SOLID GOLD #11
Katharina Arndt

29. Juli 2021 • Text von

Der Sommer ist da! Was liegt da näher, als euch an eins der beliebtesten Urlaubziele zu entführen? Wir besuchen die Künstlerin Katharina Arndt in Barcelona. Sie spricht mit uns über die katalanische Kunstszene, berichtet von den Kontrasten der Stadt, die sich in ihren aktuellen Werken widerspiegeln und verrät uns, welche Rolle Faye Dunaway in ihrem Werk einnimmt.

Studiovist. Barbara Green bei Katharina Arndt. Foto: Alexandra Pieper

In ihrem lichtdurchfluteten Studio begrüßt uns Katharina Arndt barfuß und erzählt von der Leichtigkeit der spanischen Metropole und den Gegensätzen zu ihrem Leben in Berlin. Wir erfahren mehr über ihre alltäglichen Beobachtungen, die sich insbesondere auf schöne, oberflächliche Eindrücke konzentrieren und welche sie auf der Leinwand festhält – alles mit dem Bewusstsein in einem konstruiertem Urlaubsparadies mit importiertem Sandstrand und Palmen zu leben. Dieses Nebeneinander von Künstlichkeit und Spaßgesellschaft sind Themen Ihrer aktuellen Arbeiten. Die Doppeldeutigkeit der Bilder kommt etwas später ins Bewusstsein – doch gerade diese Ambiguität ist der Aufhänger in den Werken der Künstlerin.

Momentan bereitet sie sich auf Ihre Soloshow zum Gallery Weekend Barcelona im September vor und gewährt uns erste Einblicke in das Konzept der Ausstellung in der Galerie Uxval Gochez. Wer bis dahin nicht warten will, sollte das Kunstfestival sommer.frische.kunst in Bad Gagstein besuchen und sich in der Nähe eines tosenden Wasserfalls Werke der Malerin und zahlreicher weiterer Künstler*innen zu Gemüte führen. Das Katharina Arndt auch ganz direkt sein kann – ohne den schönen Schein abzubilden – zeigen Werke aus dem letzten Jahr, die wir euch auf Grund der Eindringlichkeit und Stärke nicht vorenthalten wollen, aber seht selbst.

Barbara Green besucht die Künstlerin Katharina Arndt in ihrem Atelier
Studiovist. Barbara Green bei Katharina Arndt. Foto: Alexandra Pieper

In der Berliner Kunstszene bist Du etabliert, man trifft häufig auf Dich oder Deine Werke. Seit vier Jahren lebst Du auch in Barcelona. Wie schwierig war es, sich in einer neuen Stadt noch mal alles neu aufzubauen?
Ehrlich gesagt, es ist fast einfacher als in Berlin, weil die Kunstszene in Barcelona kleiner, überschaubarer und nicht so überbeansprucht ist mit Events, Terminen und Personen. Natürlich braucht es auch hier Zeit. Ich hatte nach zwei Jahren eine Galerievertretung bei Uxval Gochez, dieses Jahr ein fantastisches Review mit Doppelseite in der großen Tageszeitung La Vanguardia und im September meine erste Einzelausstellung zum Barcelona Gallery Weekend. Somit wachsen das Netzwerk und die Sichtbarkeit in Spanien.

Gerade läuft in der Galerie Uxval Gochez die Gruppenausstellung „needful things“, die Du gemeinsam mit Deinem Künstlerkollegen Paul Pretzer kuratiert hast. Kannst Du uns etwas über das Ausstellungskonzept erzählen?
In der Ausstellung zeigen wir Malerei zum Thema Stillleben von vierzehn Künstler*innen. Paul Pretzer malt überwiegend Stillleben und hatte die Idee, nur Arbeiten mit leblosen Gegenständen in einer Ausstellung zusammenzubringen. Sofort sind mir hierzu mehrere Positionen eingefallen wie Maxim Brandt oder Gabrielle Grässle. Stillleben zeigen die profanen Dinge, welche uns jeden Tag umgeben und sind somit ein wunderbarer Spiegel unserer Zeit. Gleichzeitig wollten wir die deutsche und spanische Kunstszene verbinden und zeigen deshalb halb/halb lokale junge Künstler*innen sowie Positionen aus Berlin.

