SOLID GOLD #8
Kanya & Kage

20. November 2020 • Text von

Ihr sehnt Euch nach Zeiten, in denen die Stimmung gut war und die Clubs geöffnet hatten? Wer sich im momentanen Lockdown Kunst zu Gemüte führen und den wilden Party-Nächten nachspüren möchte, dem empfehlen wir den Kunstraum Kanya & Kage in Kreuzberg.

Jan Kage und André Kanya
Jan Kage und André Kanya. 2020 Foto: Adam Naparty

Dort zeigen Jan Kage und André Kanya momentan eine Hommage an die Clubkultur mit Werken von Pola & Orson Sieverding. Mit der Kuratorin Barbara Green sprechen die Macher des Kanya & Kage Art Space über die Situation der Kulturszene während der Pandemie, gewähren einen Rückblick zum zweijährigen Jubiläum und zeigen, dass Kunst nicht in einem elitärem Kreis von Eingeweihten präsentiert werden muss, sondern von allen gefeiert werden kann.

gallerytalk.net: Herzlichen Glückwunsch – zwei Jahre Kanya & Kage Art Space! Wie fühlt ihr Euch, wenn ihr zurückblickt?
André: André: Wir hatten 21 Ausstellungen mit umfangreichem Rahmenprogramm. Zum Jubiläum haben wir ein Magazin rausgebracht, bei dessen Zusammenstellung uns noch einmal klar wurde, was wir für großartige Projekte realisiert und mit was für fantastischen Künstler*innen wir gearbeitet haben. 

Ausstellungsansicht Kanya & Kage
2 Jahre Kanya&Kage. Gruppenausstellung mit 15 Künstlern aus 2 Jahren Kanya&Kage, 2020 Foto: Adam Naparty

Wie habt ihr zueinander gefunden?
Jan: Wir haben uns vor drei Jahren entschlossen dieses Projekt gemeinsam anzugehen und das Profil zu schärfen. André hatte zu dieser Zeit seine Galerie schon vier Jahre betrieben, mein Projektraum SCHAU FENSTER lief damals bereits acht Jahre. Ich habe dort mit „meinen Künstlern“ viele Gruppenausstellungen gemacht und war auf vielen Kunstmessen und es kamen immer wieder Leute nach Berlin, die ich mit einem anderen Raum abholen wollte – mit einer Art Salon, wo man Soloausstellungen präsentieren und Lesungen und Konzerte veranstalten kann. In dem Moment, wo ich darüber nachgedacht habe, hat sich André bei mir gemeldet und gesagt, dass er mir etwas zeigen will und das war dieser Keller, den er zum White Cube ausbauen wollte. Da traf der Zufall den vorbereiteten Geist.

Was für ein Ort ist hier in Kreuzberg aus diesen ersten Ideen entstanden?
Jan: Wir haben unsere Vorstellungen eins zu eins umgesetzt: ein scharfes Programm mit tollen Soloausstellungen und einen Ort der Begegnung. Kunst bringt die Menschen zusammen – mehr noch an unserer wunderbaren Bar. Unterschiedliche Klassen, Einkommensgruppen, Altersgruppen und Geschlechter treffen bei uns aufeinander. 

Interview mit Jan Kage und André Kanya mit Barbara Green
Barbara Green, Jan Kage und André Kanya. 2020 Foto: Adam Naparty

Ihr nennt Euch Art Space, was ist der Unterschied zwischen Euch und einer Galerie?
Jan: Wir sind loyal, aber nicht exklusiv. Die Künstler und Künstlerinnen haben nach wie vor die Freiheit, ihre anderen Projekte so umzusetzen, wie sie das wollen. Da sitzen wir nicht wie eine Glucke drauf. So interessant es ist, Kunst als Verkäufer an Sammler*innen zu vermitteln, umso schwieriger ist das Verhältnis von Kunst und Markt. Die Galeristen leiden zum Teil darunter, dass sie im Messezirkus sehr hochdrehen, sehr hohe Zahlen umsetzen müssen, um auf ihren Schnitt zukommen. Wir müssen natürlich auch wirtschaftlich arbeiten und verkaufen gerne, mit stetig wachsendem Erfolg.

