Sneak Peek in der UdK
(P)review der Absolvent*innen

12. Juni 2021 • Text von

Angesichts allseits bekannter Gründe kam es zu diversen Ausstellungsverschiebungen. Dies betraf auch die der 35 Künstler*innen, die zuletzt die Universität der Künste (UdK) in Berlin absolvierten. Ihre Abschlussausstellung „it’s only the end“ im Kühlhaus findet nun statt im Mai im Oktober statt. Geprüft wurden die Absolvent*innen trotzdem schon und gallerytalk.net hat die Chance genutzt bereits einen Blick auf die Arbeiten zu werfen. So viel vorab – ein Besuch im Kühlhaus Ende Oktober steht jetzt schon rot im Kalender!

Johanna Käthe Michel, Mediterranes Haus mit Meer im Hintergrund, 2021, Foto: Asís Ybarra.

Für die Prüfungssituation konnten die Künstler*innen jeweils einen eigenen Bereich bespielen und installierten ihre Arbeiten im Foyer und der Aula der UdK– im Oktober treten sie dann in einen Dialog miteinander. Eine große Bandbreite an Medien und umfangreichen Konzepten ist vertreten, wobei Referenzen auf die vergangenen eineinhalb pandemiegeprägten Jahre unweigerlich bemerkbar werden. Den aktuellen Zustand des Wartens auf Veränderung, Verbesserung, Eröffnungen – ja, auf was eigentlich? – wird in der Installation „FROZEN“ von Inia Steinbach greifbar. In weißes, stoffartiges Verpackungsmaterial eingehüllte Skulpturen, die an unbenutzte Sportgeräte erinnern, positioniert sie in einem Raumarrangement neben kalten Stahlgebilden. Der Raum muss explizit erwähnt werden, denn die Wände sind von Gemälden gesäumt, die fast wie Fenster wirken. Es scheint, als hätte die Künstlerin ein steriles Zimmer eingerichtet, das darauf wartet mit Leben gefüllt zu werden. Auf den zweiten Blick schleicht sich die Frage ein, wie die Skulpturen denn eigentlich genutzt werden könnten? Um richtige Sportgeräte handelt es sich dann doch nicht: eher um abstrakte Fantasiegerätschaften und die rigorose Kontrastierung der Materialien. Ein bisschen wie eine stillgelegte Abflughalle, die auf Reisende wartet – im Moment des Benutzens wirkt alles ganz selbstverständlich, aber der unberührte Zwischenzustand erweckt eher etwas gespenstisches. 

Inia Steinbach, FROZEN, 2021, Courtesy of the artist.

Neben dieser installativen Komposition zeigte Amira Rafat Kicherer ihre farbenreichen Malereien und Zeichnungen. Nicht etwa getrennt voneinander, sondern Malerei und Zeichnung innerhalb eines Werkes: für die Künstlerin lassen sich diese beiden Techniken nicht differenzieren, denn Bestandteil ihrer abstrakten Praxis ist es, beide Disziplinen gemeinsam abzubilden. Ursprünglich gibt es auch kein oben und kein unten, da Amira Rafat Kicherer meist auf dem Boden arbeitet, wo sie die Farbe auf ihren lediglich nummerierten Gemälden mit dicken Strichen, pastosen Aufträgen oder durch Schütten verteilt. Titel gibt es nicht, denn die Arbeiten sind explizit nicht suggestiv. Aus dem gleichen Grund gibt es auch keine Gegenständlichkeit zu entdecken – es geht rein um die Form und die Farbe, die aus der Intuition und der Spontaneität entsteht. Die teils großformatigen Arbeiten werden von der Künstlerin nicht vorher konzipiert und bieten einen breiten Interpretationsraum – geprägt von den letzten Monaten und der ständigen Konfrontation mit dem virtuellen Raum erinnern sie an digitale Zeichnungen und doch könnten die Arbeiten der Künstlerin analoger nicht sein. 

Amira Rafat Kicherer, Installationsansicht, 2021, Courtesy of the artist.

In ihrer multimedialen Rauminstallation, die aus verschiedenen Einzelwerken zusammengesetzt ist, hinterfragt Elke Burkert mit der Arbeit „Manchmal kommt eine Seite vor der anderen“ unter anderem die herkömmliche Konzeption von Büchern und deren Nummerierungen (um beim Thema zu bleiben). Sie hat ihr Archiv des letzten Jahres mit unzählbar viel Recherchematerial bestehend aus Fotografien, Gedichten und Skizzen mit einer Technik gebunden, bei welcher sich das Buch während des Blätterns räumlich ausdehnt und somit quasi auseinanderfaltet. Wie auf einer Entdeckungsreise begegnete man in der Aula der UdK weiteren Arbeiten und vor allem Materialien, die in ihrer üblichen Nutzung subversiert werden und sich im Raum ausbreiten – oder das Ausbreiten unterbunden wird. Große, schwarze Ballons schweben durch den Raum und hüpften bei jedem Windstoß umher, wohingegen dünne Papierseiten mit Zeichnungen von einem Stein beschwert wurden, sodass sie nicht umherwirbeln. Daneben lagen schwere Schieferplatten mit Kreidezeichnungen der Mondphasen auf dem Boden – die Arbeit trägt den Titel „Der Mond ist immer irgendwie rund auch wenn er nicht so aussieht“. 

