Reine Gefühlssache
Das STATE Festival macht Emotionen greifbar

10. November 2016 • Text von

Sie gehören zu uns und doch verstehen wir sie kaum: Emotionen. Genau um diesen nebulösen Teil des menschlichen Wesens kreiste das diesjährigen STATE Festival, bei dem KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen untereinander und mit dem Publikum auf Tuchfühlung gingen.

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STATE Festival 2016. Foto: Alena Großberndt.

Samstagnachmittag, der Himmel eine kieselgraue Masse, es nieselt leicht. Die äußeren Umstände führen nicht gerade Endorphinausschüttungen herbei. Vor dem Kühlhaus nahe des U-Bahnhofes Gleisdreieck hat sich ein kleiner Teppich aus schwarzen Regenschirmen gebildet, die Menschen darunter sind kaum zu sehen. Es wird geraucht und geredet, über das miese Wetter, die amerikanische Präsidentenwahl und: Emotionen. Genau darum drehte sich vergangenes Wochenende nämlich alles. Das Thema des STATE Festivals, das nach seiner Premiere 2014 nun endlich in einer neuen Location in die zweite Runde ging, lautete „The Sentimental Machine“. Wie schon zwei Jahren zuvor galt es auch dieses Mal wieder Kunst und Wissenschaft unter einem Dach zu vereinen und den regen Austausch zwischen den beiden, oft als so unterschiedlich wahrgenommenen, Disziplinen zu fördern. Deshalb wunderte es auch nicht, dass sich unter die vielen Bart- und Sneakersträger, auch Professoren, Eltern mit ihren Kindern und der ein oder andere Hund mischten. Die vor der Tür feilgebotenen Burritos jedenfalls schienen allen gleich gut zu schmecken.

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STATE Festival 2016. Foto: Alena Großberndt.

Den menschlichen Emotionsapparat in seiner Komplexität zu durchleuchten ist eine Aufgabe, die WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen gleichermaßen fasziniert. Mithilfe neuster Technologien können Gefühle nicht nur stimuliert, sondern auch beherrscht oder gar artifiziell erzeugt werden. Psychologen- und Jobgespräche werden teilweise nicht mehr von Mensch zu Mensch, sondern längst von Mensch zu Maschine geführt. Um diese aktuellen Errungenschaften einem breiten Publikum zugänglich zu machen, wurde am Wochenende en masse getalkt, gescreent und performiert. Quasi in Endlosschleife konnte in der Speakers Lounge Vorträgen und Diskussionen renommierter WissenschaftlerInnen gelauscht werden, wobei dank der Interdisziplinarität der Beiträge ein jeder sein persönliches Interessengebiet fand. Experimentelle Psychologie, Neurowissenschaften, Künstliche Intelligenz und Molekulare Biologie waren nur einige der vertretenen Disziplinen. Und um auch den Sinnesapparat nicht zu vernachlässigen, sorgten die eingeladenen KünstlerInnen und FilmemacherInnen für entsprechende Visualisierungen.

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STATE Festival 2016. Foto: Alena Großberndt.

Kaum stiefelte man durch die schwere Metalltür ins Kühlhaus, wurde einem erstmal warm ums Herz: Überall lustige Luftballons, mal mit grinsendem, mal mit weinerlichem Gesicht. Noch vor dem ersten Rundgang durch die drei Etagen forderte die „Science Kitchen“ zur Veköstigung des „Antropocenic Sorbet“ auf, bei dem der Klimawandel auf den Magen schlug. Der amerikanische Künstler Jonathon Keats kreierte aus denselben Grundstoffen drei giftig leuchtende Tinkturen, die sich nur durch kleinste Differenzen in ihrer molekularen Zusammensetzung voneinander unterschieden. Jede der Substanzen repräsentierte einen anderen Grad der Luftverschmutzung durch Treibhausgase und diese ließ sich tatsächlich schmecken: Einmal auf das Sorbet geträufelt rief der unterschiedliche Anteil der einzelnen Moleküle die rätselhaftesten Geschmacksrichtungen hervor. Nicht minder interaktiv ging es dann in der ersten Etage zu, wo im „Smell Lab“ der passende Partner erschnüffelt werden konnte. Erst galt es in einer Aerobic Session einige Schweißtropfen herauszupressen, anschließend wurde basierend auf deren Analyse das passende „Match“ aus der Gruppe gefischt. Verkuppeln mit der Nase – sehr innovativ.

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STATE Festival 2016. Foto: Alena Großberndt.

Doch nicht nur der Spaß, sondern vor allem auch der Erkenntnisgewinn standen beim STATE Festival im Vordergrund. Entspannt am Bier nippend durfte den ganzen Tag über Vorträgen gelauscht werden, die ebenso viele Fragen aufwarfen wie beantworteten: Was ist überhaupt ein Gefühl und woher kommt es? Lassen sich Emotionen künstlich erzeugen? Und wie lassen Feminismus und Roboter zusammen bringen? Wem das zu viel der Worte war, der konnte in der dritten Etage durch eine Ausstellung mit zahlreichen künstlerischen Beiträgen wandeln. Die Künstlerin Rose-Lynn Fisher fotografierte für ihre Serie „Topography of Tears“ hunderte menschliche Tränen durch ein optisches Mikroskop und stellte diese gemeinsam mit deren Ursache aus. Hinter den subtilen, an Landschaften erinnernden Kompositionen verbargen sich unter anderem Zwiebel- und Herzschmerztränen. In der Installation „(e)motion“ des Künstlerduos Barbara Nordhjem und Jan Klug hingegen konnte der eigene Gesichtsausdruck nicht nur visualisiert, sondern auch in Klänge übersetzt werden. Bei jedem noch so kleinen Wimpernschlag träufelten subtile Geräusche in den Raum.

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Barbara Nordhjem & Jan Klug: (e) motion. Foto: Alena Großberndt.

Das Wissenschaft unf Kunst nah beieinander liegen hat das STATE Festival auch in diesem Jahr wieder auf zugängliche Art und Weise bewiesen. Wer das Kühlhaus nach dem Wochenende gelangweilt verließ, der hat jedenfalls etwas falsch gemacht. Spätestens als der Tag langsam zur Nacht und die Ausstellung zur Party überging, waren die Endorphine dann doch überall zu spüren. Wir freuen uns auf das nächste Mal.

Alle Infos zum Festival findet ihr hier.

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