Was macht die Zusammenarbeit mit Euch für Künstler*innen so besonders?
André: Wir sind sehr frei, in der Art wie wir arbeiten. Wir haben nicht wie bei Galerien eine feste Zusammenarbeit, die zwingend über mehrere Jahre gehen muss und eine Karriereentwicklung darstellt. Wir machen die Projekte und werden einige der bisher gezeigten Künstler*innen sicher noch einmal ausstellen. Mit den meisten Künstler*innen sind wird freundschaftlich verbunden, sie kommen auch zu den anderen Vernissagen. Es ist eine Clique, die sich entwickelt hat.

Kunstwerk Dreamer’s Disease von  Lukasz Furs
Lukasz Furs – Dreamer’s Disease 2020. Foto: Lukasz Furs

Warum ist Kanya & Kage gerade für Sammler interessant?
André: Wir beide machen das aus Leidenschaft, weil wir die Künstler*innen, die wir ausstellen, fantastisch finden. Für mich ist die größte Freude, Bekannte, Freunde, Geschäftspartner, die der Kultur nah sind oder die auch ganz weit weg sind von der Kunstszene, einzuladen. Es ist mir wichtig, dass ich ruhigen Gewissens sagen kann, dass dieses Kunstwerk ein gutes Investment ist. Es wird nie eine Arbeit von schlechter Qualität sein oder eine, für die es keinen Markt gibt. Wir haben die Freiheit, nur mit Positionen zusammenzuarbeiten an die wir glauben und sind nicht von Markterfordernissen abhängig.
Jan: Wir können mit voller Brust sagen, dass es tolle Kunst ist und wir hundertprozentig dahinterstehen. Wenn Besucher mit authentischem Interesse zu uns kommen, da lebe ich auf, wenn ich das vermitteln kann. Das nährt die Leidenschaft, von der André gesprochen hat.

André Kanya und Jan Kage
André Kanya und Jan Kage. 2020 Foto: Adam Naparty

Momentan zeigt ihr die erste gemeinsame Ausstellung der Geschwister Pola und Orson Sieverding – passend zur dunklen Jahreszeit und/oder der derzeitigen Situation, dreht es sich um welches Thema?
Jan: Die Ausstellung heißt NOCTURNAL und es dreht sich um die Nacht. Die Nacht ist eins der Phänomene, die wie keine andere die Kultur prägen – seit unseren Höhlentagen wo wir am Lagerfeuer saßen und uns Geschichte erzählten. Ein Ort der Transzendenz, des Geistlichen, des Anderweltigen, der Kultur. Die Nacht ist der Raum der Experimente. Es interessiert, was Du bist oder als was Du Dich darstellen willst – dieses Experimentierfeld ist uns durch Corona genommen.

NOCTURNAL von Pola und Orson Sieverding
NOCTURNAL – Pola Sieverding & Orson Sieverding 2020. Foto: xx

Der Ausstellungsraum ist ziemlich außergewöhnlich konzipiert. Welche Assoziation weckt die Show bei den Besuchern?
Jan: Durch die Lichtinstallation ihrer Fotoausstellung haben die beiden den White Cube von Kanya & Kage in eine Anmutung des Clubs transformiert. Orson Sieverding ist nicht nur Medienkünstler, sondern auch Musiker, der regelmäßig die Version Clubnight organsiert. Dieses Event hat Pola Sieverding über zehn Jahre mit der Kamera begleitet. Die Fotos bewegen sich zwischen Dokumentation und Portrait der Protagonist*innen, die sie abbildet.

