Highlights des Städelschule Rundgangs 2025 Diese Studierenden solltet ihr euch merken
8. Februar 2025 • Text von Gast
Rundgänge sind eine Herausforderung – für das Publikum ebenso wie für die Kritik. Mit rund 130 Teilnehmenden sind beim diesjährigen Rundgang der Städelschule nahezu alle Studierenden der Frankfurter Kunsthochschule vertreten. Neben visueller Überflutung und dem Gefühl, niemals alles erfassen zu können, hat das universitäre Großformat natürlich auch Vorteile: Es macht greifbar, womit sich die jüngste Generation von Künstler*innen auseinandersetzt und in welche Richtungen sich die Praxis entwickelt. (Text: Naomi Rado)

Olga Abeleva, Klasse Monika Baer (Dürerstraße)
Olga Abelevas malerische Arbeiten wirken gleichermaßen inspiriert von byzantinisch-orthodoxer wie impressionistischer Kunst. Die Künstlerin nutzt den Rahmen als Erweiterung der Bildsprache und verleiht der Malerei durch teilweise bewegliche Elemente eine zusätzliche Funktion. In Abelevas Rahmen, aber auch in ihren Skulpturen, erscheint die ästhetische Qualität des gebürsteten Stahls fast wie eine malerische Illusion. Die Art der Inszenierung ihrer Arbeiten im Atelier erinnert gar an die Requisiten eines Bühnenbilds. Mit dem Hinzufügen von Kaugummi verleiht Abeleva den geschweißten Metallobjekten eine spielerische Komponente, die gleichzeitig an alltägliche Begegnungen anknüpft. Das versehentliche Berühren von Kaugummi unter einem Stuhl ist eine Erfahrung, die leicht nachzuempfinden ist. Sie fügt den Arbeiten eine haptische Erinnerung hinzu.
Für Abeleva ist Kaugummi auch ein Symbol für Sexarbeit. Eine minimalistische Skulptur in ihrem Atelier stellt einen Geldautomaten dar, auf dem kniehohe, schwarze Lederstiefel abgelegt sind – Kaugummi klebt an einer der Schuhsohlen. Während die Parameter des Werttausches in der Sexarbeit sehr klar definiert sind, verschwimmen sie in den Ökonomien der Kunstwelt fließend. Vom Verführerischen über das Trashige, bis hin zum Ekelhaften: Die Textur von Kaugummi verändert sich genauso schnell wie das Spiel zwischen Humor und Ernsthaftigkeit in Abelevas Arbeiten.

Augustine Paredes, Klasse Haegue Yang (Dürerstraße)
Augustine Paredes zeigt im Atrium des Haupteingangs eine großformatige Textilarbeit, die sich mit den kolonialen Geschichte der Philippinen beschäftigt. Der Titel von Paredes Werk, “A Body is A Gun”, verweist auf eine historische Waffe. Als modifiziertes “1902 Philippine Model” wurde der ursprünglich 1878 eingeführte Revolver im philippinisch-amerikanischen Krieg zur Niederschlagung des Widerstands genutzt und während der amerikanischen Besatzung gegen die philippinische Zivilbevölkerung eingesetzt. Die textilen Skulpturen, die Paredes auf dem ehemaligen Infobrett der Hochschule befestigt hat, wirken fragmentiert und doch organisch. Sie repräsentieren die durch die Gewalt des Krieges entstellten Körper. Ihre matten Anthrazittöne erinnern an die Farbgebung des Revolvers.
Dass die Arbeit im Außenbereich platziert ist, erweitert ihre Deutungsebene. Im offenen Raum ist das Werk verletzlich, leicht angreifbar und dem Risiko von Vandalismus oder Diebstahl ausgesetzt. Der gewaltloseste Akt, der ihm hier widerfahren kann, ist die Verwitterung – ein langsamer Verfall, der das Werk verändert. Es vollzieht prozessual den Umgang mit dem historischen Ereignis, das ihm zugrunde liegt. So wird die Arbeit zu einem Symbol des Gedenkens, das zugleich die Vergänglichkeit und das Vergessen ästhetisch thematisiert. In diesem Aspekt verbinden sich die Textilien auch mit der dahinter liegenden Infotafel, auf der teils mit Farbe übermalte Tacker-Nadeln nur noch bruchstückhaft an die einst befestigten Nachrichten und Ereignisse erinnern.

