Traummann
Andy Kassier lächelt Geschlechterklischees entgegen

14. August 2019 • Text von

Ob verträumte Stunden am Strand von Kapstadt oder Cocktails im Yakuzee. Andy Kassier “has it all”. Er liebt gesunde Ernährung, hartes Work-Out, Karriere – verliert aber nie die Freude am Tennis und der Schönheit des Lebens. Zu perfekt, um wahr zu sein?

White horse (c) Andy Kassier

gallerytalk.net: Was macht Instagram als Medium des Ausdrucks für dich so besonders?
Andy Kassier: Einerseits ist Instagram die grundlegende Darstellung unseres sich verändernden Wertesystems. Dabei spielt es keine Rolle, ob etwas wirklich wahr ist oder nicht. Andererseits ist es unglaublich oberflächlich. Und das Komische ist, dass es ohne jeglichen Widerspruch funktioniert. Instagram gibt uns das Gefühl, wir könnten unsere öffentliche Wahrnehmung regeln und beherrschen – und ein bisschen stimmt das ja auch in diesem geschlossenen System. Es geht darum sich in einer bestimmten Rolle, die nicht unbedingt mit der Realität verbunden ist, zu präsentieren und gleichzeitig genau in diese Falle zu tappen, wenn wir andere beobachten. Ich glaube, es bleibt für mich ein interessanter Spielraum, weil es beides umfasst, unseren Willen für Transparenz und unseren Perfektionismus.

Heli (c) Andy Kassier

Ist die Nutzung von Social Media immer eine Art Werbung für die eigene Person?
Ich habe dieses Zitat gesehen − “if you are not paying you are the product” aber ich glaube, es ist gerade eher so, dass wir nicht das Produkt sind − wir sind die Ressource. Wir sind der Rohstoff, aus dem die Apps immer mehr Vorhersagen treffen können und ihre Vorhersagefähigkeiten immer weiter verbessern können. Ob dies nun echte Werbung ist –  schwer zu sagen. Ich denke, es ist auch ein Kommunikationsangebot. Für jedes Selfie, das wir posten, erhoffen wir uns auch eine Reaktion. Wir möchten, dass andere Menschen uns sagen, dass ihnen gefällt was wir machen, dass sie sich für uns freuen oder dass sie an uns denken. Für private Nachrichten nehmen wir uns oft gar keine Zeit mehr, ein Double Tap zwischendurch ist aber kein Problem. Das ist eine echt gute Frage, da diese auf so vielen verschiedene Ebenen spielt. Die Frage danach was wir in den Sozialen Medien sind? Produkte? Rohstoff? Es gibt es in der Tat Menschen, die von diese Art Selbstvermarktung wirklich leben oder von dieser Präsentation des Selbst beruflich abhängig sind und es gibt die private Haltung gegenüber der Welt, wonach ich mein Bestes geben muss. Das ist von den beiden anderen Punkten, schwer zu unterscheiden ist.

Fruit market (c) Andy Kassier

Wie kamst du dazu, den erfolgreichen Mann zu spielen? Warum genau diese Rolle?
Erfolgreiche Männer genießen, vor allem wenn sie weiß und hetero sind, die meisten Privilegien, sie können sich am meisten gönnen. Und all das, was für sie so leicht zugänglich ist, der ganze Luxus, der Erfolg, das gute Leben, das macht ja auch Spaß. Also, zumindest scheint es so zu sein. Ich wollte durch die Konzeption über die Begrifflichkeit und Repräsentation des Erfolges reflektieren. Der Erfolg der weißen Männer ist ein Ort, der auf brutale Weise die ästhetischen, moralischen und politischen Dilemmata der Gesellschaft, des Überflusses und der Überlastung des Kapitalismus offenbart. Ich schätze, dies passiert nicht immer auf bewusste Art. Ich habe versucht, dies zu untersuchen, zu hinterfragen und ich tue es immer noch. Mit jeder Antwort auf meine Fragen tauchen viele neue Fragen auf.

Casual business (c) Andy Kassier

Klischeehafte Rollenbilder auf Instagram sind am erfolgreichsten. Meinst du, dies gilt auch nach wie vor für die Gesellschaft?
Klischees geben vielen Menschen eine Art Sicherheit und das Gefühl die “Anderen” zu kennen. Klischees sind Erwartungshaltungen und wenn diese nicht erfüllt werden, sind viele Menschen irritiert. Das bedeutet natürlich nicht, dass zu irritieren, etwas Schlechtes ist.

Was macht für dich klischeehafte Männlichkeit aus?
Angst.

Outdoor gym (c) Andy Kassier

Meinst du der „arme Mann“ unterscheidet sich in seiner Darstellung vom „reichen Mann“?
Auf der Oberfläche ist es so, dass ein Großteil der Männer auf Instagram sich reicher darzustellen versucht. Hierfür werden Attribute wie Reisen, Autos, Uhren, Waffen oder objektifizierte Frauen benutzt. Ich habe letztens etwas Schreckliches gelesen: In Kriminalfällen von Gangs in Boston, USA, versucht die Polizei mit Hilfe von Sozialen Medien, die Jugendlichen als Mitglieder dieser Gangs zu zeigen. Das heißt, dass man ein Foto genommen hat, auf dem der Jugendliche eine bestimmte Farbe trägt, eine Menge Geld hat oder in der Nähe einer Schusswaffe ist (egal, ob er die Waffe wirklich besitzt oder nicht). Das Foto gilt als legaler Beweis dafür, dass dieser Jemand tatsächlich Teil einer Gang ist. Für mich ist dies allerdings ein sehr großer Unterschied. Weiße, sozial-bequem positionierte Menschen können mit ihrem Image spielen ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Dort wird es dargestellt, als ob alles der Wahrheit entsprechen würde.

Den Instagram Account von Andy Kassier gibt es hier .

Mehr von Andy Kassier lest ihr außerdem in unserer Interview-Reihe “DOUBLE TAP”.

Weitere Artikel aus Berlin