Schöpfung aus Nichts und Etwas
Matthias Ströckel in der Galerie Sima

10. Oktober 2017 • Text von

Mysteriöse Kunstobjekte sind in der Galerie Sima in der Rosenau gesichtet worden, sie leuchten und kreiseln und schießen ins Weltall. Wer wird sie entschlüsseln? Und was hat eigentlich der Mond mit dem Ganzen zu tun?

Matthias Ströckel: Ex nihilo, 2016 © the artist

Aus dem Nichts wird nichts entstehen. Als der griechische Philosoph Parmenides vor zweieinhalb Jahrtausenden diese simple, aber grundlegende Erkenntnis für uns festhielt, war der aramäische Wanderprediger Jesus von Nazareth noch nicht einmal ein vager Schatten am Horizont; er sollte später wegen seines schlimmen und ungerechten Schicksals eine zentrale Rolle in der neuen, christlichen Kirche spielen, aus dessen Gelehrtenkreis etwa 800 Jahre nach Parmenides eine nicht weniger einflussreiche Vorstellung entstand: die Schöpfung aus dem Nichts, eine theologische Erklärung für den ersten Schöpfungsakt durch Jesus‘ Vater (der irgendwie auch er selbst ist, aber das ist eine andere Erzählung). In vielerlei Hinsicht ist diese Vorstellung das genaue Gegenteil zu Parmenides Erkenntnis. „Ex nihilo nihil fit“ ist der Satz von Parmenides auf Lateinisch. „Creatio ex nihilo“ ist die Essenz der christlichen Schöpfungsgeschichte. Matthias Ströckel kombiniert diese beiden Sätze zu einem philosophischen Frankenstein: „Creatio ex nihilo nihil fit“, die Schöpfung aus dem Nichts kann nichts schöpfen. Gewaltlos werden zwei Sätze miteinander verschmolzen, die nicht nur völlig unterschiedliche Aussagen haben, sondern die sich geradezu gegenseitig auslöschen. Die leuchtende Neonschrift verweist dann auch konsequent sowohl auf das Licht der Erkenntnis als auch auf die Erschaffung des Lichts.

Hintergründe wie diese muss man als Betrachter kennen, um die kleinen und großen entlarvenden Gemeinheiten und Fingerzeige genießen zu können, die in der Ausstellung „All Away Above“ von Matthias Ströckel versammelt sind.

Matthias Ströckel: Who’s who on the moon, 2017 © the artist

Da gibt es einen kleinen, vierbeinigen Biedermeiertisch, dunkel gefasst mit runder Platte. Darauf liegen verschiedene, zerklüftete Kugeln, nach ihrer Größe im Kreis sortiert. Alle sind Abbilder des Mondes, könnte man denken. Und tatsächlich ist die zweitgrößte Kugel ein 3D-Print des Erdbegleiters. Die anderen Kugeln sind aber Kanonenkugeln, verrostete Geschosse, chronologisch und nach Größe sortiert. Der Mond, der vermutlich vor vielen Jahrmillionen nach einem Meteoriteneinschlag aus Explosionsbrocken der Erde entstanden ist, fügt sich hier nahtlos und unauffällig in die Reihe ein. Überhaupt beschäftigt Ströckel sich viel mit Sternen, Karten, Planetenbahnen und Himmelsmechanik. Es gibt Zeichnungen, die von rotierenden Kreiseln auf das Blatt gemalt wurden und wie astronomische Karten aussehen. Und es gibt eine Collage, die den Mond zum Thema hat.

Matthias Ströckel: Shuttle, 2017 © the artist

Erstaunlich ist auch die dreibeinige Plastik, die im Hauptraum steht: hier finden drei Objekte zusammen, die eigentlich keinen Bezug zueinander haben. Eine Orgelpfeife, ein Wurfspeer und ein steinerner Bohrkern sind durch metallene Manschetten zu einem freistehenden Objekt verbunden, das stark an einen Raketenbahnhof erinnert. Ströckel weist durch die Gegenüberstellung spielerisch auf die Nähe der Formen zueinander hin, die von ihrer Funktion her völlig fremd sind. Tatsächlich erinnert die Orgelpfeife am ehesten an die startende Rakete, während der zum Fliegen hergestellte Wurfspeer mehr die Rolle der Stützkonstruktion einnimmt.

Es sind die vielfältigen Bedeutungsebenen, die Matthias Ströckel so spielerisch und leicht miteinander überblendet und mit den verwendeten Objekten so eine ganz neue, überraschende Geschichte erzählt. Würde man diesen neuen Kontext wieder ausblenden wollen, man könnte es nicht.

WANN: Die Ausstellung läuft noch bis zum 11. November. Die Galerie ist Dienstag und Mittwoch von 17 bis 19 Uhr und Samstag von 11 bis 14 Uhr geöffnet, außerdem können Sondertermine vereinbart werden.
WO: In der Galerie Sima. Hochstraße 33, 90429 Nürnberg, im 2. Stock.

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