SOLID GOLD #12
Susanne Bonowicz

29. November 2021 • Text von

Die Arbeiten der Berliner Künstlerin Susanne Bonowicz sind voller Energie und Leuchtkraft. Sie lässt diverse Muster, Fragmente von Architektur und Natur auf Neonfarben clashen und erzählt in Ihren abstrakten Werken von Stadt, Kultur, urbanen Erlebnissen und Erfahrungen ­­­– seit kurzem auch außerhalb der Leinwand.

Portrait der Künstlerin Susanne Bonowicz
Susanne Bonowicz, Foto: Feliks Neuzeller

Dieses Jahr tritt die Malerin mit ihrer Kunst zum ersten Mal hinaus in den Außenraum, um genau zu sein in den Bahnhof Wolfsburg. Dort transformiert sie den Wartebereich in ein riesiges neonfarbenes Wandgemälde. Reisende, die die leuchtenden Farbflächen, Linien und Überlagerungen durchqueren, wird das Thema Stadt in all ihren Kontrasten nähergebracht. Es geht der Künstlerin um Chaos und Dynamik, Konstruktion und Dekonstruktion von Architektur und Vergänglichkeit. Als Gegenpol bringt sie die Natur ins Spiel, die sich der Urbanisierung widersetzt und in Form von geometrischen Mustern in Bonowiczs Arbeiten Einzug nehmen. Im Interview spricht die Künstlerin darüber, welchen Einfluss die großen Metropolen, in denen sie gelebt hat, auf Ihr Werk genommen haben, wie sie sich die Stadtflucht von so vielen Kreativen aufs ihrem Umfeld aber auch allgemein erklärt und inwiefern Intragram die Sichtbarkeit von Künstler:innen steigert.

Wer momentan am Bahnhof Wolfsburg aussteigt, kommt mit hoher Wahrscheinlichkeit an Deiner neuen großformatigen Arbeit „Hybrid Transition“ vorbei, die eine komplette Wand im Wartebereich einnimmt. Kannst Du uns mehr darüber erzählen? Die Wandarbeit „Hybrid Transition“ bezieht sich auf die Stadt Wolfsburg in all ihren Facetten des Wandels. Die Städtische Galerie Wolfsburg hat mich dazu eingeladen, in Kooperation mit der Deutschen Bahn zwei Wände eines Wartebereichs im Wolfsburger Hauptbahnhof zu gestalten. Die Arbeit spiegelt den Prozess von Aufbruch wider, verhandelt Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit und zeigt eine Mischung aus zukunftsgedachter Stadt, Traditions- und Sehnsuchtsort.

Susanne Bonowicz Kunst-Station am Wolfsburger Hauptbahnhof, © Städtische Galerie Wolfsburg
Susanne Bonowicz Kunst-Station am Wolfsburger Hauptbahnhof, © Städtische Galerie Wolfsburg

Das war Deine erste Arbeit im öffentlichen Raum, wie hast Du Dich diesem neuen Feld – außerhalb Deines gewohnten Arbeitsraums, dem Atelier – genähert, was war neu für Dich? Es war eine schöne Herausforderung. gleichzeitig zwei Wände in dieser Größenordnung zu bearbeiten. Spannend war auch, direkt während des Bahnhofsbetriebs zu malen und sich unmittelbar in einer urbanen Atmosphäre zu befinden. Ich konnte die Geräusche des täglichen Bahnhofsverkehrs in meine Arbeit einbinden und sofort malerisch umsetzen. Es war optimal, da es ja um den Transitort und die Stadt Wolfsburg ging. Für mich war es eine ganz neue Arbeitsweise, da ich sonst im Studio aus dem Gedächtnis arbeite.

Kennzeichnend für Deine Malereien sind seit einigen Jahren intensive, grelle Farben, wie Neon Pink oder Neon Gelb. Gab es ein bestimmtes Ereignis, dass Dich zu dieser Ästhetik geführt hat? Ich glaube, der Start der poppigen Farbauswahl war eine Residenz in Bangkok. Ich lebte dort mitten in Chinatown in einem rosafarbenen Hochhaus, diese Farbe ist unmittelbar in meine Farbpalette geflossen. Ich arbeite gerne mit Neonfarben, mit ihnen kann ich die Dynamik, Hektik und Lautstärke von Städten ausdrücken und sehr viel Bewegung in die Arbeiten bringen. Auch die Lichter und Reklamen des städtischen Raumes lassen sich damit sehr gut darstellen. 

