Gemeinsam weiter SUMO "Co-Exist": junge Kunst in Prag
19. September 2022 • Text von Anna Meinecke
Nach zwei seltsamen Jahren muss es weitergehen. So firmiert das Kunstfestival SUMO in Prag im dritten Jahr unter dem Titel “Co-Exist”. Galerien und Off-Spaces setzen auf junge Positionen – und die Zusammenarbeit mit Partner*innen aus dem Ausland.
Wie theatralisch darf es sein? Adam Christensen: Ja. Die Galerie Hunt Kastner nimmt er sich als Bühne. Eine Treppe im Raum, ein hölzerner Fensterrahmen mit zartgemaserten Glasscheiben: unbespielt denkbar minimalistisch, die Opulenz wird erst einziehen in Gestalt des Künstlers in blassgrüner Robe, semitransparent, funkelnd – mit passender Maske, Modell Wrestling, aber Couture. Am Tag der Eröffnung singt Christensen, trägt vor, setzt hin und wieder ein Bier an die Lippen. Post Performance verbleibt die Ausstellung als Kulisse aus einst aktivierten Objekten: „The Wind Swallowed My Words“.
Hunt Kastner ist auch in diesem Jahr wieder Teil des Kunstfestivals SUMO in Prag. Zum dritten Mal haben sich kommerzielle Galerien und Off-Spaces der Stadt zusammengeschlossen und Gäst*innen aus dem Ausland eingeladen, Ausstellung in ihren Räumen zu zeigen. Berlínskej Model, Polansky und City Surfer sind von Anfang an dabei. Doch es gibt auch Neuzugänge wie Svetova 1, Kvalitar und die Galerie 35m2.
Bei Berlínskej Model sind Arbeiten von Rebekka Benzenberg, Monika Grabuschnigg, Constantin Hartenstein, Eliška Konečná und Mary-Audrey Ramirez zu sehen. Die Ausstellung „Scary Good“ haben Anton Janizewski und Anna Meinecke kuratiert – ich also, und deswegen gibt es an dieser Stelle selbstverständlich keine lobende Abhandlung. Schaut euch gern hier die Ausstellungsansichten an.
Ein echter Zugewinn für SUMO ist Světova 1 im bislang weitgehend unbeachteten Stadtteil Liben im Nordosten von Prag. Die Gruppenausstellung „Ennui“, eine Kollaboration mit Queer Space Network, ist eine Auseinandersetzung mit dem Leben zwischen Überdruss und Entfremdung. Denisa Stefanigova inszeniert glamouröse Szenerien frivoler Erotik, Olga Krykun bezaubert mit fröhlich zarten Kreaturen von trügerischer Unschuld, Felix Frantisek präsentiert eine hölzerne Banane neben einer fingerlosen Handfläche – da geht heute also eher nichts mehr.
Anders als bei Natalie Perkof, die den Masturbationsgriff am Kaktus abbildet – phallische Brücke gebaut, zurück im Bezirk Zizkov. Perkofs Ausstellung „Cabinet of Miniatures and Delights“ ist neben der von Christensen die zweite bei Hunt Kastner. Kohlefaser-Leinwände und botanische Skulpturen bieten Einblick in eine spielerische Reflektion von Sexualität.
In der Galerie 35m2 schmiegen sich kleinformatige Skulpturen in den Raum. Einander zärtlich zugeneigt verknotet finden sich Uhrzeiger von Ziva Drvaric an der Wand, in einer Box auf dem Boden eine Videoarbeit von Elisabeth Molin, gegenüber in der Ecke eine Lautsprecher-Installation von Alex Thake. Die Arbeiten sind Teil der Gruppenausstellung „Compact. Time. Constraint.“ von Sharp Projects aus Kopenhagen.
Um die Ecke, im City Surfer Office, hat Kaspars Grosevs von 427 seine “Soap Opera” inszeniert. Mit den Arbeiten der lettischen KünstlerInnen Jānis Dzirnieks, Evita Vasiļjeva und Daria Melnikova mischen sich Internet-Pop, performative Geste, das Organische und das Industrielle. Verschwommene Fußzehen, schaukelnde Kaffeetassen, konservierte Fliegen. Noch ein bisschen weiter bespielen Studierende der Akademie der bildenden Künste Wien die Pop-up Galerie AVU mit der Gruppenausstellung „Remember Teach Nature“.
Mit Kvalitář ist in diesem Jahr erstmals eine Galerie im Zentrum Prags bei SUMO mit dabei. Die Ausstellung „Monochrome“ von Atsuo Hukuda und Shuhei Fukuda vereint zwei fürs Festival eher untypische minimalistische Positionen. Vater und Sohn schaffen jeweils mithilfe traditioneller japanischer Techniken zeitlose Werke ungeachtet aktueller Trends. Im Kontrast dazu unmittelbar zeitgeistig ist die Ausstellung von Siggi Sekira bei Polansky. Auf Holzstümpfen platziert und in blaues Licht getaucht machen ihre Keramiken eine Art magischen Wald auf.
Sumo hat zweimal unter dem Titel „The Odd Year“ firmiert. In diesem Jahr läuft die Zeit weiter. 2022 ist mehr als nur ein seltsames Jahr. Die Pandemie ist nicht plötzlich zu Ende. Die Klimakrise sowieso nicht. Es ist Krieg. Dinge werden nicht einfach wieder gut. Weiter geht es trotzdem. Das Festival ist ein gemeinsames Ausloten, wie.
WANN: SUMO “Co-Exist” läuft bis zum 14. Oktober. Die Ausstellungen sind Teil der ersten Prague Art Week von Freitag, den 9. September, bis Donnerstag, den 15. September.
WO: An verschiedenen Orten in Prag. Eine Übersicht mit allen Ausstellungen findet ihr hier.
gallerytalk.net ist Medienpartner von SUMO.