Sweat, baby
A Strong Desire bei PS120

14. August 2018 • Text von

Ich will, ich wünsche, ich träume, ich begehre. Die aktuelle Ausstellung
„A Strong Desire“ in dem alternativen Kunstraum PS120 bebildert erotisches Begehren, queere Sehnsüchte und alltägliche Tagträumereien.

A Strong Desire, Installation View, 2018. Photo: Steffen Korner.

In diesen Tagen begehren wir viele Sachen: Einen großen Eisbecher, eine kürzere Schlange vor dem Freibad, einen Ventilator neben dem Schreibtisch oder den letzten Arbeitstag. Im Unterschied zu diesen alltäglichen Sehnsüchten lässt sich ein starkes Begehren nicht mit einer kalten Dusche abwaschen. Unter dem Titel „A Strong Desire“ versammeln die Co-Kurator*innen Justin Polera und Aleksandr Blanar über vierzig künstlerische Positionen in den Räumen von PS120, die sich mit sexuellem Verlangen und queerem Begehren auseinandersetzen.

In unmittelbarer Nähe zur Kurfürstenstraße, umgeben von dem drückenden Geruch nach frischen Fritten, bei 30 Grad im Schatten, sind die Ausstellungsräume auch unabhängig von den gezeigten Werken atmosphärisch aufgeladen. Tropische Hitze, schlechte Luft, klebrige Körper und ein gewisses Maß an Triebhaftigkeit – all das unterstützt die sensuelle Qualität der Arbeiten und die intuitive Zusammensetzung der Schau.

Christa Joo Hyun D´Angelo, When I Think About I Touch Myself, 2018. Photo: Steffen Korner.

Christa Joo Hyun D’Angelo hat für ihr Werk „When I Think About You I Touch Myself“ ein gutes Dutzend Hände auf einem flachen Sockel aus Spiegelfließen angeordnet. Verschiedene Fingerstellungen und Handhaltungen imaginieren weibliche Selbstbefriedigung. Unmittelbar neben der Installation stehend, spiegelt sich der eigene Intimbereich im Sockel und die Spiegelung projiziert einzelne Hände auf den Körper der Betrachter*in. Die Interaktion zwischen dem Werk und der Besucher*in macht aus dem unbekannten „Ich“ im Titel ein konkretes „Ich!“.

Florian Hetz, Untitled, photography, 2018. Photo: Steffen Korner.

Mehrheitlich werden in der Ausstellung Drucke, Fotografien, Gemälde und Zeichnungen gezeigt. In dem dichten Nebeneinander gehen einige Positionen unter, beziehungsweise werden sie durch den direkten Vergleich nivelliert. Heraus sticht Florian Hertz mit insgesamt 16 Bildern, die quadratisch angeordnet sind. Hippe Männerkörper, überzogen von Schweiß, Extase und Lust. Die Fotografien zeigen Ausschnitte oder Augenblicke, in der Bewegung erstarrte Übergangsmomente, zwischen Rausch, Bett und körperlicher Ertüchtigung. Ebenso explizit sind die Szenen, die Kerstin Drechsel in ihren kleinformatigen Gemälden festhält. Doch in diesem Fall lösen sich die körperlichen Konturen in der Berührung auf – eindrucksvoll umgesetzt mit Öl auf Leinwand.

Miray Seramet, Nr.1-6, 2016. Photo: Steffen Korner.

Symptomatisch für die Ästhetik der Schau ist eine Gruppe – man kann es nicht anders sagen – süßer, kleiner Stoff-Dildos von Miray Seramet. Durch unterschiedliche Frisuren an ihrem oberen Ende werden aus den sechs unterschiedlich geformten Phalli verschiedene Typen: Der Sportliche, der Schüchterne, der Aufreißer, sowie einer, der aussieht, als sei er bei den Beatles gewesen. Humorvoll, teilweise etwas plakativ, bebildert dieses Werk wie viele andere in der Ausstellung auch, die innerlichen und äußerlichen Auswirkungen, die Begehren auf unsere Handlungen und Körper hat.

Während die zweidimensionalen Arbeiten in der Schau ihre Gegenständlichkeit durch Ausschnitte, Unschärfe oder Farbeffekte versuchen zu verundeutlichen, versammelt „A Strong Desire“ neben einer handvoll dadaistischen Positionen vor allem Skulpturen und Installationen, die sich auf formaler anstatt narrativer Ebene mit Begehren auseinandersetzen. So zum Beispiel die Topfpfanzen aus Keramik von Gerrit Frohne-Brinkmann oder die abstrakten Kompositionen von Andrew Holmquist. GeoVanna Gonzalez verbindet eine Pflanze aus Harz mit einer holographischen Acrylplatte und gibt ihrem Werk den selbstironischen Titel „You Smell Like a Designer“.

A Strong Desire, Installation View, 2018. Photo: Steffen Korner.

Trotz fehlender Klimaanlage ist ein Besuch bei PS120 in diesen Tagen Jedem zu empfehlen. „A Strong Desire“ gelingt es, eine Berliner Ästhetik einzufangen ohne der kommerziellen Reproduktion von Stereotypen zu erliegen. Dabei reihen sich junge Künstler*innen neben etablierten Position wie Eva& Adele, Elmgreen und Dragset, sowie Monika Bonvicini und Tom of Finland ein. Nass geschwitzt und mit einem Schmunzeln die Schau verlassend, erscheint sogar der Pommesgeruch und der Straßenlärm sinnlicher als zuvor.

WANN: Die Ausstellung ist noch bis zum 26. August, immer Donnerstag bis Sonntag von 12 bis 18 Uhr geöffnet.
WO: PS120, Potsdamer Straße 120, 10785 Berlin. Sowie online.

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