Wilde Mischung
Kunst in der ehemaligen Rischart-Backstube

28. März 2025 • Text von

Bis vor wenigen Wochen wurden hier täglich tausende Backwaren zubereitet, nun ist der Boden der ehemaligen Backstube mit Erde aufgeschüttet, in den Kühlräumen wohnen Mischwesen und im Chefbüro entsteht eine überdimensionale Hand aus Holz. Anlässlich des 16. RischArt Projekt “Mischen” haben acht Künstler*innen ortsspezifische Arbeiten in der alten Firmenzentrale der Bäckerei Rischart konzepiert.

Hans Schabus, Schwerkraft der Verhältnisse, 2025, ©VG Bild Kunst Bonn, 2025, Foto Jochen Splett, 16. RischArt Projekt ...MISCHEN 3597
16. RischArt_Projekt …MISCHEN, Hans Schabus, Schwerkraft der Verhältnisse, 2025, © VG Bild-Kunst Bonn, 2025, Foto: Jochen Splett.

Dort, wo früher Backwaren zubereitet wurden, ist nun Kunst zu sehen. In den Räumlichkeiten der ehemaligen Rischart-Backstube im Gärternplatzviertel, wurde das Kunstförderprogramm des Münchner Familienbetriebs im Jahr 1983 mit der Vergabe des ersten RischArt-Preises gestartet. Den Aus- und Einzug der Bäckerei in neue Räumlichkeiten hat die Kuratorin Katharina Keller genutzt, um die Künstler*innen Gabi Blum, Veronika Günther, Tina Haase, Claudia Holzinger, Rosa Luckow, Beate Passow, Pegasus Product und Hans Schabus einzuladen. Entstanden sind acht individuelle, ortsspezifische Annäherungen an die Architektur und die Geschichte der nun leerstehenden Backstube für das 16. RischArt-Projekt “Mischen”.

Rosa Luckow, January can never be June, 2025, Foto Jochen Splett, 16. RischArt Projekt ...MISCHEN 8263
16. RischArt_Projekt …MISCHEN, Rosa Luckow, January can never be June, 2025, Foto: Jochen Splett.

Die Erde unter den Füßen ist weich, sie gibt leicht nach und lässt Besucher*innen in ihren Überschuhen wie über Wolken laufen. Der gesamte Boden der gläsernen Backstube ist mit einer dicken Schicht Mutterboden bedeckt, eine wichtige Nährstoffquelle in der Landwirtschaft. Hans Schabus hat im größten Raum der ehemaligen Rischart-Backstube die raumgreifende Installation “Schwerkraft der Verhältnisse” kreiert. Zusätzlich zu der dicken Schicht Erde hat Schabus die großen Industrieleuchten des Bäckereibetriebs auf die durchschnittliche Augenhöhe von Arbeitenden in Deutschland abgesenkt. Um einen Zusammenstoß zu vermeiden, müssen Besuchende vorsichtig über die weite, weiche Fläche navigieren – Schabus bricht mit gewohnten architektonischen Wahrnehmungsmustern und kreiert neue Blickwinkel.

Hans Schabus, Schwerkraft der Verhältnisse, 2025, ©VG Bild Kunst Bonn, 2025, Foto Jochen Splett, 16. RischArt Projekt ...MISCHEN 3605
16. RischArt_Projekt …MISCHEN, Hans Schabus, Schwerkraft der Verhältnisse, 2025 © VG Bild-Kunst Bonn, 2025, Foto: Jochen Splett.

Der Bäckereibetrieb erscheint in der Ausstellung immer noch präsent. Auch wenn die Mitarbeitenden der ehemaligen Backstube abwesend sind, ist die Geräuschkulisse ihres Knetens, Rührens und Rollens akustisch erfahrbar. Rosa Luckow dokumentierte und archivierte die auditiven Eindrücke der handwerklich-mechanischen Abläufe für ihre Soundinstallation “January can never be June”. Statt Backwaren produzieren Gernot Seeliger, Dargelos Kersten und Anton Peitersen vom Kollektiv Pegasus Product für die Dauer der Ausstellung Abgüsse von linken Füßen. Die einzelnen Gipsfüße können anschließend für verschiedene Rituale verwendet und erworben werden. 

