Wer hat Angst vor Rot, Grün, Blau
Troika in der Schirn Kunsthalle Frankfurt

19. März 2025 • Text von

Die Schirn Kunsthalle in Frankfurt verspricht eine immersive und ortsspezifische Installation des deutsch-französischen Künstler*innen Kollektivs Troika. Kuratorin und Naturphilosophin Dehlia Hannah widmet sich mit dieser Ausstellung auf spekulative Art unterschiedlichen Möglichkeiten von Naturerfahrung. (Text: Kurt Cassady)

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Troika, Buenavista, 2025, Ausstellungssansicht © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2025, Foto: Roy Bon 2025.

Das wohl berühmteste digitale Bild ist die Fotografie einer grünen Wiese vor blauem Himmel, „Bliss“ (1996) des Fotografen Charles O’Rear. Zwischen 2001 und 2006 diente das Motiv als Standard-Hintergrund für Windows-XP-Computer. Die menschliche Obsession technisch reproduzierter Natur äußert sich aber nicht nur in der Wahl des Hintergrundbildes am digitalen Schreibtisch. Das deutsch-französische Künstler*innen-Trio Troika widmet sich in seiner Arbeit eben dieser Obsession und ihren Auswirkungen auf Wahrnehmungsprozesse. 

Troikas aktuelle Ausstellung „Buenavista“ in der Schirn Kunsthalle Frankfurt beschränkt sich auf einen Raum, in dem Troika und die Kuratorin Dehlia Hannah versuchen, aus den versammelten Arbeiten eine immersive Kunsterfahrung zu erzeugen, wozu sie sich verschiedener Griffe bedienen. Salz ist in den Ecken des Raumes und um die Arbeiten herum zu kleinen Häufchen aufgeschüttet. Die auf der Fensterfront des Raumes aufgeklebten Farbfolien der Arbeit „Ultra Red, Evergreen, Ocean Blue“ verfärben die Szene, während über allem der Ton der Soundarbeit „I Am a River“ liegt. 

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Troika, Buenavista, 2025, Ausstellungssansicht © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2025, Foto: Roy Bon 2025

Ein grundlegendes Verständnis davon, wie die Aufnahme des berühmten Fotos von O’Rear beziehungsweise Farbfotografie generell funktioniert, erleichtert gegebenenfalls den Zugang zu den von Troika präsentierten Arbeiten. Es ist kein Zufall, dass Troika für den Eingriff an der Fensterfront rote, grüne und blaue Folien verwendet. Immerhin besteht der sogenannte Bayer-Filter, der in nahezu jeder Kamera verbaut ist und der die digitale Farbfotografie ermöglicht, aus genau diesen Farben.

Indem man als betrachtende Person durch den Farbfilter auf den Außenraum vor dem Museum blickt, soll laut Kuratorin Hannah der Eindruck evoziert werden, man befände sich selbst in einem technischen Apparat zur Bilderstellung – ergo einer Kamera. Die extreme Vergrößerung des Filters sorgt dafür, dass die Besucher*innen getrennt Rot, Blau und Grün wahrnehmen, was seine Verwendung sichtbar macht. 

Da die meisten Menschen in Grüntönen die beste Helligkeits- und Schärfewahrnehmung haben, ist die Farbe Grün in der Matrix des Bayer-Filters privilegiert. Auf jedes rote oder blaue Pixel kommen zwei grüne. Die gleiche Matrix begegnet Besucher*innen auch in den aufgerasterten Malereien „Irma Watched Over by Machines“. Sie stellen Aufnahmen des verheerenden Hurrikans Irma im US-Bundesstaat Florida 2017 dar, gefilmt durch automatische Umweltüberwachungskameras. Innerhalb des klassischen Mediums der Malerei wird hier die technische Betrachtungsperspektive einer Naturkatastrophe in den Mittelpunkt gerückt. Der malerisch vergrößerte Bayer-Filter kann als Beweis für die Zeug*innenschaft der Technik gelesen werden. Während sie scheinbar die zerstörerische Kraft der Natur dokumentiert, hält sie doch eigentlich das Resultat des menschlichen Eingriffes in die Umwelt fest.

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Troika, Buenavista, 2025, Ausstellungssansicht © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2025, Foto: Roy Bon 2025. // Troika, Buenavista, 2025, Ausstellungssansicht © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2025, Foto: Roy Bon 2025.

