Über Schwellen steigen
Ein Gespräch mit dem Team von jungemeister.net

29. Oktober 2016 • Text von

Seit elf Jahren fungiert Junge Meister als ein Netzwerk von und für Studierende, die sich für zeitgenössische Kunst in Berlin interessieren. Wir sprechen mit Gründerin Hannah Beck-Mannagetta, Anne Diestelkamp und Ekaterina Petrova über Elitarismus in der Kunstwelt und Atelierbesuche.

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Junge Meister bei Bernheimer Contemporary.

gallerytalk.net: Junge Meister ist ein Verein der Studierende mit der Berliner Kunstszene in Berührung bringt. Wann wurde er gegründet und wieso habt ihr euch für diese Struktur entschieden?
Hannah: Ursprünglich war Junge Meister ein loses Netzwerk, das zunächst von BWL- und Jurastudenten initiiert wurde. Seit Herbst 2005 wird in diesem Rahmen gemeinsam Kunst angeschaut. 2007 haben wir dann den Verein gegründet, um eine Struktur zu schaffen, die wir der nächsten Generation übergeben können.

Was war die anfängliche Intention hinter dem Netzwerk Junge Meister?
Hannah: Die Initiatoren haben sich für Kunst interessiert, hatten aber – weil sie selbst aus einem anderen Fachbereich kamen – wenig theoretisches Vorwissen. Deshalb versuchten wir einen Rahmen zu schaffen, in dem wir gemeinsam und im persönlichen Gespräch mit verschiedenen Akteuren mehr über die Berliner Kunstlandschaft erfahren konnten. Der Schwerpunkt liegt darauf Studierenden einen Zugang zu zeitgenössischer Kunst zu ermöglichen, weil diese wesentlich schwieriger zu greifen ist als klassische Kunst. Wichtig war uns in diesem Kontext vor allem die zahlreichen Hemmschwellen der Kunstszene gemeinsam abzubauen und gleichzeitig die Struktur unseres eigenen Vereins möglichst offen zu gestalten. Man kann nicht verleugnen, dass Kunst einen elitären Charakter hat und ihr oft einen leichte Exklusivität innewohnt.  Das wird man auch nicht vollkommen überwinden können, aber wenn man Kunst eine gesamtgesellschaftliche Wirkung und Bedeutung zuschreibt, gilt es in einer vermittelnden Position dieser Exklusivität entgegenzuwirken. Unsere Intention war und ist jungen Leuten auf verschiedenen Ebenen einen Zugang – insbesondere zur zeitgenössischen – Kunst zu ermöglichen. Und zwar unabhängig von ihrem familiären, finanziellen und auch theoretischen Background.

Inwieweit gewährleistet die Struktur des Vereins diese Offenheit?
Hannah: Unser Jahresbeitrag lag von Anfang an bei 10€. Außerdem war uns immer wichtig, dass die Mitglieder, die unsere Veranstaltungen besuchen, und auch diejenigen, die aktiv das Programm mitgestalten, aus verschieden Bereichen kommen. Tatsächlich waren wir immer ein heterogenes Team. Darüber hinaus agieren wir – im Gegensatz zu musealen Freundeskreisen, die an eine bestimmte Institution und deren Ausstellungsprogramm gebunden sind – vollkommen unabhängig.

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Junge Meister in der Galerie Jordan/ Seydoux.

Wie würdest du das Programm von Junge Meister beschreiben?
Hannah: Innerhalb der Berliner Kunstszene bieten wir Veranstaltungen mit aktuellem Bezug an, die unseren Mitgliedern ermöglichen hinter die Kulissen zu schauen. Wir veranstalten keine Führungen, treten also nicht selbst als Kunstvermittler auf, sondern suchen vielmehr das persönliche Gespräch mit Galeristen, Künstlern, Kuratoren und Kulturschaffenden, die in eine Ausstellung oder ein Projekt involviert sind. Das Ziel ist alle Fragen zu stellen, die vermeintlich nicht gestellt werden können.

Es ist doch so – In einem Museum weiß man, was man zu tun hat: Man kauft eine Eintrittskarte, man geht rein. Aber in einer Galerie gibt es eine Schwellenangst.
Hannah: Genau darum geht es: Jungen Leuten die Angst zu nehmen in eine Galerie reinzugehen und die Leute nach allem zu fragen: Nicht nur nach den Künstlern, sondern beispielsweise auch, wie viel es eigentlich kostet einen Ausstellung zu realisieren.

Wie reagieren Galeristen darauf, wenn ihr als gemeinnütziger Verein auf einer Kunstmesse oder in einer Galerie aufschlagt? Werdet ihr immer mit offenen Armen empfangen oder gibt es auch Leute, die sich hinter ihren Mac Books verstrecken?
Anne: Ich habe festgestellt, dass es einen Riesenunterschied macht, ob ich alleine oder mit den Jungen Meistern eine Galerie besuche. Ich finde es spannend zu beobachten, dass man als Gruppe immer mit offenen Armen empfangen wird, während man als einzelner Besucher oft das Gefühl hat zu stören.
Hannah: Es ist ein wahnsinniger Türöffner. Ich meine, alleine würdest du das gar nicht machen. Du würdest niemanden eine E-Mail schreiben und fragen: „Kann ich alleine dich mal zwei Stunden nerven?“ Aber wenn du den Verein im Rücken hast, kannst du ganz anders an die Leute herantreten. Eigentlich sprechen die Leute sehr gerne über ihre Projekte, wenn sie es zeitlich einrichten können

Wie viele Mitglieder habt ihr denn im Moment „im Rücken“?
Anne: Im Moment haben wir 70 Mitglieder. Und dann gibt es natürlich auch noch diejenigen, die unseren Newsletter empfangen, das sind zwischen 900 und 1100 Abonnenten. Wir bezeichnen uns selbst ja auch Netzwerk, und mit der Menge an Mitgliedern, die wir im Moment haben, funktioniert das Netzwerken sehr gut. Man lernt sich kennen, geht danach vielleicht noch was trinken und manchmal entstehen sogar neue Projekte daraus.

