Grossarth das Thema des Warentausches. Die drei Arbeiten zeigen arrangierte Schaufenster mit geschlossener oder offener Tür zu einem Ladengeschäft. Zu sehen sind Menschen, Kleider und Gold.

Ein Foto des Fotografen Stefan Kiełsznia aus den 1930er-Jahren diente Grossarth als Vorlage und Ausgangspunkt. Kiełsznia hat im jüdischen Viertel der Stadt, das später gettoisiert wurde, die Straßen dokumentiert. Seine Aufnahmen bilden allerlei ab: Fassaden, Straßenzüge, Geschäfte und Werbetafeln. Dieses Fotoarchiv nutzt Grossarth, um sich der Geschichte der Stadt mittels zeitgenössischer Kunstproduktionen zu erinnern und sie zu verarbeiten.

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Ulrike Grossarth, SYMBOL gotowe / trading, oil and goldleaf on cardboard, nitro reprint, 3 frames each: 40,3 x 52,4 x 2,5 cm, Lublin / Dresden, 2011/2012. Foto: Katja Illner.

Die eigens für die Ausstellung angefertigte Arbeit “Salle des Mères”ist eine Referenz der Künstlerin auf ihre Arbeit “Salle des Pères”, welche eine Replik der Arbeit “La Salle blanche” von Marcel Broodthaers ist. Die“Salle des Mères” erscheint als ein Modell, dass an die jüdischen Tradition der Laubhütte angelehnt ist. Das “Laubhüttenfest”, auch Sukkot-Fest genannt, ist das größte Freudenfest des jüdischen Jahres. Eine Woche lang erinnern sich Juden an die Zeit, als sie noch nicht sesshaft waren. In der Laubhütte wird gegessen und es ist wichtig, dass durch das Dach immer ein Stück vom Himmel zu sehen ist.

In den Arbeiten von Grossarth verschmelzen Forschung, Geschichte und Kunst. Das künstlerische Dreieck verdeutlicht, wie diese Disziplinen einander unterstützen und ergänzen können. Die Arbeiten der Künstlerin sind weniger Kunstwerke im klassisch kunstgeschichtlichen Sinne, sondern dienen vielmehr als Sprachrohr von Geschichte und Forschung. Ihr Werk ist wie ein Geschichtsbuch. Das Bildnerische unterstützt das Textliche und kann nicht in einem Blick erfasst werden. Das Bild muss wortwörtlich gelesen werden.

WANN: Die Ausstellung “Salle des Mères” von Ulrike Grossarth läuft bis Samstag, den 11. März.
WO: Galerie Max Mayer, Schmela Haus, Mutter-Ey-Straße 3, 40213 Düsseldorf.

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