Mach Sitz!
Roman Selim Khereddine im Helmhaus Zürich

30. Mai 2024 • Text von

Unter dem Titel “Beiss die Hand” zeigt das Helmhaus Zürich eine Ausstellung von Roman Selim Khereddine. Präsentiert werden drei Videoarbeiten, die Gehorsamkeitsübungen eines Stadtzürcher Polizeihundes wiedergeben. Der Künstler filmte Hund und Hundeführer in den leeren Ausstellungsräumen des Helmhaus. Die zugleich für diesen Ort entstandenen und hier gezeigten Arbeiten laden ein zur Reflexion über hierarchische Beziehungen zwischen Mensch und Tier.

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Roman Selim Khereddine, Beiss die Hand, 2024, Ausstellungsansicht, Foto: Zoe Tempest

In den von oben bis unten weiß gestrichenen Räumen des Helmhaus Zürich zeigt Roman Selim Khereddine drei Videoloops. Darin zu sehen ist ein Polizist im Umgang mit seinem Diensthund. Khereddines Kamera erfasst den Hund, einen belgischen Schäferhund, auf Augenhöhe. Er zeigt sein braunes Fell, seine gespitzten Ohren und den aufmerksamen Blick, der stets auf sein Herrchen gerichtet ist. Immer wieder leckt die Zunge des Hundes über seine scharfen Zähne. Vom Polizisten hingegen ist nur der untere Teil des Körpers zu sehen – die dunkle Uniform, seine Hände und eine verzerrte Stimme.

Beide Körper sind als dienstausführende Angehörige der Polizei markiert. Der Polizist, beziehungsweise Hundeführer, trägt eine blaue Uniform mit Pistole und Schlagstock am Gürtel. Der Schäferhund trägt ein blaues Polizeihalsband. Die Akteure vermitteln ein hierarchische Konstellation: Der Polizist ist ein ausführendes Organ der Staatsmacht, der Hund ein ausführendes Organ der Anweisungen des Polizisten. In Khereddines Aufnahme werden beide zum Motiv seiner künstlerischen Arbeit.

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Roman Selim Khereddine, Beiss die Hand, 2024, Ausstellungsansicht, Foto: Zoe Tempest

Dem polizeilichen Diensthund kommen üblicherweise die Aufgaben eines Schutz- und Spürhundes zu. Ihm werden das Aufspüren von Gegenständen und Personen, das gezielte Verfolgung und Festhalten von Personen und Gehorsamsübungen beigebracht. Während der intensiven Ausbildungszeit, die bis zu drei Jahre dauern kann, wird der Diensthund ein enger Begleiter seines Hundeführers. Beide stimmen sich aufeinander ab.

Die Aufnahmen zeigen Gehorsamkeitsübungen, die dieses Verhältnis wiederspiegeln. Die Rezipierenden der Arbeit hören die schweren Schritte des Polizisten und seine verzerrt wiedergegebenen Anweisungen an den Hund wie “Sitz!” und “Bei Fuss!”. Der Hund reagiert sofort und folgt aufs Wort sowie auf die Bewegungen des Hundeführers. Er läuft im Gleichschritt an seiner Seite, legt sich hin, sobald er kniet. Teilweise läuft der Hund zwischen den uniformierten Beinen des Hundeführers und wirkt dabei wie eine Erweiterung des menschlichen Körpers. Das rein hierarchische Verhältnis zwischen Mensch und Tier scheint in diesen Momenten aufgehoben. Aspekte der gegenseitigen Loyalität als Teil der Dominanzbeziehung werden deutlich.

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Roman Selim Khereddine, Beiss die Hand, 2024, Ausstellungsansicht, Foto: Zoe Tempest

Dabei interessiert Khereddine nicht nur das Motiv der Unterwerfung, Dominanz und Kontrolle, sondern auch die gegenseitige Bezugnahme der Akteure. Ich stelle „immer wieder das Tier dar, wobei ich unweigerlich auch den Menschen konfiguriere,“ beschreibt der Künstler seinen Schaffensprozess.

Der Titel der Ausstellung “Beiss die Hand” vermittelt Bedrohung, Aggression und das gefährliche Potential des Schäferhundes. Der Titel lässt eine Anweisung des Polizisten assoziieren, die an einen Angreifer gerichtet zu sein scheint und den Hund zur kontrollierbaren Waffe macht. Im Video kommt diese Anweisung jedoch nicht vor. Der Hund bellt nicht einmal, zeigt rein kontrolliertes Verhalten. Gezeigt werden zwei dressierte Körper, die vollkommen in ihren Rollen aufzugehen scheinen.

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Roman Selim Khereddine, Beiss die Hand, 2024, Ausstellungsansicht, Foto: Zoe Tempest

Besondere körperliche Präsenz erlangen die Gezeigten nicht nur durch die Uniformierung und die Projektion in Übergröße, sondern auch durch das Tempo ihrer Bewegungen. Khereddine verlangsamt die Aufnahmen und fokussiert damit die Interaktion der Körper und damit einhergehende Spannungsmomente.

Zudem stellt Khereddine das Gemachtsein der Arbeiten mit aus. Der Künstler hat in den leeren Ausstellungsräumen des Helmhaus gefilmt. Es sind dieselben Räume, in denen die entstandenen Videoarbeiten gezeigt werden. Durch die Präsentation von Elementen wie einer Reihe von weißen Heizungskörpern des Ausstellungsraums im Video, vermittelt sich dies den Rezipierenden schnell. Zudem ist in einigen Videosequenzen der Körper des Künstlers zu sehen. Im Gegensatz zu den Uniformierten erscheint er in Jogginghose und Turnschuhen und zeigt sich selbst während des Filmvorgangs. Auch das Kamerastativ und die dazugehörigen Bodenmarkierungen sind sichtbar. Auf diese Weise unterstreicht Khereddine die Künstlichkeit der Aufnahmen und der darin gezeigten Relationen.

WANN: Die Ausstellung “Beiss die Hand” ist noch zu sehen bis Sonntag, den 16. Juni 2024.
WO: Helmhaus, Limmatquai 31, 8001 Zürich.

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