7 große Werkschauen für den Sommer Einzelne Künstler:innen im Fokus
4. Juni 2025 • Text von Anna Meinecke
Einmal ganz tief eintauchen in das Werk einzelner Künstler:innen. Arbeiten aus allen Schaffensphasen sehen, sie in der Kunstgeschichte verorten. All das geht am besten beim Besuch von Retrospektiven und umfassenden Werkschauen – und mit etwas Zeit. Diese Ausstellungen sind es wert, dass ihr euch die auch nehmt.

Neue Nationalgalerie: Lygia Clark
Kunst als sinnliche Erfahrung, subjektiv und körperlich – so legte der brasilianische Neokonkretismus den Kunstbegriff neu aus. Lygia Clark, eine Hauptvertreterin der Bewegung, wies Betrachter:innen ihrer faltbaren Metallskulpturen an, diesen eine neue Form zu geben. In der Neuen Nationalgalerie in Berlin können Besucher:innen an Repliken der partizipatorischen Beziehung von Künstlerin, Betrachter:in und Objekt nachspüren. Die Ausstellung “Lygia Clark. Retrospektive” umfasst selbstverständlich auch Originale, neben den geometrischen Gebilden außerdem abstrakte Gemälde und Performances. Sie präsentiert einen Überblick über Clarks Schaffen von den späten 40er- bis in die 80er-Jahre.
WANN: Die Ausstellung “Lygia Clark. Retrospektive” läuft bis zum 12. Oktober.
WO: Neue Nationalgalerie, Potsdamer Straße 50, 10785 Berlin.

Lenbachhaus: Auguste Herbin
Auguste Herbin startete als Impressionist, entdeckte wilde Farben für sich, lebte in umittelbarer Nachbarschaft zu Pablo Picasso und an verschiedenen Orten in Westeuropa und veränderte dort immer wieder seine Bildsprache. Er landete bei abstrakter Malerei und in Paris, wurde in seinen letzten Lebensjahren Vorbild für Vertreter:innen der konkreten und kinetischen Kunst sowie der Op-Art. Die Ausstellung “Auguste Herbin” im Münchner Museum Lenbachhaus vollzieht die wichtigsten Stationen seines Lebens nach.
Herbin erscheint als politische Person – einer, der während des ersten Weltkriegs Tarnmuster für Flugzeuge entwarf, zeitweilig Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs wurde, sich in Vereinigungen wie der Abstraction-Création engagierte – und als Farbtheoretiker: Nachdem Herbin sich mit anthroposophischen Adaptionen von Goethes Farbenlehre befasst hatte, entwickelte er sein “alphabet plastique”. Wenn jedem Buchstaben geometrische Formen in festgelegten Farbtönen zugeordnet sind, lässt sich ein abstraktes Bild dann dekodieren?
WANN: Die Ausstellung “Auguste Herbin” läuft bis zum 19. Oktober.
WO: Lenbachhaus, Luisenstraße 33, 80333 München.

Bozar: Berlinde De Bruyckere
Wer während der Venedig-Biennale im vergangenen Jahr die Fähre zur Insel San Giorgio Maggiore genommen hat, wird sich erinnern an die verhüllten Wesen, deren Wachsfüße dort in der Basilika unter schweren Felllappen hervorlugten. Einer der Erzengel ist nun im Brüsseler Museum Bozar zu sehen. Die Ausstellung “Khorós” der belgischen Künstlerin Berlinde De Bruyckere vereint Arbeiten aus 25 Schaffensjahren. Es ist keine klassische Retrospektive. Im Dialog mit Werken von Lucas Cranach oder Pier Paolo Pasolini eröffnet sich der Blick auf ein Œuvre, inspiriert von christlicher Ikonografie, klassischer Mythologie und Alten Meistern, in dessen Zentrum die Fragilität des Menschseins steht.
WANN: Die Ausstellung “Khorós” von Berlinde De Bruyckere läuft bis zum 31. August.
WO: Bozar, Rue Ravenstein 23, 1000 Brüssel.

