Garten der Ideen 16. Triennale Kleinplastik Fellbach
27. Mai 2025 • Text von Quirin Brunnmeier
In einer Zeit multipler globaler Krisen, in der die Frage “Wie wollen wir leben?“ längst zu einer Überlebensfrage geworden ist, wagt die 16. Triennale Kleinplastik in Fellbach eine skulpturale Annäherung an das Konzept des “Habitat“. Über 60 internationale Künstler*innen verwandeln die Alte Kelter in ein sinnlich erfahrbares Terrain, das von der fragilen Balance zwischen Mensch, Natur und Technik erzählt.

Wie eine mit Kunst gespickte Landschaft wirkt die eindrucksvolle und lichtdurchflutete Halle der Alten Kelter in Fellbach. Die Ausstellungsarchitektur der 16. Triennale Kleinplastik in Fellbach fügt sich elegant in die Struktur des Gebäudes, das mit Skulpturen, Installationen und Screens gefüllt ist. Da passt es, dass das Ausstellungsfaltblatt nicht als Guide angeboten wird, sondern als Wanderkarte, die auf unterschiedlichen Routen durch das Terrain führt, in dem man auch eine futuristische Raubkatze von Flaka Haliti spotten kann. Das Tier ist aus den Knochenformen unterschiedlicher Tierarten zusammengesetzt, ein spekulativer Hybrid für das post-natürliche Zeitalter.
Der Titel der Ausstellung “Habitate. Über_Lebensräume“ ist bewusst mehrdeutig: Er verweist nicht nur auf ökologische Nischen oder architektonische Enklaven, er öffnet auch ein diskursives Feld, in dem sich künstlerische Utopien und gesellschaftliche Dystopien überlagern. Die Triennale präsentiert sich nicht als museale Bestandsaufnahme, eher als offenes Denk- und Erfahrungsfeld. Habitat wird hier als biologischer wie auch durchaus als sozialer, politischer und technologischer Begriff verstanden.

Klimawandel, Artensterben, Migration und Kriege wirken sich direkt auf unsere physischen und psychischen Lebensräume aus, verändern die Grundbedingungen und können Stress erzeugen. Die Ausstellung gliedert die gezeigten Arbeiten in sechs thematische Felder, im Bereich der “toxischen Habitate” können wir die ölverschmierten Vögel von Monira Al Qadiri sehen, ein mahnendes Zeugnis des Ölzeitalters und der Naturkatastrophe, die dem zweiten Golfkrieg folgte . Ökologisch ebenso fragwürdig sind die steinernen deutschen Vorgärten, auf die sich Emma Adler bezieht. Ihre Arbeit im Bereich der “verlorenen Habitate” ist die konsequent zu Ende gedachte Beton-Version eines solchen sub-urbanen Nicht-Ortes. Die Installation wirkt unter dem fahlen Neonlicht wie ein begehbares digitales Rendering aus den 2000er-Jahren, grau, kalt, tot und seelenlos.

Die Bandbreite der gezeigten Arbeiten reicht von klassischen Kleinplastiken über Videos bis hin zu hybriden Systemen aus organischen und synthetischen Materialien. Empfangen werden Besucher*innen vom “Bestiarium des Anthropozäns” von disnovation.org. Diese Sammlung von Objekten und Wandarbeiten soll als Enzyklopädie und Naturführer für die hybriden Habitate des 21. Jahrhunderts fungieren und die postnatürliche Ära, in der wir leben illustrieren. Was sagen Staubsaugerroboter, Plastikblumen und Tamagotchis über unsere vernetzte Gesellschaft aus? Direkt darüber ist mit “Intervowen #7” ein gänzlich analoges Netzwerk installiert. Diana Scherer zeigt ein organisches Wurzelsystem, das gemeinhin als das Gehirn der Pflanzen angesehen wird. Als lebendige Skulptur offenbart diese Arbeit die Komplexität und Fragilität natürlicher Systeme.

Die gesamte Ausstellung ist ein vielstimmiges und ambitioniertes Panorama künstlerischer Positionen. Dass die Ausstellung selbst als ästhetische Landschaft und als Garten der Ideen konzipiert ist, verstärkt den Eindruck eines durchlässigen Raums: Besucher*innen sollen nicht nur betrachten, sie können sich selbst durch die komplexen Themenfelder bewegen, verweilen und diskutieren. Der kuratorische Ansatz versteht das Habitat nicht als statischen Ort, sondern als prozesshaften Erfahrungsraum. Die Alte Kelter wird damit selbst zu einem Habitat im eigentlichen Sinne. Offen, pluralistisch und flexibel können hier neue Formen des Zusammenlebens zwischen Mensch, Technik, Tier und Pflanze erkundet werden.
WANN: Die 16. Triennale Kleinplastik mit dem Titel “Habitate. Über_Lebensräume” ist noch bis 28. September 2025 zu sehen.
WO: Alte Kelter Fellbach, Untertürkheimer Straße 33, 70734 Fellbach.
gallerytalk.net ist Medienpartner der 16. Triennale Kleinplastik. Vielen Dank für die Presse-Einladung nach Fellbach und die Übernahme der Reisekosten.