Jamie Shi, Klasse Judith Hopf (Dürerstraße)
Jamie Shi präsentiert auf dem Rundgang sowohl Malereien als auch Installationen. Their Arbeiten zeichnen sich durch ein breites Spektrum an Materialien und Themen aus. Besonders auffällig ist Shis Experimentierfreude mit verschiedenen Techniken. Their zweidimensionalen Arbeiten stechen dabei besonders hervor: In “Mizu” verwendet Shi Wolle, die zwischen einer Aluminiumplatte und einer Plexiglasscheibe befestigt ist. Durch das malerische Bearbeiten der Wolle sowie der Glasscheibe mit Kohle und Vaseline verschwimmen die Grenzen zwischen Vorder- und Hintergrund. Es bleibt unklar, welche Ebene der eigentliche Malgrund ist. Das Sandwich-artige Werk zerlegt das Medium Malerei in einzelne Bestandteile, wodurch sich eine raffinierte, fast skulpturale Struktur ergibt.
Aluminium bildet auch die Grundlage der Arbeit “Städelstr.”. Shi arbeitet mit Ölfarbe direkt auf die Metalloberfläche, was die Textur des Materials und die Beschaffenheit der Farbe auf dem Metall betont. Das Motiv zeigt eine Hand mit langgezogenen Fingern, die zart die kleinste Blüte eines Straußes Sonnenblumen berührt. Ob der Titel, der auf die unmittelbare Nähe zur Hochschule und der namensgebenden Kunstinstitution verweist, auch als Anspielung auf die Geschichtsträchtigkeit der Kunst zu verstehen ist, bleibt unklar. Stilistisch könnte man Shis Werk dennoch als zeitgemäße Hommage an Van Gogh oder Egon Schiele lesen.

Jana Köhle & Dominik Münch, Cohabitation & Klasse Tobias Rehberger (Daimlerstraße)
Schächte finden sich in nahezu jeder Stadt, doch dieser eröffnet eine ganze Erzählwelt. Jana Köhle und Dominik Münch schaffen ein immersives Erlebnis, das das Publikum in ein kafkaeskes Spiel verwickelt und Wahrnehmung sowie Körpergefühl auf die Probe stellt. Namensgebend für die mehrteilige Arbeit des Duos ist der Schacht selbst: eine Skulptur, eine Videoinstallation und ein begehbarer Raum – der Schacht re-inszeniert im Atelier vereint Witz und Tragik.
Eine Konsole, “Terminal I”, in die ein Bildschirm eingelassen ist, erinnert an eine Sprechanlage. Der Film zeigt einen grellgelben Käfer, der in den Schacht stürzt und darin, gefangen wie in einer Gefängniszelle, unablässig auf und ab krabbelt. Wer den realen Schacht betritt, wird so unweigerlich selbst zum Käfer. Konfrontiert mit der Enge des Raumes verstärkt ein Tinnitus-artiger Sound die klaustrophobische Atmosphäre. Im Zusammenspiel der einzelnen Stationen erzeugt die Werkserie eine körperliche Erfahrung von Isolation und Vereinzelung. Das Duo verbindet diese Erfahrung mit einer Ästhetik, die dem alltäglichen Stadtraum entlehnt ist: Die Arbeiten, gefertigt aus bemaltem Karton, sind ihren realen Vorbildern mitunter zum Verwechseln ähnlich.

Antonia Mang, Klasse Tobias Rehberger (Dürerstraße)
Ein Deutschland-Wimpel in der Städelschule? Irritierend … Diese kalkulierte Erstreaktion ist die Initialzündung für die Auseinandersetzung mit Antonia Mangs Arbeit “Ettersberg (Part of the Party)”. Die Künstlerin schafft es, über die Provokation hinaus durch den begleitenden Text auf die Ernsthaftigkeit ihrer Arbeit aufmerksam zu machen: Der Ettersberg in Thüringen, schon von Goethe bereist und gerne als Ort der deutschen Hochnatur romantisiert, ist historisch vor allem als Standort des Konzentrationslagers Buchenwald bekannt. Der Name des KZ Ettersberg wurde zum generischen “Buchenwald” geändert, um das Lager von der verklärten Vorstellung der dortigen, vermeintlich unberührten Naturidylle zu distanzieren.
Mang nutzt Buchenholzkohle, um mit ihrer tiefschwarzen Färbung den obersten Streifen der industriell gefertigten schwarz-rot-goldenen Wimpelkette zu ersetzen. Ihr Anliegen ist es, mit dieser Arbeit auf das Wiedererstarken des deutschen Rechtsextremismus hinzuweisen, getarnt als Wutbürgertum der AfD. So kommt auch der Wimpel als Party-Accessoire erst einmal harmlos daher – à la “Ach zur WM, da darf man auch mal Nationalstolz zeigen”. Angesichts des bevorstehenden Wahlkampfs und des zunehmenden Antisemitismus liefert Mang hier einen wichtigen, aktuellen Beitrag.
WANN: Der Rundgang ist bis Sonntag, den 9. Februar, geöffnet.
WO: Städelschule, Dürerstraße 10, 60596 Frankfurt am Main & Daimlerstraße 32, 60314 Frankfurt am Main. Filmvorführungen im Deutschen Filminstitut & Filmmuseum begleiten und erweitern das Programm.