Open the can!
Der Off-Space Schwabinggrad zeigt Sophie Gogl

19. November 2020 • Text von

Es ist ein Raum, der auffällt. Ein Raum, der bei einem Besuch an einem dunklen Herbstabend geradezu erhellt– der im September eröffnete Off-Space Schwabinggrad in der Theresienstraße in München brilliert mit bunten Malereien Sophie Gogls und verspiegelten Unendlichkeiten.

Installationsansicht, Sophie Gogl, “She brings the Rain”, Schwabinggrad, Fotograf: Ulrich Gebert, Courtesy of the artist and Schwabinggrad, München

Kaum jemand geht an den in Pop-Ästhetik erscheinenden Räumlichkeiten im nördlichen Teil der Maxvorstadt einfach vorbei, ohne einen genaueren Blick hineinzuwerfen. PassantInnen bleiben davor stehen, blicken teilweise ungläubig oder begeistert in die Weiten der verspiegelten, etwas gewellten Wandflächen des kleinen Ausstellungsraumes Schwabinggrad.

Fotograf: Ulrich Gebert, Courtesy of the artist and Schwabinggrad, München

Das silbern erscheinende Interieur, das beim ersten Hinsehen an die Fotografien der mit Silberfolie ausgelegten Räume der Factory, die Studios des Pop-Art-Vaters Andy Warhol, erinnert, sind die Überreste der Eröffnungssaustellung von Werner von Delmont und seinem Sohn Hans Dieter. Die beiden wandelten den Raum im September kurzerhand zur Bar, ja zum Spiegelsaal, und eröffneten mit dem Titel „Grumping & Grooving“ den neuen Off-Space in Schwabing. Somit nicht nur im Erscheinungsbild ein erhellender Aspekt, denn im Vergleich zur Hauptstadt Berlin sind nicht kommerzielle Ausstellungsräume in München bisher wenig zu finden. Und genau darum soll es auch bei Schwabinggrad gehen. Den Betreibern ist es ein Anliegen nicht kommerziell zu arbeiten – den Fokus auf die Künstler und Künstlerinnen zu legen und jungen, aufstrebenden Talenten die Möglichkeit, schlicht den Raum zu bieten sich, zu präsentieren. Die Organisatoren von Schwabinggrad treten dabei in den Hintergrund. Den ausstellenden Künstlern und Künstlerinnen lässt man gestalterische Freiheit.

Installationsansicht, Sophie Gogl, “She brings the Rain”, Schwabinggrad, Fotograf: Ulrich Gebert, Courtesy of the artist and Schwabinggrad, München

Deutlich zeigt sich dieser Aspekt auch in der noch bis Ende dieser Woche laufenden Ausstellung „She brings the Pain“ der Österreicherin Sophie Gogl. Die Künstlerin ließ für ihre erste Solo-Show in Deutschland das verspiegelte Interieur bestehen und behängte es mit ihrer neuen Werkserie von „Cans“. Jene sind mit Acrylfarbe bemalte Leinwände, mal kreisrund, dann oval und zeigen Deckel verschiedener Konservendosen. Wieder lässt sich ein gedanklicher Rückbezug auf die Kunst Andy Warhols ziehen. In diesem Fall ist es die bekannte Serie der „Campbell’s Soup Cans“, gemalte Suppendosen, die Warhol in 32-facher Ausführung auf die Leinwand brachte. Anders jedoch steht man bei Gogl vor den verschlossenen Deckeln, fragt sich was daraus zum Vorschein kommt. Diese Assoziation wirkt gerade in dem verspiegelten Raum durchdacht, da die Leinwände fast wie die rettenden Öffnungen aus der Unwirklichkeit der unendlichen Spiegelungen wirken.

Installationsansicht, Sophie Gogl, “She brings the Rain”, Schwabinggrad, Fotograf: Ulrich Gebert, Courtesy of the artist and Schwabinggrad, München

So könnte man in manchen der gemalten Aluminiumdeckel eine romantisierte Landschaft erkennen. Kleine Grünflächen und dahinter in tiefem Blau gehalten die Weite des Meeres. Gogl lässt hier gekonnt Raum für Assoziationen, bei genauerem Betrachten aber lässt sich ein drapiertes Fischfilet auf einem Porzellanteller vor blauem Wasser erkennen. Raum für Fantasie wird gegeben. Am Ende ist es jedoch der meist etwas trist wirkende, schlicht hereingequetschte Inhalt einer Konservendose – “She brings the Pain”. Letzteres ist ein Wortspiel und Verweis auf die deutsche Krautrockband Can. Die Ende der 1960er Jahre in Köln gegründete Musikgruppe, die sich keiner Stilrichtung unterordnen wollte, veröffentlichte 1970 zu Gitarrenakkorden „She brings the Rain“.

Installationsansicht, Sophie Gogl, “She brings the Rain”, Schwabinggrad, Fotograf: Ulrich Gebert, Courtesy of the artist and Schwabinggrad, München

Die Installation Gogls in Schwabinggrad lässt einen den Witz und die Ironie, mit der die Künstlerin die Werkserie gestaltet hat, regelrecht spüren. Denn die schillernde Pop-Ästhetik und bunte Farbgebung der Leinwände erhellt nicht nur, sondern lässt einen beschwingt in die dunkle Abendstimmung hinaustreten. Das macht Lust auf mehr: Es ist nicht schlicht das Verlangen, die gemalten Aludeckel aufreißen zu können, sondern der Wunsch, in Zukunft weitere Werke von Gogl zu sehen.

WANN: Die Ausstellung “She brings the Pain” ist noch bis Samstag, den 21. November, zu sehen.
WO: Schwabinggrad, Theresienstraße 154, 80333 München. Besuch nach Vereinbarung.

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