Smells like Apophenia von Amélie Esterházy
Amélie Esterházy (ehem. Grözinger) – Smells like Apophenia. 2020 Foto: Adam Naparty

Wie steht ihr denn zu den Schließungen der Museen?
André: Technisch gesehen dürfen wir aufmachen, weil wir kein Museum sind und wie Einzelhandel Kunst verkaufen. Ich habe allerdings gar kein Verständnis dafür, dass gerade große Ausstellungsorte, die das Abstandhalten gewährleisten und die durch Ticketverkauf sicherstellen, dass nicht zu viele Besucher gleichzeitig im Raum sind, geschlossen sein sollen. Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Da bräuchte es wirklich stärkere Fürsprecher.

Welche Kunstgattungen haben es in Zeiten der Pandemie besonders schwer?
Jan: Wer hart zu knapsen hat sind viele der Künstler*innen, die freie Arbeiten machen. Das sind die performativen Künste und die Arbeiten, die im institutionellen Rahmen funktionieren. Gewisse Parteien sehen sich eher als Vertreter der Arbeitnehmer*innen – Künstler*innen haben keine Lobby. Es gibt Wirtschaftshilfen für kleinere und größere Unternehmen. Veranstalter, Gastro, Clubs konnten diese Hilfen nicht beantragen, die haben laufende Ausgaben und bekommen keinen Lohn, kein Honorar. 

André Kanya, Jan Kage und Barbara Green
André Kanya, Jan Kage und Barbara Green. Foto: Adam Naparty

Was wünscht ihr Euch von der Politik?
Jan: Die ehrlichste Art, wie man auf die Situation reagieren könnte, wäre ein Grundeinkommen für alle, oder ein Unternehmerlohn, damit die Betreffenden nicht in Hartz IV abgedrängt werden.

Die Kunstszene hilft sich zum Teil selbst, zum Beispiel mit der Aktion “die direkte Auktion“, bei der ihr mit im Boot sitzt. Könnt ihr uns etwas darüber erzählen?
Jan: Dahinter steckt die Initiative von Bettina Semmer und Holm Friebe. Ein Großteil der Auktionseinnahmen geht dabei an die Künstler*innen. Es gibt zwanzig Kurator*innen die eingeladen wurden – ich bin einer davon – ihr Programm einzubringen. Das Auktionshaus Jeschke Van Vliet wickelt das ab. Ich finde es super, dass überhaupt eine Initiative ergriffen wird, auch wenn es schwierig ist Kunst aus dem Primärmarkt im Medium des Sekundärmarktes, dem Auktionshaus, anzubieten, weil wir so konsequent die Galeriepreise unterlaufen.

Kunstwerk "The Kids Are Having None Of It" von  Danni Pantel
Danni Pantel – The Kids Are Having None Of It, 2020. Foto: Benjamin Held

Auf welche Ausstellungen und Events von Euch können sich unsere Leser*innen in naher Zukunft freuen?
Jan: Als Corona losging haben wir eine Newsletter-Initiative gestartet, um Kunst online zu verkaufen. Das war unsere Backoffice Selection No 1 & No 2. Zum Weihnachtsgeschäft werden wir jetzt No 3 herausbringen und einen bunten Blumenstrauß aus unserem Programm anbieten. Im neuen Jahr werden wir als erstes eine junge Malerin zeigen, die sich mit der Symbolik der Warenwelt und dem Kapitalismus beschäftigt, Marta Vovk

Mit SOLID GOLD öffnen wir für euch eine Schatzkammer: Kunsthistorikerin und Kuratorin Barbara Green wirft einen Blick hinter die Kulissen des Kunstbetriebs und besucht außergewöhnliche Künstler, Kuratoren und Galeristen in ihren Produktionsstätten. Ob aufregende junge Talente oder etablierte Ausstellungsmacher – das neue Interviewformat stellt Euch spannende Persönlichkeiten des Kunstbetriebs vor.

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