"Titel überflüssig"
Martin Kippenberger im Kunstforum

14. September 2016 • Text von

Sprache wird zum elementaren Mittel bei Martin Kippenberger. Sie  begegnet uns durchgängig in seinem Werk und wirkt gleichzeitig verbindend. Erstmalig liegt der Schwerpunkt einer Ausstellung auf jenem wichtigen Aspekt, der Martin Kippenbergers künstlerisches Schaffen so maßgeblich kennzeichnet. 

Andrea Stappert, Martin Kippenberger im Atelier Lindenstraße, Köln 1985 © Andrea Stappert

Andrea Stappert, Martin Kippenberger im Atelier Lindenstraße, Köln 1985 © Andrea Stappert

Zu Lebzeiten kaum gewürdigt, gehört Martin Kippenberger heute zu den meist gehandelten Gegenwartskünstlern am Kunstmarkt. In einer außergewöhnlichen Direktheit und Schlagfertigkeit und immer an der Schnittstelle von Humor und Ernsthaftigkeit behandeln seine Werke insbesondere das Künstlerdasein und den Kunstbetrieb. Seine Kunst involviert alles und jeden, vor allem sich selbst als Künstlerpersönlichkeit thematisiert er in seinen Bildern. Das vielfältige Werk Kippenbergers wird durch einen Aspekt verbunden, welches es kontinuierlich durchzieht, die Sprache. Die Ausstellung im Kunstforum Wien legt den Fokus erstmals auf diesen Einzelaspekt innerhalb seiner Kunst.

Ausstellungsansicht Martin Kippenberger, 2016 (© leisure.at/Christian Jobst)

Ausstellungsansicht Martin Kippenberger, 2016 (© leisure.at/Christian Jobst).

Sprache kann bei Kippenberger vieles. Ob als Text im Bild, Bildtitel, Slogans oder Reime, in Plakaten, Büchern oder Liedern- er lässt die Sprache frei werden und outet sich damit als Nachfolger des Dadaismus. Seien es Wegweiser, die als regelrechter Urwald an Begriffen erscheinen, oder eine Plakatwand, die mit unterschiedlichen, vielversprechenden Ausstellungstiteln aufwartet, selbst aber als „Titel überflüssig“ bezeichnet wird. Die Werke lassen uns erkennen, wie Wörter oder Texte Einfluss auf Kunstwerke nehmen können und diese in Frage stellen oder gar verspotten.

Ausstellungsansicht Martin Kippenberger 2016 © leisure.at/Christian Jobst

Ausstellungsansicht Martin Kippenberger, 2016 © leisure.at/Christian Jobst.

Beeindruckend sind vor allem die „Weissen Bilder“ (1991) im großen Saal des Kunstforums, Kippenbergers Antwort auf die Konzeptkunst und Minimal Art. Der Raum wirkt zunächst leer. Weiße Leinwände wurden in die weiße Wand eingelassen und werden dadurch fast unsichtbar. Erst bei näherer Betrachtung erkennt man den Text, der auf den Bildern mit weiß-glänzender Farbe geschrieben ist. „A nice house on a farm – very good, a nice house at the sea – very good“ erscheint für uns ebenso unverständlich, wie die schwere Lesbarkeit des Textes. Man bewegt sich vor und zurück, rauf und runter vor der Leinwand, damit jedes Wort lesbar wird, nur um dann festzustellen, dass man den Sinn nicht verstehen kann.

Ausstellungsansicht Martin Kippenberger, 2016 © leisure.at/Christian Jobst

Ausstellungsansicht Martin Kippenberger, 2016 © leisure.at/Christian Jobst.

Immer wieder trickst Kippenberger den Betrachter aus. Auch im nächsten Raum, der, neben der Helligkeit der „Weissen Bilder“, fast ein wenig düster wirkt. „Jetzt geh ich in den Birkenwald, denn meine Pillen wirken bald“. Es erhebt sich ein Wald aus künstlichen Baumstämmen, mit am Boden liegenden Holzpillen, die einem den Weg zu den Gemälden, die an der Wand hängen erschweren beziehungsweise fast unmöglich machen. In diesem Raum geht es um die deutsche NS-Vergangenheit, die durch Sprache vertuscht wird, wie in „Ich kann hier beim besten Willen kein Hakenkreuz entdecken“ (1991). Natürlich versucht man nach diesem Titel ein Hakenkreuz im Bild zu finden. Kippenbergers kreativer Umgang mit Bildtiteln zieht sich markant durch die ganze Ausstellung. Bei ihm wirken sie nicht als Unterschrift oder Beschreibung zum Werk, sondern wie eine Aufforderung.

Martin Kippenberger, Zuerst die Füße, 1990, Sammlung Stolitzka, Graz. © Estate of Martin Kippenberger, Galerie Gisela Capitain, Cologne. Foto: Helga Krobath, Wien

Martin Kippenberger, Zuerst die Füße, 1990, Sammlung Stolitzka, Graz. © Estate of Martin Kippenberger, Galerie Gisela Capitain, Cologne. Foto: Helga Krobath, Wien.

Auch die christliche Ikonographie nimmt Kippenberger in den Blick. Einen Frosch mit heraushängender Zunge, einem Bierkrug in der Hand und einem Spiegelei inszeniert er als Christus am Kreuz in einer Art stellvertretenden Künstlerfigur. Dazu gesellen sich Gemälde der Serie „Fred the frog“ in denen Wortfetzen wie Gefühle, Sinn, Vordergrund, Hintergrund, Terpentin das Künstlerdasein auf klischeehafte Weise widerspiegeln.

Martin Kippenberger, 1/4 Jhdt. Kippenberger als einer von Euch, unter Euch, mit Euch, Berlin, 1978. © Estate of Martin Kippenberger, Galerie Gisela Capitain, Cologne. Foto: Simon Vogel, Köln

Martin Kippenberger, 1/4 Jhdt. Kippenberger als einer von Euch, unter Euch, mit Euch, Berlin 1978. © Estate of Martin Kippenberger, Galerie Gisela Capitain, Cologne. Foto: Simon Vogel, Köln.

Die Ausstellung besticht durch ihre vielfältige Zusammensetzung. Jeder Raum nimmt Bezug auf eines oder mehrere Vorbilder der (Kunst-) Geschichte, die innerhalb des Werks Martin Kippenbergers in kreativer Weise aufgearbeitet und durch Texte oder Wörter begleitet und bestimmt werden.

WANN: Die Ausstellung läuft noch bis 27. November
WO: Bank Austria Kunstforum Wien, Freyung 8, 1010 Wien.

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