Albertinum: Wolfgang Tillmans
Ein Sonnenaufgang von 1995, das Dusch-Foto von Frank Ocean aus dem Jahr 2015 – weltberühmt als Coverbild von dessen Album “Blonde”, abstrakte Arbeiten der “Freischwimmer”-Serie, die erst vor einigen Monaten entstanden sind. Wolfgang Tillmans‘ Ausstellung “Weltraum” im Dresdner Albertinum präsentiert einen Querschnitt seines Schaffens. Auch diese Schau ist streng gesehen keine Retrospektive. So frei hätte er im Rahmen einer solchen keine Kompositionen an die Wand bringen können, sagte der Künstler der Rundfunkanstalt MDR. Und: “Da ist ein Zauber drin.”
WANN: Die Ausstellung “Weltraum” von Wolfgang Tillmans läuft bis Sonntag, den 29. Juni.
WO: Albertinum, Tzschirnerplatz 2, 01067 Dresden.

Museum Folkwang & Staatliche Kunstsammlungen Dresden: William Kentridge
Alles Gute zum runden Geburtstag, William Kentridge – also nachträglich, denn der 70. Geburtstag war im April. Den haben das Essener Museum Folkwang und die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zum Anlass genommen, gemeinsam eine Doppelausstellung zu organisieren. Unter dem Titel “Listen to the Echo” steht in Essen Kentridges künstlerische Entwicklung von den 1970er-Jahren bis heute im Fokus. Anhand der Arbeiten wird besonders Kentriges Auseinandersetzung mit der Geschichte seines Heimatlands Südafrika, mit Kolonialismus, Machstrukturen und der Rolle des Individuums innerhalb einer Gesellschaft offenbar.
In Dresden eröffnen drei ganz unterschiedliche Ausstellungen an drei verschiedenen Orten Perspektiven auf sein Schaffen. Prozessionen als Metapher menschlicher Gemeinschaft dienen als Klammer für die Schauen im Kupferstich-Kabinett im Residenzschloss, im Albertinum und in der Puppentheatersammlung im Kraftwerk Mitte – letztere kuratiert das von Kentridge in Johannesburg gegründete Centre for the Less Good Idea.
WANN: Die Ausstellung “Listen to the Echo” von William Kentridge eröffnet am 4. September in Essen und am 6. September in Dresden. Sie läuft bis zum 18. Januar.
WO: Museum Folkwang, Museumsplatz 1, 45128 Essen, sowie an mehreren Orten der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden – im Kupferstich-Kabinett, im Albertinum und in der Puppentheatersammlung.

Städel: Annegret Soltau
An Frauenporträts hat sich Annegret Soltau mit Nadel und Faden zu schaffen gemacht. Sie hat sie zerschnitten und neu zusammengenäht. Die fragmentierten Gesichter sind vielleicht ihre bekanntesten Arbeiten. Die Retrospektive “Unzensiert” im Frankfurter Städel Museum zeigt sie neben feinen Zeichnungen aus den frühen 70er-Jahren, die Soltaus Entwicklung zu einer wichtigen Vertreterin feministischer Kunst in Deutschland allenfalls erahnen lassen. Mit Fotografie, vor allem Fotoveränderung, Video und Performance verhandelt Soltau komplexe Gefühlswelten im Spannungswelt von Körper und Identität.
WANN: Die Ausstellung “Unzensiert. Annegret Soltau – Eine Retrospektive” läuft bis zum 17. August.
WO: Städel Museum, Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt am Main.

Kunsthaus Zürich: Suzanne Duchamp
Die Frau von ist in diesem Fall eine Schwester: Suzanne Duchamp, verwandt mit dem Mann mit dem Pissoir – nur eben nicht ansatzweise so bekannt. Das Kunsthaus Zürich hat nachgebessert und widmet Suzanne Duchamp eine Retrospektive, die ihrem facettenreichen Schaffen gerecht werden will. So vollzieht die Ausstellung Duchamps künstlerische Entwicklung nach – hin zur abstrakten Malerei, über Dada und schließlich doch wieder zu figurativen Darstellungen.
WANN: Die Ausstellung “Suzanne Duchamp” läuft bis zum 7. September.
WO: Kunsthaus Zürich, Heimplatz 1/5, 8001 Zürich.
In freundlicher Zusammenarbeit mit dem Lenbachhaus.