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16. RischArt_Projekt …MISCHEN, Pegasus Product, Wie geht´s? (Detail), 2025, Foto: Jochen Splett.

Gabi Blum setzt ihren Fokus ebenfalls auf die Arbeit, genauer gesagt, die Handarbeit – oder besser gesagt eine deligierende Hand? Eine überdimensionale hölzerne Hand fühlt die Räumlichkeiten des ehemaligen Chefbüros. Es handelt sich um die Hand der Münchner Bavaria-Statue, die Blum im Prozess inszeniert. Das, was am Ende eines Arbeitstages in der Bäckerei normalerweise entsorgt wird, rückt Tina Haase mit Hilfe eines 3D-Drucks in den Fokus: den übrigen Teigbatzen. Hinterleuchtet und in Kunststoff gedruckt bringt sie die ästhetische Form des Abfallproduktes zum Vorschein.

Gabi Blum, Die Hand der Bavaria, 2025, Foto Jochen Splett, ©VG Bild Kunst Bonn, 2025, 16. RischArt Projekt ...MISCHEN 3686
16. RischArt_Projekt …MISCHEN, Gabi Blum, Die Hand der Bavaria, 2025, Foto: Jochen Splett © VG Bild-Kunst Bonn, 2025.

Claudia Holzinger setzt sich im Ausstellungsraum selbst in Szene, immer wieder neu. Ihre Werkserie “Seepferdchen mit Schürze” – bestehend aus zahlreichen Fotoarbeiten – ist in den verschiedenen Kühlräumen der Backstube verteilt. Holzinger macht sich selbst zum Bildträger, indem sie sich als Brezel, als Kaktus oder als Regal bemalt und kostümiert. Es entstehen humoristische Mischwesen aus Mensch und Objekt, geprägt von einer organischen Dinghaftigkeit.

Claudia Holzinger, Seepferdchen mit Schürze, Rischart Backwaren, , 2025,  Foto Jochen Splett
16. RischArt_Projekt …MISCHEN, Claudia Holzinger, Seepferdchen mit Schürze, Rischart Backwaren: Bague9e, Breze, Munich, Cheesecake Schni9e, Blütenbrot, 2025, Mit Hannaneh Heydari, Foto: Jochen Splett.

Veronika Günthers großformatige, dynamische Zeichnungen der Werkserie “Desolation Row” sind im Innen- und Außenraum zu sehen. Die Künstlerin hält Menschen, Tiere, popkulturelle Elemente und Verweise auf historische Ereignisse mit wenigen Strichen fest. Beate Passow verbindet in ihrer Installation “Submarin‘s Dream” die Vergangenheit und Zukunft von Rischart’s Backhaus. Die ehemalige Cafeteria hat sie in ein tiefes Gelb getaucht, bis in die letzte Ecke. Eine gewebte Tapisserie zeigt fotografische Aufnahmen des Neubaus der Bäckerei.

Veronika Günther, Desolation Row, 2024, Installation von Zeichnungen (Detail), Foto Jochen Splett, 16. RischArt Projekt ...MISCHEN 3711
16. RischArt_Projekt …MISCHEN, Veronika Günther, Desolation Row, 2024, Installation von Zeichnungen (Detail), Foto: Jochen Splett.

Die gläsernen Räumlichkeiten in der Buttermelcherstraße 16 werden erneut zum Ort der Produktion und die individuellen künstlerischen Ansätze mischen sich in der ehemaligen Backstube der Rischart-Bäckerei zu einer abwechslungsreichen Gruppenausstellung zusammen. Die jahrzehntelange Arbeit der Bäcker*innen und Konditor*innen spiegelt sich in der humoristischen, experimentellen und forschenden Praxis von Gabi Blum, Veronika Günther, Tina Haase, Claudia Holzinger, Rosa Luckow, Beate Passow, Pegasus Product und Hans Schabus wider.

WANN: Das 16. RischArt Projekt “Mischen” ist noch bis Mittwoch, den 16. April, zu sehen. 
WO: Gläserne Backstube, Buttermelcherstraße 16, Rückgebäude, 80469 München.

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