Saisonstart Berlin: Wohin am Wochenende? Die spannendsten Eröffnungen prä Art Week
5. September 2024 • Text von Anna Meinecke
Bis zur Berlin Art Week sind es noch ein paar Tage hin, doch schon bevor das Programm offiziell startet, eröffnen diverse Ausstellungen, die direkt auf die Merkliste gehören. Wir empfehlen zum Warmwerden Chert Lüdde, KOW, Eigen + Art Lab, Anton Janizewski, Wilhelm Hallen, Haverkampf Leistenschneider und Barbara Thumm.
Chert Lüdde: Selma Selman
Hamlets Ophelia leidet, leidet noch mehr und schließlich ist sie tot. Mit ihrer Ausstellung “Ophelia’s Awakening” bei Chert Lüdde emanzipiert Selma Selman die passive Shakespear-Figur. Sie leiht ihr ihr Gesicht, verpflanzt es auf Autotüren oder Motorhauben begleitet von kleinen Gedichten aus ihrer Serie “Letters to Omer”. “At least I have the courage to be disliked”, steht dann da. “Immerhin besitze ich den Mut, nicht zu gefallen.” Selman verwebt allgemein geläufige mit biografischen Erzählungen und eröffnet so alternative Perspektiven auf eurozentristische Narrative.
WANN: Die Ausstellung “Ophelia’s Awakening” von Selma Selman eröffnet am Samstag, den 7. September, von 18 bis 21 Uhr. Sie läuft bis zum 9. November.
WO: Chert Lüdde, Hauptstraße 18, 10827 Berlin.
KOW
KOW ist umgezogen. In der neuen Location in der Kurfürstenstraße gibt die Galerie mit der Ausstellung “Vulnerable” einen Einblick in ihr Programm. Neben Arbeiten von Anna Boghiguian, Candice Breitz, Anna Ehrenstein, Sophie Gogl oder Michael E. Smith sind auch Werke von Gäst:innen wie Sophia Eisenhut oder Helena Uambembe zu sehen. Die Schau nährt sich dem Phänomen der Schutzlosigkeit, der Verletzlichkeit menschlicher Körper und der Fragilität menschengemachter Ordnungen.
WANN: Die Gruppenausstellung “Vulnerable” eröffnet am Samstag, den 7. September, um 11 bis 23 Uhr. Sie läuft bis zum 16. November.
WO: KOW, Kurfürstenstraße 145, 10785 Berlin.
Eigen + Art Lab: Eric Meier
Besuchende des Eigen + Art Labs blicken in müde Gesichter. Die Blicke der Männer sind leer, ihre Träume geplatzt. Eric Meier hat sie einer Wohnstätte für Alkoholiker in Eisenhüttenstadt porträtiert. Er selbst ist in Frankfurt an der Oder aufgewachsen. Seine Ausstellung “Vaterland” legt den Zugang zu einem Stück ostdeutscher Transformationsgeschichte der Nachwendezeit. Ein Haufen Glas und Waschbetonplatten, einst stolze Symbole architektonischen Fortschritts, markieren im Zentrum des Ausstellungsraums den Müll der Vergangenheit, entbehren jedoch einer gewissen Ästhetik nicht. Es ist einer von vielen Indikatoren, dass die Betrachtung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des sogenannten Ostens eben eine komplexe ist.
WANN: Die Ausstellung “Vaterland” von Eric Meier eröffnet am Donnerstag, den 5. September, von 17 bis 21 Uhr. Sie läuft bis zum 26. Oktober.
WO: Eigen + Art Lab, Torstraße 220, 10115 Berlin.
