Riots not Diets
Blooming Signals im Kunstraum

9. März 2018 • Text von

Transformation, Aneignung und Übersetzung. Unter dem Titel “Blooming Signals” werden im Kunstraum München Positionen zeitgenössischer Kunst präsentiert, die den Prozess der Kommunikation aus unterschiedlichen Perspektiven untersuchen.

BLOOMING SIGNALS, Kunstraum München, Installationsansicht.

Leiser Vogelgesang schallt durch das Erdgeschoss des Kunstraums in der Holzstraße. Melodisches Zwitschern erfüllt den Raum und weckt Assoziationen an Wälder und Parks, eine gesunde Umwelt. Doch die Töne sind nicht die sehnsüchtigen Balzrufe seltener Vogelarten, sie entstammen der Soundkarte eines “Commodore Amiga 2000” Computers aus den späten 1980er Jahren. Monica Studer und Christoph van den Berg widmen sich seit den 1990er Jahren als “Studer / van den Berg” den sich verändernden Bedingungen von visuellen und auditiven Wahrnehmungen, an den Überschneidungen von Digital und Analog. Für ihre Klanginstallation “Stranger (1999)” nutzen sie die Rechenleistung des Computers, um in Echtzeit aus einzelnen Tönen laufend zufällige Konstellationen zu generieren. Der vermeintliche Vogelgesang ist keine Aufnahme, die Töne sind das Produkt von Algorithmen und somit gänzlich künstlich, werden vom Zuhörer jedoch als natürlich wahrgenommen. Der “fremde” Vogel singt in seiner eigenen Sprache. Bei einer Ausstellung in einem Hotel in der Schweiz stand der Rechner neben einem offenen Fenster und zog mit seinen Klängen echte Vögel an, die mit ihm interagierten und dessen digitale Töne übernahmen.

BLOOMING SIGNALS, Kunstraum München, Installationsansicht.

Sprache, Kommunikation und Verständnis sind mehrschichtige Prozesse, zwischen Sender und Empfänger gehen Botschaften verloren oder verändern sich. Wir leben in einer Welt, die von Zeichen, Bildern und Codes dominiert ist, oft verändert der Kontext Inhalte und Pfade der transportierten Informationen. Dennoch schaffen wir uns anhand von Zeichensystemen unsere Wahrnehmung der Welt, mittels Codes setzten wir uns zueinander in Beziehung. Für die Ausstellung “Blooming Signals” haben Franziska Linhardt und Benedikt Seerieder fünf internationale Positionen zeitgenössischer Kunst versammelt, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven diesem Themenkomplex nähern, Paradoxien erörtern und das durchaus poetische Potential von Transformation, (Miss-)Verständnis und Relationalität ausschöpfen.

James Gregory Atkinson: The Artifice of Anarchy, 2017, Kunstraum München.

“BE DIFFERENT!” schreit einen das blutrote Protestschild geradezu an. Sei anders! Wie alle anderen eben auch. James Gregory Atkinson hat für seine Installation “The Artifice of Anarchy (2017)” provisorische Demonstrationsschilder im Kunstraum drapiert, auf denen illustrative Forderungen zu lesen sind, deren politische Anliegen zwischen Slogans des Feminismus und Pazifismus verortet werden können. Ursprünglich waren diese Slogans und Motive Teil der Präsentation der Spring-Summer Collection 2015 von Chanel. Der Designer Karl Lagerfeld stattete seine Models mit den Protestschildern aus, der Laufsteg wurde als Demonstrationszug inszeniert. Die global agierende Modemarke eignete sich die Inhalte und Ästhetik einer progressiven Protestbewegung an und nutze diese, nur leicht gebrochen, für die Inszenierung und Erweiterung ihrer eigenen Identität und Authentizität. Aus der Sphäre des kritisch Politischen in die Sphäre des kommerziell Affirmativen versetzt, wurden diese Botschaften ihrer eigentlichen Intention beraubt und instrumentalisiert. James Gregory Atkinson eigent sich nun, in einem weiteren Schritt der Re-Kontextualisierung, diese Botschaften an und positioniert sie im Kontext der bildenden Kunst. Zwischen Kunst, Politik, Konsum entfalten diese Slogans nun ein Eigenleben, das weit über die ursprüngliche Aussage hinaus reicht.

Aykan Safoğlu: Letters (Aykan & Joe), 2017, Kunstraum München.

Zwischen den Sphären bewegt sich auch Aykan Safoğlu. Der 1984 in Istanbul geborene Künstler hinterfragt geografische, kulturelle und zeitliche Grenzen und deren Bedeutung für menschliche Interaktion. In seiner Zwei-Kanal-Videoinstallation “Letters (Aykan & Joe) (2017)” folgt die Kamera dem handschriftlichen Dialog zweier Liebender. Zunächst in der gemeinsamen Fremdsprache Englisch, dann in ihren jeweiligen Muttersprachen Arabisch und Türkisch thematisieren die beiden Schreibenden kommunikative Unschärfen, die Besonderheiten ihrer jeweiligen Sprache und die Möglichkeiten des schriftlichen Ausdrucks von Zuneigung. Dir unterschiedlichen Sprachen fungieren hier nicht nur als Grenzen, sie erweisen sich als poetische Möglichkeitsräume.

Noch bis zum 11. März sind die Arbeiten von James Gregory Atkinson, Natalie Czech, Sarah Lehnerer, Aykan Safoğlu und Monica Studer / Christoph van den Berg im Kunstraum zu sehen. Am letzten Tag der Ausstellung findet ab 16 Uhr ein Gespräch mit Aykan Safoğlu statt.

WANN: Noch zu sehen bis zum 11. März, am letzen Tag ab 16 Uhr wird es ein Gespräch mit Aykan Safoğlu geben.
WO: Kunstraum München, Holzstraße 10, 80469 München.

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