Mehrere an die Wand gelehnte Malereien im Atelier von Katharina Arndt.
Studioansicht Katharina Arndt. Foto: Alexandra Pieper

In Barcelona herrscht eine ganz besondere Leichtigkeit, die auch Deine Arbeiten transportieren. Wie beeinflusst das Leben der Stadt Deine Motivwahl?
Ich glaube, in Berlin bin ich fast ein bisschen betriebsblind. Barcelona ist doch immer noch ein wenig das Fremde. Mit diesem Abstand kann ich gut schauen. Das ist so inspirierend. Die Leichtigkeit visualisiere ich gerade durch Motive von Strand, Palmen, Joggern, Dösen und digitaler Kommunikation, heißt Personen, die aufs Smartphone starren. Gleichzeitig ist alles total konstruiert: Der Sand ist aufgeschüttet, die Palmen sind gepflanzt und der Partymüll wird jeden morgen akribisch weggeräumt und der Strand geharkt. Diese Themen: “Künstlichkeit” kombiniert mit “Spaßgesellschaft” versuche ich in meinen Bildern festzuhalten.

Welche Rolle spielt Social Media in Deiner Kunst?
So konstruiert wie die Strandszenerie sind auch die Sozialen Medien. Schöne, oberflächliche Bilder und gut aussehende Frauen klicken einfach am besten. Das Thema der Oberfläche, der Oberflächlichkeit und Täuschung im digitalen Zeitalter ist eines meiner Hauptthemen. Deshalb sind die Sozialen Medien Inspiration und gleichzeitig Selbstdarstellungsmittel, wo auch ich mich so zeigen kann, wie ich will, aber nicht zwingend bin.

Drei comichafte Malereien der Künstlerin Katharina Arndt in Gelbtönen.
Ausstellungsansicht „private beach“, sommer.frische.kunst in Bad Gastein, 2021. Copyright: Katharina Arndt

Wie eng sind Inhalt und Aussage Deiner Arbeiten mit dem Material, dass Du verwendest, verbunden?
Die Beine sind enthaart, die Sonnenbrillen verspiegelt, die Ecken rund. Das Thema Künstlichkeit und Oberflächlichkeit übertrage ich in die glänzenden Oberflächen meiner Bilder und Lichtobjekte. Ich male hauptsächlich auf Lackstoff, der glatt und widerstandslos ist, mit Markern und Acrylfarbe. Die Objekte sind aus Plexiglas, Glas, Strass und LEDs. Für mich sind das alles Materialen des 21. Jahrhunderts.

Weniger beschwingt lesen sich die Bilder aus Deiner Serie „Faye Dunaway on Monday“. Hier beleuchtest Du das Bild der Frau im Film bzw. der Pop-Kultur. Was war Dir wichtig darzustellen und was hat Dich an der Schauspielerin Faye Dunaway fasziniert?
Faye Dunaway ist für mich ein wohlklingendes Synonym für die Diva an sich, die stolze Frau, selbstbewusst, stark, erfolgreich. In dieser Serie benutze ich Bilder aus der profanen Film und Pop-Kultur, um die Konstruktion von Geschlechterrollen zu untersuchen. Ich habe nach Motiven gesucht, die Frauen mit männlich konnotierten Attributen zeigen, wie z.B. Rauchen, Trinken, Aggressivität, Wut, Waffen. Generell sind die klassischen Darstellungen der Frau und ihrer Rollen in den Medien verbunden mit Mutterschaft, Häuslichkeit und Sanftmut, gerne innerhalb des Hauses. Diese Sehgewohnheit aufzubrechen, auch in der Dichtheit der Serie, fand ich sehr spannend.