Anton Janizewski: Emma Adler
Ein fettig glänzendes Spanferkel, dahinter eine fröhliche Grillgesellschaft – erst bei näherem Hinsehen erweisen sich ihre Gesichter als zombieesque verzerrte Fratzen. Mit diesem wenig sorgsam KI-generierten Bild setzte die Esslinger AfD während des muslimischen Fastenmonats Ramadan zur Schweinefleischspitze an. Der Post ging viral. Emma Adler dient das Sharepic nun als Allegorie auf die Rückkehr des Faschismus. Hinter bürgerlicher Fassade: rechtsradikale Fratzen. Für ihre Ausstellung “STRG-Z” der Galerie Anton Janizewski hat Adler Elemente KI-generierter Propaganda isoliert und in einer immersiven Installation verdichtet.
WANN: Die Ausstellung “STRG-Z” von Emma Adler eröffnet am Freitag, den 6. September, von 18 bis 21 Uhr. Sie läuft bis zum 19. Oktober.
WO: Galerie Anton Janizewski, Weydingerstraße 10, 10178 Berlin.
Wilhelm Hallen: “Hallen 05”
Zum fünften Mal startet in den Wilhelm Hallen das Kunstfestival vor der ganz großen Festivalwoche Berlin Art Week. Mehr als ein Dutzend Galerien, drei private Kunstsammlungen, zwei Institutionen und eine unabhängig kuratierte Ausstellung sind die Reise nach Reinickendorf allemal wert. Wer noch unschlüssig ist, wann denn nun der beste Zeitpunkt wäre, die ehemalige Eisengießerei Winkelhof anzusteuern: Die Kestner Gesellschaft aus Hannover präsentiert eine Performance von Casey Spooner – basierend auf dessen US-Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2020 (Termin tba) – und Sonntag, den 8. September, organisieren Haus of Telfar und House of Juicy Couture einen Vogueing-Contest von 18 bis 20 Uhr.
WANN: “Hallen 05” eröffnet am Samstag, den 7. September, von 11 bis 20 Uhr. Das Festival läuft bis Sonntag, den 15. September.
WO: Wilhelm Hallen, Kopenhagener Str. 60-72, 13407 Berlin.
Haverkampf Leistenschneider: Alex Müller
Alex Müller ist eingezogen. Mit Badewanne, Tisch, Besteck und Wischmopp skizziert sie private Zimmer, in denen Erinnerungen an und Projektionen auf Familie mitklingen. Mit Mohnsamen hat sie der Architektur der Räumlichkeiten von Haverkampf Leistenschneider ein Fenster hinzugedichtet, “Die Zärtlichkeit des Täglichen” ist in Gestalt gesammelter Seifenreste fixiert. Sobald Besucher:innen Müllers Ausstellung “Der Anfang steht schon fest” betreten, sind sie zunächt auf sich selbst zurückgeworfen. Aus diversen kleinen Spiegeln blicken sie sich im Eingangsbereich entgegen, ehe sie in den weiteren Räumen auch der Biografie der Künstlerin nachspüren können.
WANN: Die Ausstellung “Der Anfang steht schon fest” von Alex Müller eröffnet am Freitag, den 6. September, von 18 bis 20 Uhr. Sie läuft bis zum 19. Oktober.
WO: Haverkampf Leistenschneider, Mommsenstraße 67, 10629 Berlin.
Barbara Thumm: Elyla
Die umstrittene Praxis des Hahnenkampfs bildet den Ausgangspunkt für die Arbeit von Elya. Verbreitet in Nicaragua und Indonesien stellt die Tradition eine kulturelle Verbindung quer über den Pazifik dar. Mit den Arbeiten in der Ausstellung “ya-bunanma-m-a-ta-ta: WHAT I SEE WHEN I DREAM” bei Barbara Thumm untersucht Elya Schnittstellen von Performance, Ritualen und Queerness und begibt sich damit auf die Suche nach einem Weg für grenzüberschreitende antikoloniale queere Solidarität.
WANN: Die Ausstellung “ya-bunanma-m-a-ta-ta: WHAT I SEE WHEN I DREAM” von Elyla eröffnet am Freitag, den 6. September, von 18 bis 21 Uhr. Sie läuft bis zum 2. November.
WO: Barbara Thumm, Markgrafenstraße 68, 10969 Berlin.