Erweiterung des physischen Besuchs
Das artspring Festival 2020 geht online

8. Juni 2020 • Text von

Das Kunstfestival artspring wurde in diesem Jahr genau wie alle weiteren kulturellen Veranstaltungen vor kaum vorhersehbare Herausforderungen gestellt. Doch anstatt sich dem Shutdown in Gänze zu ergeben, feierte man die Diversität an kulturellen Angeboten, die die Pankower Kunstszene zu bieten hat, einfach online.

Jan Gottschalk im Gespräch mit einem Besucher

artspring 2020, Offene Ateliers, Atelier Jan Gottschalk, Copyright Ralph Bergel.

Es war ein Festival der anderen Art. Physisch weiter weg und trotzdem näher. Vielleicht weniger intim, dafür genauso intensiv erlebbar. Zumindest gelang es den VeranstalterInnen von artspring, dieses vielfältig und informativ im digitalen Raum stattfinden zu lassen. „Wir werden artspring nicht absagen und nicht vertagen“, teilten die OrganisatorInnen Anfang Mai zum Auftakt des Festivals mit. „Wenn Sie nicht zu den KünstlerInnen kommen dürfen, kommen die Nachrichten der KünstlerInnen zu Ihnen!“. Es war eine Herausforderung, aber so entschied man sich

den essentiellen Austausch zwischen den Kulturschaffenden und BesucherInnen in Form von Videos, Audios und Livestreams als Online-Festival zum Besten zu geben. Gerade in der wirtschaftlich schwierigen Situation, in welche die Pandemie eine Großzahl der KünsterInnen gestürzt hat, war es eine umso wertvollere Entscheidung den TeilhaberInnen eine Stimme, eine Präsenz und somit Gehör in Form von Ateliervideos zu geben.

artspring Organisatorin Julia Brodauf im Atelier eines Künstlers

artspring 2020, Offene Ateliers, Julia Brodauf im Atelier von Berthold Bock, Copyright Ralph Bergel.

Ein Online-Festival ist unbestreitbar eine andere Erfahrung. Die mediale Bilderflut, die im Alltag überfordernd sein kann, gab hier allerdings die Möglichkeit sich entspannt, ohne lange Wege zurücklegen zu müssen, eine Bandbreite an Performances sowie eine Vielzahl an Werken von KünstlerInnen wie Inken Reinert, Andrea Engelmann, Jan Gottschalk, Manfred Bonewitz oder Felix Schulz virtuell an einem Abend anzusehen. So war es möglich, nacheinander dem preisgekrönten Autor David Wagner bei einem literarischen Streifzug durch den Prenzlauer Berg zu folgen, die Künstlerin Patricia Lambertus bei der Vorstellung ihrer Ausstellung „home sweet home“ in der Galerie Hübner+Hübner in Frankfurt am Main zu begleiten oder in den leicht schwindelerregenden Aufnahmen das Atelier der Künstlerin Monika Jareckas in Weißensee zu besuchen.

Schaufenstergestaltung Heinrich Böll Bibliothek

Schaufenstergestaltung von Carlos Silva, Heinrich Böll Bilbiothek, Copyright Ralph Bergel.

Auch überraschten manche Auftritte durch Folgen des nicht vorhersehbaren Shutdowns. So entstand in der dritten Etage einer ehemaligen Möbelfabrik während der Pandemie ein Pop-up-Atelier. Auf sympathische Weise führt der aus Peking stammende Künstler Qian Geng, der gemeinsam mit dem Noise-Saxophonisten Wang Ziheng auf Einladung von „Agency &“ in Deutschland verweilte, durch sein, den gesamten Raum einnehmendes, Kunstwerk „Calligraphy of the Law of Circulation“. Es ist eine Arbeit, die wohl erst durch die Einbeziehung des Raumes richtig wahrnehmbar wird, wenn man selber, eben „offline“ mittendrin steht.

Künstler Felix Schulze vor Gemälde

artspring 2020, Atelier Felix Schulze, Copyright Ralph Bergel.

Auch der Maler Felix Schulze, der zum zweiten Mal bei artspring dabei ist, sieht eine Differenz zwischen einer Online- oder Offline-Betrachtung seiner Werke. Schulzes abstrakt expressionistische Malereien begeistern durch farbintensive Kompositionen und eine ausdrucksstarke Bildsprache. „Es macht gerade bei abstrakten Werken einen deutlichen Unterschied, ob man vor dem Bildschirm sitzt oder das Kunstwerk gut ausgeleuchtet, live von allen Winkeln aus betrachten kann. Nur offline kann man die Intensität der Farben, den Glanzgrad der verschiedenen Farbarten, sowie die Tiefe und Struktur richtig wahrnehmen“, äußert sich der Künstler gegenüber gallerytalk.

Künstlerin Andrea Engelmann zeigt ihre Zeichnungen.

artspring 2020, Atelier Andrea Engelmann, Copyright Ralph Bergel.

Es ist der physische, reale Eindruck, der einen Dialog mit der Kunst spannend und interessant werden lässt. So war es für das abschließende Finale des artspring Festivals doch ein großes Plus, dass das Wochenende der Offenen Ateliers wie geplant – mit den nötigen Abstandsregeln stattfinden konnte. Diese Meinung vertreten auch die beiden teilnehmenden Künstlerinnen Andrea Engelmann und Inken Reinert. Engelmann, deren Malereien in teilweiser Twombly-Ästhetik beeindrucken, erfährt durchaus Inspiration für ihr Schaffen im Austausch mit den Besuchern. Im Gespräch erfahre sie durch Zustimmung oder Kritik andere Sichtweisen auf ihre Kunst. Oft gehen davon Impulse für ihre weiteren Arbeiten aus. Die multidisziplinär mit Keramik, Papier bis Installation arbeitende Künstlerin Inken Reinert sieht in den Offenen Ateliers eine weitere bedeutende Komponente: „Die teilhabenden KünstlerInnen sollen sichtbar gemacht werden in einer Zeit, da Atelierhäuser bedroht sind und es für freiberuflich Arbeitende durch hohe Mieten und schlecht bezahlte Jobs immer schwerer wird, sich im Bezirk zu halten.“

Künstlerin Innen Reinert an ihrem Laptop.

artspring 2020, Making off artspring digital, Atelier Inken Reinert, Copyright Ralph Bergel.

Das ist gerade nach der Pandemie von wesentlicher Bedeutung und gelingt dem Festival nunmehr seit drei Jahren. Corona stellte die VeranstalterInnen vor Herausforderungen, die überwiegend gut gemeistert wurden und bewiesen, dass es selbst in kaum vorstellbaren Situationen mit heutigen Mitteln Möglichkeiten gibt, Kulturschaffenden eine Stimme zu geben. Und wer hätte gedacht, dass das Wochenende der Offenen Ateliers am Ende doch „offline“ mit einem vielversprechenden Finale gefeiert werden konnte.

Flyer artspring

artspring 2020, Copyright Ralph Bergel.

In freundlicher Zusammenarbeit mit artspring berlin. 

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