Slipped Away
Flaka Haliti über ihre Arbeit

30. Juni 2016 • Text von

Bei Flaka Haliti läuft es im Moment. Institutionen und Biennalen zeigen ihre Arbeiten, sie gewinnt Preise und Stipendien. Jetzt zeigt die Galerie Rüdiger Schöttle zum ersten Mal eine Einzelausstellung der kosovarischen Künstlerin.

SALTS_FHaliti_2016-05_MG_2552

Flaka Haliti, My Gravity Slipped Away, Installationsansicht bei SALTS Birsfelden © Gunnar Meier Photography, courtesy SALTS und die Künstlerin.

Im letzten Jahr bespielte sie den Pavillon der Republik Kosovo auf der Biennale in Venedig, sie hat im Mumok in Wien ausgestellt und auf der Moskau Biennale, sie ist Stipendiatin der Villa Romana in Florenz, hat den ars viva-Preis 2016 gewonnen und ist diesen Sommer Teil der Ausstellung Favoriten III im Lenbachhaus. Die in München und Prishtina lebende Künstlerin widmet sich in ihrer Praxis auf poetische Art kulturellen, politischen und sozialen Konstruktionen. Distanz, Fremde, Nähe und Abhängigkeit. Zu diesen Spannungsfeldern findet sie einen subjektiv-lyrischen Zugang, der mehr ist als eine rein formal-analytische Perspektive.

Einer der Themenkomplexe, der in Flaka Halitis Arbeit immer wieder durchscheint und einen zentralen Aspekt einnimmt sind Grenzen und Abgrenzungen. Die Künstlerin beantwortete uns anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „tea towels have something to do with tea“ in der Galerie Rüdiger Schöttle ein paar Fragen.

Untitled-1

Flaka Haliti, © Flaka Haliti.

gallerytalk.net:In der aktuellen Ausstellung bespielst Du die Wände des Raumes mit einer Tapete, die an die grau-weißen Karos einer leeren Photoshop-Datei erinnern. Könnte man das als einen Versuch sehen, die Grenzen zwischen dem Digitalen und der analogen Realität zu überwinden?

Flaka Haliti: Ja und nein… In vielen meiner neueren, großformatigen Installationen versuche ich, etwas zu erschaffen, bei dem der Besucher eine Veränderung zwischen einem virtuellen, zweidimensionalem Bild und einer räumlichen, dreidimensionalen Präsentation erleben und erkennen kann. Ich biete eine, auf gewisse Art, irritierende Form der Wahrnehmung an, die sich mit Sehnsüchten und Gefühlen auseinandersetzt. Was ist in einem gegebenen Raum erlaubt, was kann man erfahren. Gleichzeitig mochte ich die Idee, dass das Programm „Photoshop“ dieses Muster, weiße und graue Quadrate, für eine leere Fläche bereithält, für einen leeren, nicht physischen Pixel-Raum. Was man sieht, ist eine Darstellung des Nichts, eine leere, unbeschriebene Datei. Ein Bild, das eben kein Bild ist! Und für mich ergab sich da auch eine Verbindung zum konkreten Niemandsland, dem tatsächlichen Bereich zwischen zwei physischen Ländergrenzen. Ein Bereich der zu „Niemandem“ gehören soll, der keiner menschlichen oder gesellschaftlichen Herrschaft untersteht, keiner territorialen Souveränität. Und da stellt sich wiederum die Frage: Welchen Effekt hat dies auf dessen physische Wirkung. Ist das ein Raum, bei dem das Verhältnis zwischen den Territorien aus der Balance ist, dem der klare Referenzpunkt fehlt? Und ist dieser Raum weniger „sicher“ oder nicht?

SALTS_FHaliti_2016-05_MG_2472_canonical

Flaka Haliti, My Gravity Slipped Away, Installationsansicht bei SALTS Birsfelden, © Gunnar Meier Photography, courtesy SALTS und die Künstlerin.

Die Glaspanele die Du zeigst basieren auf den Zeichnungen von Kindern. Speziell von den Schülern einer internationalen Schule. Befinden die sich auch im „Dazwischen“? Zwischen unterschiedlichen Kulturen, zwischen Kindheit, Jugend und dem Leben als Erwachsener, zwischen der Unschuld und der Realität?
Ja, diese Zeichnungen waren auf Geschirrtüchern, bemalt von Kindern einer internationalen Schule der Elfenbeinküste in West-Afrika. Die Schule wird von Kindern in unterschiedlichem Alter besucht, mit unterschiedlichen Nationalitäten, Einheimische und Kinder von den Mitarbeitern verschiedener NGOs wie die UN. Mein Neffe ging dort auch zur Schule. Diese Ausgangssituation war perfekt für mich, da dies so ein interessanter und überraschender Mix ist. Bestimmte Referenzen werden verdrängt und aufgelöst, man kann bestimmte Informationen nicht lokalisieren bei diesen Portraits. Auch in meiner Arbeit wird nicht kommuniziert, wie alt die Kinder genau sind, welche Hautfarbe sie haben oder welcher ethnischen Gruppe sie angehören. Sie sind auf eine gewisse Art frei von diesen „konstruierten“ sozialen Zugkräften. Weil ihnen die Schwerkraft einfach entglitten ist.

e4a2782

Pavilion der Republik Kosovo, Flaka Haliti, 2015, Sand, Metall, Licht. Bild: Marc Krause, Courtesy der Künstlerin und LambdaLambdaLambda.

Du hast diese Installation bereits im Kunstraum SALTS in der Schweiz gezeigt. Hast du sie für die Galerie hier in München räumlich adaptiert?
Ohne Frage. Das ist ein entscheidender Aspekt meiner künstlerischen Praxis, die Sensibilität gegenüber neuen Räumen. Daher konzipiere und adaptiere ich meine Installationen immer site-spezifisch neu, wenn ich sie in neuen Räumen zeige.

WANN: Eröffnung am ist am 30. Juni 2016, 18 Uhr, zu sehen bis 30. Juli.
WO: Galerie Rüdiger Schöttle, Amalienstraße 41, 80799 München.

Weitere Artikel aus München