Zwei Zeichnungen von Katharina Arndt mit einer rauchenden und einer trinkenden Frau
Abbildung links: Katharina Arndt, Faye Dunaway on Mondays #2, 2016, marker auf Lackkarton. Abbildung rechts: Katharina Arndt, Faye Dunaway on Mondays #8, 2016, marker auf Lackkarton. Copyright: Katharina Arndt

Du „vermarktest“ Dich seit Jahren erfolgreich selbst. Selbstvermarktung ist ein Faktor der an vielen Kunsthochschulen noch stiefmütterlich behandelt wird. Obwohl er ganz wesentlich zur Existenzsicherung beiträgt, wird er oft verpönt. Gleichzeitig kann man schon lange nicht mehr automatisch davon ausgehen, dass eine Galerie dies vollumfänglich für Künstler*innen übernimmt. Wie bist Du dahin gekommen?
Obwohl ich von Galerien vertreten werde, ist Selbstvermarktung ein wichtiger Teil meiner Selbstständigkeit. Und ich bin voll schlecht im Warten. Für mich ist es eine Selbstermächtigung, die wunderbaren Tools des digitalen Zeitalters einfach zu nutzen. Ohne Internet und Social Media wäre eine Selbstdarstellung als Künstlerin und die damit verbundene Reichweite allerdings undenkbar. Gleichzeitig schätze ich sehr den Kontakt zu den Kunstkäufern. Es ist so toll zu sehen, wer wie mit meinen Arbeiten lebt und einen direkten Austausch darüber zu haben.

Im September findet in Barcelona – zeitgleich mit dem Berliner Kunstwochenende – das Gallery Weekend statt. Du bist mit der Soloshow „Forever Young“ vertreten. Was verheißt dieser Titel?
Der Wunsch nach ewiger Jugend klingt vertraut, nach Popmusik, süßlich. Aber objektiv betrachtet ist der Wunsch, nie alt zu werden, zu 100% zum Scheitern verurteilt. Die damit verknüpften Erwartungen können nur enttäuscht werden, denn niemand – wirklich niemand – ist forever young. Es wird das Psychogramm einer positivistischen Konsumentengesellschaft nachgezeichnet, welche versucht, der eigenen Vergänglichkeit zu entfliehen.

Zwei comichafte Malereien der Künstlerin Katharina Arndt, eines zeigt Palmen, das andere eine blonde Sportlerin.
Abbildung links: Katharina Arndt, I love palmtrees, 2021, acrylic paint auf Lackstoff. Copyright: Katharina Arndt; Abbildung rechts: Katharina Arndt, blonde Jogger, 2021, acrylic paint und marker auf Lackstoff

Was erwartet die Besucher*innen, wenn Sie Deine Ausstellung betreten?
Der erste Eindruck wird leicht und fröhlich wirken. Die Besucher betreten einen rosa Raum mit einer stylischen Joggerin und einem großen Stranddiptychon. Aber der Strand hat eine gute Party hinter sich und ist voller Kippen und leerer Bierdosen, welche auch aus dem Bild herausfallen und sich als Wandmalerei fortsetzen. Die Joggerin ist dann doch mit ihrem Smartphone und ihren Haaren beschäftigt. Und über Allem strahlt als Leuchtschrift “YOUNG”, vandalistisch ist “forever” mit Spraypaint darüber geschrieben. Über den zweiten Raum verrate ich noch nichts, so bleibt es spannend.

WANN & WO: Die Ausstellung “Forever Young” läuft vom 16. September bis 30. Oktober in der Galerie Uxval Koches, Trafalgar 36, 08010 Barcelona. Zudem könnt ihr Katharina Arndts Arbeiten vom 24. Juli bis 20. September beim Kunstfestival sommer.frische.kunst in Bad Gastein im Haus Mimi, Kaiser-Wilhelm-Promenade 8, 5640 Bad Gastein, sehen.

Mit SOLID GOLD öffnen wir für euch eine Schatzkammer: Kunsthistorikerin und Kuratorin Barbara Green wirft einen Blick hinter die Kulissen des Kunstbetriebs und besucht außergewöhnliche Künstler, Kuratoren und Galeristen in ihren Produktionsstätten. Ob aufregende junge Talente oder etablierte Ausstellungsmacher – das neue Interviewformat stellt Euch spannende Persönlichkeiten des Kunstbetriebs vor.

Mehr SOLID GOLD:
#1 Alex Duve
#2 Caroline Kryzecki
#3 Zuzanna Czebatul
#4 Manfred Peckl
#5 Meike Kenn
#6 Dr. Ingrid Pfeiffer
#7 Anne Duk Hee Jordan
#8 Kanya & Kage
#9 Eglė Otto
#10 Jay Gard

Weitere Artikel aus Berlin