Salon trifft Skulpturenpark Der Garten der Gegenwart
20. August 2020 • Text von Christina Grevenbrock
Der Salon der Gegenwart, mittlerweile eine Institution der Hamburger Kunstszene, zeigt sich 2020 im anderen Gewand: Als “gartendergegenwart” erfindet sich die Gruppenausstellung unter freiem Himmel neu. Christina und Martina sind im Dialog durch den Garten flaniert.
Christina: Wir waren neulich zusammen im Garten der Gegenwart, was war dein erster Eindruck?
Martina: Mein erster Eindruck hatte fast etwas von einer Ostereiersuche. Nachdem wir das Bürogebäude durchquerten, hinter dem sich der Garten verbirgt, standen wir zwar direkt vor der leuchtend neon-orangenen Bank von Jeppe Hein, die anderen Kunstwerke musste man aber zum Teil erst einmal suchen. Einiges war im Grün versteckt, andere Arbeiten hingen an der Hausfassade oder waren an der Architektur von Treppe und Eingangsbereich montiert. Da es keine Labels an den Arbeiten gab, begann dann das große Rätselraten: “Welches Kunstwerk gehört zu welchem Namen?”. Wir sind dann irgendwann mit der Website auf dem Handy durch den Garten gelaufen und haben die Arbeiten darüber den Künstler*innen zugeordnet.
Jetzt meine Frage an dich: Was hältst du von der Präsentation und Vermittlung der Werke?
Christina: Ich muss gestehen, im ersten Moment war ich ein wenig ratlos. Ich bin so gepolt, dass ich immer nach der Erzählung hinter der Ausstellung suche, einen roten Faden finden will. So ist der Garten der Gegenwart aber gar nicht konzipiert. Als wir dann die Website zurate gezogen haben, war ich sehr angetan. Die begleitenden Texte und der Audioguide sind mit viel Liebe und Sachverstand produziert.
Theoretisch hätten wir uns die online abrufbare Informationsfülle auch von Zuhause aus anschauen können. Was macht in deinen Augen eigentlich den Reiz der realen Ausstellungserfahrung aus?
Martina: Du hast recht, die reinen Informationen lassen sich über die Website abrufen. Aber dass so ein nacktes Text- und Abbildungsgerüst noch keine Ausstellung ausmacht, haben wir, glaube ich, auch alle aus den Streaming- und Instagram-Events der strengen Corona-Zeit gelernt. Ich finde, gerade hier im Garten merkt man ganz intensiv, wie wichtig die Verortung von Kunstwerken ist. Arbeiten wie das Meteoriten-artige Objekt von Jan Albers, das wirkt wie aus dem Weltall in die Hauswand gecrasht oder der Object-Trouvé-Grabstein von Lilia Kovka, der sich efeuberankt auf dem Boden versteckt, gewinnen enorm durch die Situation, in der wir sie hier und jetzt vor Ort erleben. Und dass wir uns dreidimensional durch den Garten bewegen und die Skulpturen aus ganz verschiedenen Blickwinkeln erleben können, schafft ja im wahrsten Sinne ein Kunst-Erlebnis, das so nicht über eine Vermittlung via Internet oder Katalog möglich wäre.
Wo wir jetzt bereits von einzelnen Werken sprechen – gab es Arbeiten, die dir beim Gang durch den Garten besonders aufgefallen sind? Oder welche, die dir besonders gut gefallen haben?
Christina: Ich steh ja total auf Jeppe Hein. Seine “Modified Social Bench” ist nicht nur ein totaler Hingucker, das Sitzobjekt kann nur von einer Person zur Zeit genutzt werden. Dadurch bekommt es gerade in Corona-Zeiten eine besondere Brisanz. Hier wird Social Distancing als Grundzustand unserer Gesellschaft entlarvt.
Aber es fällt mir schwer, einzelne Favoriten auszumachen. Die Initiatoren der Ausstellung, Christian und Margarita Holle, setzen auch im neuen Gartenkontext auf ein gewohnt hohes Niveau bei ihren Künstler*innen. Da fällt die Entscheidung schwer. Ganz bezaubert war ich von den “Guilty Flowers” von Fort, um die man automatisch anfängt, Geschichten zu spinnen, sowie von Nevin Aladağs pastelliger Keramikskulptur “Jali Arrow 1”.
In den letzten Jahren war schon der Salon der Gegenwart ein Fixpunkt im Hamburger Kunstkalender, dieses Jahr tritt er im Gartengewand auf. Bevorzugst du in der Rückschau das klassische Setting oder das neue?
Martina: Ich finde es ehrlich gesagt schwer, das neue und das alte Setting zu vergleichen. Die Indoor-Variante im Herbst war halt ein klassischer Salon: Viel Flachware an der Wand, viel Sehen-und-Gesehen-werden. Im Eröffnungstrubel war es oft schwer, alle Arbeiten zu würdigen. Der Garten ist da ganz anders. Hier spielt die Umgebung viel stärker in die Präsentation hinein, dazu kommt eine gewisse Freiheit: das unbeschwerte Flanieren durch den offenen Raum und die lange Laufzeit der Ausstellung. Ich finde die Inkarnation als Skulpturenpark persönlich fast schöner. Wobei hier natürlich, wie du schon angemerkt hast, der rote Faden ein bisschen fehlt. Im eng gehängten Salon, der primär einen Überblick über neue Positionen geben möchte, ist das verzeihlich. In einer auf ein halbes Jahr angelegten Garten-Präsentation hätte ich mir manchmal etwas mehr Bezüge zwischen den Arbeiten gewünscht. Gerade die großen Skulpturen auf dem Rasen wirken teilweise, als ob sie primär aus praktischen Gründen da hingestellt wurden. Das wäre auch mein einziger Kritikpunkt an einer ansonsten sehr gelungenen Ausstellung.
Als abschließende Frage: Wie fandest du, hat das Konzept des Outdoor-Salons funktioniert? Oder sollte man sagen Skulpturenpark light? Wie würdest du den Garten einordnen?
Christina: Schwierige Frage, ich weiß nicht, ob die Begriffe es so recht fassen. Ein Salon ist ja auch immer ein Ort des Gesprächs, das ist natürlich unter Corona-Bedingungen und mit zu buchenden Zeit-Slots nur bedingt umsetzbar. Ein Skulpturenpark hingegen ist auf Dauer angelegt, wächst langsam im Wechselspiel von Kunst und Landschaft. Dies Versprechen will der temporäre Garten der Gegenwart ja gar nicht machen. Ich hab ihn eher als Hybridform wahrgenommen, als eine Draußenausstellung, ein temporäres Kunstjuwelchen von gewisser Dauer.
WANN: Der Garten der Gegenwart kann noch bis 8. November mittwochs von 16 bis 18 Uhr und jeweils Samstag und Sonntag von 13 bis 17 Uhr besichtigt werden. Um Anmeldung auf der Website wird gebeten.
WO: Rothenbaumchaussee 145, 20149 Hamburg