Track and Field Theaster Gates' Black Chapel im Haus der Kunst
7. Juli 2020 • Text von Quirin Brunnmeier
Der Künstler und Aktivist Theaster Gates ist bekannt für sein Werk, das die afroamerikanische Geschichte aus einer neuen Perspektive betrachtet. Der in Chicago lebende Künstler, der auch Professor an der Universität von Chicago ist, verwebt in seiner Kunst verschiedene Medien und Strategien. Das Haus der Kunst zeigt mit „Black Chapel“ eine multimediale Installation, die sich auch auf die Geschichte des Hauses bezieht.
Manchmal treffen die unterschiedlichsten inhaltlichen Ebenen an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit zusammen und offenbaren auf fast schmerzhafte Weise die Komplexitäten unserer Geschichte und Gegenwart. Der afroamerikanische Sportler Jesse Owens gewann auf der Olympiade 1936 in Berlin unter den Augen Adolf Hitlers mehrere Goldmedaillen. Bei der Siegerehrung wurde die stolze amerikanische Flagge über der Flagge mit dem Hakenkreuz gehisst. Owens war ein amerikanischer Held, der jedoch zuhause in den USA von einem System der strikten Segregation unterdrückt wurde. Gefilmt wurde sein Weltrekordlauf 1936 vom Nazi-Intimus Leni Riefenstahl, die den Propagandafilm „Olympia“ drehte. Im Jahr 2020 zeigt der amerikanische Künstler Theaster Gates nun seine Arbeit „Track + Field or Run, Nigger, Run“, in der er Material des Leni Riefenstahl Films aufgreift, im Haus der Kunst. Das ursprünglich von den Nazis für die „deutsche Kunst“ gebaut wurde. Und in den USA schwelen sozialen Unruhen, weil das gesellschaftliche System offenbar immer noch von einem systematischen Rassismus gegen Afroamerikaner geprägt ist.
Der US-amerikanische Künstler Theaster Gates nutzt komplexe Raumkonstellationen, mit denen er die Beziehung zwischen der stereotypen Repräsentation marginalisierter Kultur und den darunter liegenden Machtstrukturen sichtbar macht. Dabei verbindet er Skulptur, Installation, Film, Performance, Improvisation, musikalische Komposition und Aktionen im urbanen Raum. Seine Installation „Black Chapel“ im Haus der Kunst ist eine gekonnt inszenierte Ansammlung angeeigneter Bilder und Objekte aus dem Kosmos der afroamerikanischen Popkultur. Assoziativ arrangiert verbindet Gates die Geschichte der afroamerikanischen Emanzipation mit konkreten Artefakten aus seiner Heimatstadt Chicago.
Zwei große Pavillons sowie Vitrinen beherbergen in der Mittelhalle im Haus der Kunst eine Fülle an Skulpturen, Bildern und Dokumenten. Auf großformatigen, rotierende Leuchttafeln werden Fotografien aus den Archiven der ikonischen „Johnson Publishing Company“ präsentiert. Zuerst wurde dieses Bildmaterial in den Magazinen „Ebony“ und „Jet“ veröffentlicht – zwei Publikationen, die maßgeblich zur Verbreitung Schwarzer Kultur in den Vereinigten Staaten beitrugen. Die Bilder zeigen Schwarze Protagonistinnen, die selbstbestimmt wirken und eine eigene Ästhetik prägen. Im Gegensatz zum exotisierenden Blick einer Leni Riefenstahl auf einen ihr fremden Körper existiert in diesen Bildern ein befreiter Blick, der eine eigenständige und hoffnungsvolle Schönheit zelebriert.
Theaster Gates‘ installativer Eingriff in die monumentale Architektur der Mittelhalle im Haus der Kunst öffnet einen mehrschichtigen Gedankenraum in dem Fragen zu Identität, Zuschreibung und Repräsentation gestellt werden. Visuell herausfordernd und inhaltlich mehrbödig verbindet Gates Themenkomplexe, die leider immer noch sehr aktuell sind.
WANN: Die Installation ist noch bis zum 16. August zu sehen.
WO: Haus der Kunst, Prinzregentenstraße 1 80538 München.