Susanne Bonowicz, Frequencies of pink noise, 2020, Ausstellungsansicht von "Zugunsten der Gegend", mit OFFICE IMPART, Berlin Decks während der Artweek Berlin
Susanne Bonowicz, Frequencies of pink noise, 2020, Ausstellungsansicht von “Zugunsten der Gegend”, mit OFFICE IMPART, Berlin Decks während der Artweek Berlin

Du hast nicht nur in Bangkok gelebt, sondern auch in Südafrika gearbeitet und studiert und bist in Berlin ansässig. Was ziehst Du aus diesen und anderen Metropolen für Dich und Deine Malerei? Jede neu entdecke Großstadt taucht in meinen Arbeiten auf. Es kommen neue Farben hinzu und auch die Formensprache erweitert sich. Aber auch die Natur ist Thema in meiner Malerei. Dargestellt in organischen Formen, ist sie der Gegenpol zum chaotischen Stadtbild. Ich möchte einen urbanen Dialog eröffnen und den Betrachter dazu bringen, sich mit dem Konstrukt Stadt auseinanderzusetzen und die gegenseitige Einflussnahme von Kultur und Natur zu hinterfragen.

Seit Kurzem hast Du auch ein Studio im Berliner Umland neben deinem Atelier in Berlin – meinst Du, dass Dich das ländliche Umfeld in Deiner Arbeitsweise beeinflussen wird? Ich bin sehr gespannt inwieweit sich die Arbeiten von denen, die in Berlin entstehen, unterscheiden werden. Es könnte tatsächlich sein, dass die Natur einen prägnanteren Stellenwert einnimmt und sich dadurch die Formensprache oder vielleicht auch die Farbpalette ändert. Der urbane Bezug wird aber sicherlich bestehen bleiben, um den thematischen Dialog zwischen Kultur und Natur fortführen zu können. 

Susanne Bonowicz. Soloausstellung bei OFFICE IMPART, "Interspaces", 2021
Susanne Bonowicz. Soloausstellung bei OFFICE IMPART, “Interspaces”, 2021

Während der letzten Jahre und vermehrt in Zeiten von Corona ist eine regelrechte Stadtflucht zu erkennen, vor allem bei Künstler:innen ist zu beobachten, dass sie sich mehr aufs Land und in die Natur zurückziehen. Woran liegt das Deiner Meinung nach und was hat Dich zu Deiner Entscheidung veranlasst? Ich könnte mir vorstellen, dass Corona die Stadtflucht begünstigt hat. In den großen Städten war bzw. ist das Virus mehr zu spüren als auf dem Land. Mich persönlich hat es gereizt nach elf Jahren in Berlin einen weiteren Arbeitsraum zu haben – vielleicht ein Rückzugsort, der einen anders auf Urbanität schauen lässt. Viele Künstler:innen werden auch aus den Städten verdrängt, Atelierraum wird immer knapper und die Mieten steigen ins unermessliche. Das ist ein großer Missstand, vor allem in Berlin.

Von der Natur springen wir direkt in die sozialen Medien. Du hast auf Instagram 12.000 Follower, wie wichtig oder nichtig ist Instagram für Dich und die Kunstwelt allgemein? Ich sehe Instagram nach wie vor als wichtiges Tool. Künstler:innen können ihre Sichtbarkeit verbessern und auch eigenständig ihre Kunst vermarkten – Du kannst dort einfach Deine eigene Galerie erstellen. Ich nutze Instagram auch als eine Art kompakten Kunst-Guide – Galerien, Institutionen und Projekträume hat man auf einen Blick. Auch die Vernetzung unter KünstlerInnen funktioniert nach meiner Erfahrung viel einfacher. Gerade in Zeiten von Corona ist diese Plattform eine alternative Möglichkeit, Kunst zu betrachten.

Susanne Bonowicz während der Wandarbeiten an "HYBRID TRANSITION"© Städtische Galerie Wolfsburg
Susanne Bonowicz während der Wandarbeiten an “HYBRID TRANSITION”© Städtische Galerie Wolfsburg

Verrätst Du uns woran Du derzeit arbeitest? Ich arbeite gerade an einer neuen Werkreihe für meine Galerie OFFICE IMPART in Berlin. Dieses Jahr ist viel passiert und ich konnte bei vielen Ausstellungen teilnehmen. Im Moment bin ich froh, mich ganz den neu entstehenden Arbeiten hinzugeben und ein bisschen was auszuprobieren, bevor im nächsten Jahr neue Projekte starten.

Mit SOLID GOLD öffnen wir für euch eine Schatzkammer: Kunsthistorikerin und Kuratorin Barbara Green wirft einen Blick hinter die Kulissen des Kunstbetriebs und besucht außergewöhnliche Künstler, Kuratoren und Galeristen in ihren Produktionsstätten. Ob aufregende junge Talente oder etablierte Ausstellungsmacher – das neue Interviewformat stellt Euch spannende Persönlichkeiten des Kunstbetriebs vor.

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