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Das Team von Junge Meister, 2016. Von links nach rechts: Hannah Beck-Mannagetta, Kira Dell, Kilian Gärtner, Ekaterina Petrova, Anne Diestelkamp, Anna Lalla und Johann Voss. (Nicht auf dem Foto ist Laura Seidel.)

Im Gegensatz zu Hannah, die den Verein mit gegründet hat, seid ihr, Ekatarina und Anne, ja erst später dazugekommen. Wie habt ihr von Junge Meister erfahren?
Ekaterina: Ich bin seit 2013 dabei, also seit drei Jahren. Ich habe in einer Einführungsveranstaltung in der Uni von dem Verein erfahren. Ich wollte unbedingt mitmachen und habe dann lustigerweise eine formale Bewerbung geschrieben: „Sehr geehrte Frau …“ Zurück kam eine ganz kurze Nachricht, sowas wie „Cool, komm vorbei, wir freuen uns über aktive Mitglieder“. Am Anfang war ich recht schüchtern und habe vor allem mitgeholfen und zugehört. Erst nach einem halben Jahr habe ich selbstständig Veranstaltungen organisiert.

Welche Erfahrungen habt ihr gemacht, als ihr euch dazu entschieden habt das Programm aktiv mitzugestalten?
Anne: Ich habe erst vor einem Jahr bei den Jungen Meistern angefangen, im September 2015. Mich persönlich hat es positiv überrascht, wie einfach es letztendlich ist Kontakte herzustellen und als Bindeglied zwischen Künstler und Student oder Galerie und Student zu agieren. In der Kunstwelt hat man oft genau dieses Gefühl, dass das alles so elitär und so weit weg ist. Dabei gibt es diese Schwelle gar nicht und es ist so einfach die Leute dafür zu gewinnen.

Aus welchen Veranstaltungen setzt sich euer Programm zusammen?
Hannah: Neben Galerien und Museen gehen wir auch zu Privatsammlungen und machen Atelierbesuche bei Künstlern, das Spektrum ist breit. Tatsächlich besuchen wir sowohl ganz junge und unbekannte als auch etablierte Künstler. Durchschnittlich sind es zwölf Veranstaltungen im Semester, also mehr als eine im Monat. Die Veranstaltungen sind natürlich unterschiedlich stark besucht. Manchmal bekommen wir so viele Anmeldungen, dass wir eine Veranstaltung an separaten Terminen mehrmals anbieten, was wir beispielsweise bei der Berlin Biennale getan haben. Aber auch der gegenteilige Fall ist möglich: Man organisiert eine Veranstaltung und es kommen nur vier Leute und man weiß nicht warum. 

Hat sich der Schwerpunkt eures Programmes seit 2005 verändert?
Hannah: Die Zusammensetzung der Berliner Kunstszene hat sich seit 2005 meiner Meinung nach nicht wesentlich verändert. Es gibt einfach mehr Veranstaltungen, mehr Ausstellungsräume und mehr Künstler, die hier leben: Projekträume, private Sammler, international bekannte Künstler. Berlin ist der Kosmos, die Studenten sind die Zielgruppe und diese beiden Parameter verändern sich fortlaufend.

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Junge Meister auf der 9. Berlin Biennale mit Laura Schleussner.

Vorhin wurde das Thema Mitgliederfahrt angesprochen. Was hat es damit auf sich?
Anne: Dieses Jahr findet die Mitgliederfahrt am 30. Oktober statt. Wir werden für einen Tag nach Stettin fahren, dort die Ausstellung im „Trafo-Zentrum für Zeitgenössische Kunst“ besuchen und Künstlergespräche führen.
Hannah: Wir machen jedes Jahr eine Mitgliederfahrt: Wir waren drei Tage in Warschau und auch drei Tage in Wien. Am Anfang sind wir auch mal für einen Tag nach Hannover oder nach Kassel auf die documenta gefahren. Auch bei der Mitgliederfahrt versuchen wir immer die Kosten niedrig zu halten, damit wirklich jeder mitfahren kann.

Auf welche Veranstaltungen freut ihr euch im neuen Semester?
Anne: Wir sind noch in der Planungsphase. Bereits fest steht, dass wir am 19. November das Studio von Dagmar Weissinger besuchen und am 8. Dezember einen Atelierbesuch bei Christan Jankowski anbieten. Gerade bei Künstlern, die im Moment in aller Munde sind, schleicht sich manchmal die Sorge ein, dass sie keine Zeit haben und es nur ein kleiner Kreis ist, der das Atelier von großen Namen betreten darf. Oft stimmt das allerdings gar nicht.
Ekaterina: Ich habe beispielsweise einen Atelierbesuch bei Michael Sailstorfer gemacht. Es war ein krasser Auflauf von Leuten, aber der Künstler war super entspannt. Er hatte für alle ein Wein eingekauft und dann saßen wir bei einem Glas zusammen und haben über seine aktuellen Arbeiten gesprochen.

Noch ein letztes Nachhacken: Warum heißt ihr Junge Meister? Der Name ist nun doch sehr kunsthistorisch.
Hannah: Das kam noch aus der BWLer und Juristen Generation. Es ist  einfach ein Wortspiel. Jung, weil es um junge Leute und um zeitgenössische Kunst geht, also um die jungen Meister.

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