Elke Burkert, Installationsansicht, 2021, Courtesy of the artist.

Im gleichen Raum zeigt Lisa Hofmann ihren Dokumentarfilm „Auszug aus“, in dem es um Zwangsräumungen in Berlin geht. Sie begleitet die zwei Protagonisten während des Aktes der Wohnungsräumung und der Zeit danach. Die Künstlerin behält dabei keinen neutralen Standpunkt, sondern filmt das Geschehen und das Eindringen der Staatsgewalt in den privaten Raum von der Seite der Protagonisten. Sie führt Interviews mit ihnen und bleibt mit ihrer Kamera auch dann anwesend, wenn die Polizei in die Wohnungen eindringt und die Protagonisten zwingt, diese zu verlassen. Der Film ist schonungslos, aber dafür auch umso realer und nahbarer. Die harte Realität wird hierbei auf eine empathische Art und Weise begleitet und offengelegt.

Lisa Hofmann, Auszug aus, 2021, Videostill, Courtesy die Künstlerin.

Ebenfalls in einem häuslichen Rahmen spielen sich die Arbeiten von Johanna Käthe Michel ab, die wieder im Foyer neben Inia Steinbachs Installation zu sehen waren. Inspiriert von diversen Zoom-Meetings interessiert sie sich für die generischen virtuellen Hintergründe, die von den Nutzer*innen ausgewählt werden können, wenn die eigenen vier Wände nicht mit allen anderen Meeting-Teilnehmenden geteilt werden sollen. Was bedeutet es, wenn das Berufliche während der immer noch andauernden Home Office-Phase auf des Private übergreift? Die Künstlerin baute verschiedene Hintergründe aus der Kategorie „Arbeitszimmer“ nach und arrangierte sie mit Pflanzen aus den UdK-Büros – wo sie in den letzten Monaten zurückgelassen wurden. Johanna Käthe Michel reaktiviert sozusagen einen unbenutzten, verlassenen Raum und bildet den Konterpart zu Inia Steinbachs Arbeit: der perfekte Abschluss des Sneak Peek Rundgangs (bei dem viel mehr tolle Werke zu sehen waren, als in einem Artikel berichtet werden könnte)! 

Johanna Käthe Michel, Mediterranes Haus mit Meer im Hintergrund, 2021, Foto: Asís Ybarra.

Philipp Lange und Klara Hülskamp kuratieren die Abschlussausstellung und werden Ende Oktober diesen Jahres in der industriellen Atmosphäre des Kühlhauses die Arbeiten der Künstler*innen gegenüberstellen und miteinander kommunizieren lassen. „it’s only the end“ bekommt angesichts der zahlreichen Verschiebungen und Unsicherheiten einen ganz neuen, ironischen Unterton. Manche Werke werden so gezeigt, wie sie sind, und andere Werkgruppen werden sich erweitern. Außerdem wird noch eine Website mit weiterem Infomaterial gelauncht – ganz im digitalen Sinne von 2021. 

WANN: Die Ausstellung wird vom 28. Oktober bis zum 3. November stattfinden.
WO: KühlhausBerlin, Luckenwalder Straße 3, 10963 Berlin.

An der Ausstellung beteiligt sind folgende Künstler*innen: Afaf Younes, Amira Rafat Kicherer, Anna Mészáros, Annkathrin Kluss, Anouk, Aya Ando, Bruno Siegrist, Carina Erdmann mit Anna Kindermann, Charlotte Hörcher, Christina Huber, David Amberg, Donna Fei, Elke Burkert, Enzo Eggebrecht, Erfan Aboutalebi, Felix Becker, Jay Lee, Gregor Esra Sauer, Guiselt Thaiz, lnia Steinbach, Jennifer Woelki, Johanna Käthe Michel, Joram Schön, Leila Edda Raabe, Lisa Braun, Lisa Hofmann, Miji lh, Naomi Klein, Paula Krause, Steven Thelen mit Maria Jooyoung, Tania Elstermeyer, Thierry Harpes, Valerie Funk, Yannick Riemer, You Gu.

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