Zeigt alles, was kaputt ist
Mit dem Raus Project in den Skoda

26. Februar 2021 • Text von

Das Raus Project ist eine der vielen pandemiebedingten Online-Initiativen. Allerdings macht es vieles besser als die meisten Angebote: Es nimmt euch mit nach draußen und tut nicht so, als wären die Dinge sauberer, als sie sind.

Raus Project (c) Corrina Goutos.

Die Pandemie hat uns alle verändert. Vor allem darin, wie wir plötzlich unser Zuhause, unser Selbst und unser sogenanntes Eigentum über Bildschirme und kleine Kameras präsentieren. Kaum aus dem Bett gefallen, muss man sich mit Fragen beschäftigen wie: Was ziehe ich für das Zoom-Meeting an? Welchen Hintergrund wähle ich? Und ganz wichtig: Welche Kaffeetasse passt zu Stimmung und Outfit? Manchmal gibt es diese unangenehmen kurzen Momente, in denen es an der Haustür klingelt und man aufstehen muss.

Nehme ich die Kamera mit, bekommen alle eine kurze Führung durch meine Wohnung. Sehen bei falschem Halten des Smartphones meine kleinen vermüllten Hotspots, die man sonst natürlich gekonnt bedeckt. Sehen meinen Glastisch, der seit vier Wochen einen dicken Sprung hat, weil meine Teekanne zu heiß war, meinen Schrank, der ein kaputtes Bein hat, meinen Boden, auf dem ein fetter Fleck ist, den ich nie wieder wegbekommen werde, aber den ich mit Teppich bedecke, das Stückchen Raufasertapete in meinem Wohnzimmer, das ich aus Faulheit nie komplett abgerissen hab. Ich würde gern so tun, als wären diese Unvollständigkeiten meines Lebens Kinder der Corona-Lethargie. Oder weil die Baumärkte geschlossen haben. Aber das wäre gelogen. Die Ecken, das Chaos, die kaputten Möbel waren alle vorher schon da und wahrscheinlich bleiben sie auch noch eine Weile.

Raus Project (c) Yana Zschidrich

Das Internet macht uns alle zu noch größeren Spießer*innen, Blender*innen und Lügner*innen, als wir es vorher schon waren. Dort gibt es statt flusigem Teppich, tolle Technik und Filter, um die ekligen Flecken zu bedecken. Alles sieht inzwischen gleich aus. Kennst du ein Ausstellungsvideo, kennst du alle. Die präsentierte Kunst geht unter in sauberen Kameraschnitten, kontrastreichen Bildern, klugen Kurator*innenkommentaren. Ich habe nicht nur einmal erlebt, dass mir die Fotografie eines Werkes besser gefallen hat, als das Original. Wer ist denn da am Ende Künstler*in?

Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich auf Instagram den Hinweis von Kurator und Künstler Paul Glaw zum Raus Project gesehen habe. Das Projekt wurde im März 2020 von Wolfgang Günther gegründet. Ziel war es, wie bei so vielen, die Umstände der Pandemie zu umgehen, alternative Ausstellungsmöglichkeiten zu finden. Die Ausstellungen finden draußen statt, die Arbeiten werden tatsächlich aufgebaut und dann über Instagram präsentiert. Die Ausstellungen finden in unterschiedlichen Städten wie Hamburg, Berlin, Kassel, Würzburg, Ahrensburg und Halle statt. Gezeigt wurden bereits Arbeiten von über 130 Künstler*innen . Für die Eröffnungen gibt es jeweils einen Live-Stream.

Raus Project (c) Jana Slaby

Viele Museen, Galerien, Künstler*innen haben sich seit März letzten Jahres mit der Frage beschäftigt: Wie bringe ich die Kunst sauber in den digitalen Raum und ermögliche ein waschechtes Ausstellungserlebnis. Die Antwort ist: gar nicht. Das Raus Project hat die Ausstellungsfrage cleverer gelöst als die meisten. Die Macher setzen nicht auf saubere Präsentation, sondern nutzen einfach alles, was uns so umgibt. Halbgetunte Skodas, Zelte, Gärten oder den Esstisch.

Not a Studio (c) Raus Project

Zwischendrin immer wieder Paul Glaw, der wie Snoop Dogg durch die Kunst tänzelt. Das Raus Project ist inzwischen schon bei Vol. 8 und es ist kein Ende in Sicht. Das Konzept ist so gut, dass es auch nach der Pandemie im gleichen Format genauso weitermachen kann wie jetzt gerade. Nur vielleicht mit echtem Publikum.

WANN: Jetzt gerade bis in die Zukunft.
WO: Auf Instagram bei @rausproject.

Angefixt? Quirin Brunnmeier weiß noch mehr über Off-Site-Ausstellungen zu berichten.

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