Unter schnell flackerndem LED-Licht wachsen in der Schirn Disteln aus einem silbrig schimmernden Haufen Siliziumbrocken. Bei der Skulptur „Anima Atman“lässt einen die Materialangabe leider im Stich. Dass es sich um Siliziumbrocken handelt, erfährt man nur durch einen Besuch der Website der Künstler*innen. Das ist schade, da Silizium doch ein Hauptbestandteil moderner Computerchips ist, sozusagen der Gehirne der Maschinen – eigentlich ein wichtiger Aspekt des Hintergrundes der Arbeit. 

Tritt man näher an die Disteln heran, hört man das tiefe Summen eines elektromechanischen Systems, das die Pflanzen vibrieren lässt. Das menschliche Auge nimmt aufgrund des flackernden LED-Lichts die vibrierende Bewegung der stacheligen Pflanzen in einer langsameren Bildrate wahr, wodurch der Distel-Tanz einen merkwürdigen Slow-Motion-Effekt erhält. Hierdurch oszillieren sie in der Beobachtung zwischen natürlich und künstlich. 

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Troika, Buenavista, 2025, Computeranimierter Film, Produktionsstill © Troika.

Um einen ähnlichen Dualismus geht es in der titelgebenden Arbeit „Buenavista“. In dem auf einem im Raum hängenden LED-Bildschirm im Panorama Format gezeigten, digital erstellten Video ist ein Kuka-Industrieroboter zu sehen. Über und über mit langem, braunem Haar bedeckt, steht er in einer Salzwüste. In dem Moment, in dem sich die Figur anfängt zu bewegen, verändert sich die Landschaft, in der sie steht, schlagartig. Während der Roboter, einem Derwisch gleich, zu den Klängen von „I Am a River“tanzt, wechseln sich Seen, Wüsten, Berge, Wälder und Gletscher in einer rasanten Bildkaskade ab. Nicht nur das, sie vermischen sich auch immer wieder zu den abstrusesten Naturcollagen.

Künstliche Intelligenz (KI), hier verkörpert durch den tanzenden Roboter, beschwört wie ein Techno-Mystiker eine Natur, die in ihrer Zusammensetzung allerdings nicht den klimatischen Bedingungen unseres Ökosystems folgt. Vielleicht ist es dieses Nichtverstehen der gegebenen Gesetze und die daraus resultierende Pluralität, was diese KI-Natur ausmacht – sowohl ontologisch als auch kategorisch verstanden. 

Der LED-Bildschirm als solcher dient nicht nur der Präsentation des Videos. Durch die exponierte, mit Kabeln, Knöpfen und kleinen Displays übersäte Rückseite des Screens stellt Troika die bisweilen hochtechnische Komponente der Vermittlung digitaler Bildwelten zur Schau. 

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Troika, Buenavista, 2025, Ausstellungssansicht © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2025, Foto: Roy Bon 2025.

Den Anspruch, eine “immersive Installation” zu sein – wie Kuratorin Hannah es formuliert, kann die Ausstellung nicht ganz einlösen. Durch das verteilte Salz, das weder als Arbeit noch in der Materialliste aufgeführt ist, wird versucht, einen Rahmen zu schaffen, der allerdings in der Sphäre der Dekoration verbleibt. Auch die Geste der folierten Fensterfront schafft es nicht, die Arbeiten von Troika derart zusammenzubringen, dass man sie wirklich als eine Installation begreifen könnte. Fraglich ist allerdings, warum die Ausstellung dies überhaupt leisten muss.

Jede Arbeit für sich beschäftigt sich mit unterschiedlichen Teilaspekten des von den Künstler*innen aufgerufenen Themas. Ein Zusammenhang und Dialog zwischen den Arbeiten wäre auch deutlich geworden, ohne sie etwas lieblos in eine Salzlandschaft einzubetten. Das Zusammenspiel von Deutungsoffenheit und fast vorsätzlich fehlender Informationsgrundlage zu den Arbeiten – seien es die Materialangaben oder die technischen Hintergründe –erschweren den Zugang zur Ausstellung allerdings leider immens. Was bleibt, sind angeschnittene Fragen zur Wechselwirkung von Technik und Wahrnehmung.

WANN: Die Ausstellung “Buenavista” von Troika läuft bis zum 21. April.
WO: Schirn Kunsthalle Frankfurt, Römerberg, 60311 Frankfurt am Main.

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