Raphaelas Triumph Raphaela Vogel im Haus der Kunst
8. März 2019 • Text von Christina Maria Ruederer
In Raphaela Vogels jüngster Ausstellung „A Woman’s Sports Car“, die als neunte in der Kapsel-Reihe im Ostflügel des Haus der Kunst gezeigt wird, vereint die Künstlerin neu produzierte Installationen mit seit 2013 entstandenen Arbeiten, zu einer sich über zwei Etagen erstreckenden Gesamtinstallation, die nicht leicht zu fassen ist.
Gleich beim Betreten des Treppenaufgangs im Haus der Kunst trifft man auf eine der zwei Arbeiten, die sich mit der Ausstellung den Titel teilen. Ein von der Decke hängender Automotor, aus dessen Auspuffrohr sich metallene und lückenhaft mit weißem Kunststoff ummantelte Arme winden. Weißer Kunststoff ist ein häufig genutztes Material der Künstlerin, das an sogenannte MR-Flüssigkeit erinnert, die auch in der Robotik zum Einsatz kommt und Motorik ermöglicht. Das Nervensystem der künstlichen Intelligenz wird sozusagen damit geformt; auch in Science-Fiction Filmen ist oft diese Flüssigkeit zu sehen und wird als das Blut der künstlichen Intelligenz betrachtet. Diese weißen Ranken wachsen zu einer Spirale empor und formen sich nach unten zu einer bedacht haltenden Geste; auf ihr ist ein Vogelkäfig positioniert. Dieser bildet das Zentrum der fragil erscheinenden Installation und trägt im Kern ein pulsierendes, flackerndes Licht sowie einen Projektor, der eine drei-minütige Videoarbeit auf die gegenüberliegende Wand projiziert. Raphaela Vogels Welten sind bestimmt von der Hybridisierung von Mensch, Maschine und Umwelt. Polyvalie entsteht, die sich auch in der nebenan am Treppengeländer angebrachten und ebenfalls aus dem vertrauten Werkstoff geformten, Arbeit „Schöpfer“ erneut wahrnehmen lässt.
Das Video der Installation selbst zeigt die Akkordeon spielende Künstlerin auf dem Grundstück einer von Clown Grock gestalteten Villa in Ligurien. Formale Elemente im Video überschneiden sich mit Elementen im Ausstellungsraum. Dem Betrachtenden wird eine frontale Sicht auf die Projektion verweigert. Man ist gezwungen, die gesamte Installation im Blickfeld zu behalten während man die Videoarbeit ansieht. Vogels große Stärke ist, alles in ein Verhältnis zu setzen und diesen Zustand konstant aufrecht zu erhalten. Oft nutzt sie Überblendungen, so auch hier, wenn sie beispielsweise das Bild eines Steinbruchs unter das Bild des Settings im Garten der italienischen Villa legt. Bereits in einer früheren Videoarbeit drehte sie im Marmorbruch von Carrara. Sie nutzt diesen Schauplatz als ein Rundtheater, so scheint es. Innerhalb ihres Werkes stößt man ständig auf halbgeschlossene Räume, die sich abgrenzen und öffnen zugleich. Damit schafft Vogel eine übergreifende Durchlässigkeit und Transparenz und ermöglicht auf diese Weise ineinandergreifende Geflechte.
So wundert es nicht, dass in der oberen Etage ein geöffnetes Cabriolet die zweite gleichnamige Installation zusammenhält: ein rotierender Triumph Spitfire, der in den 1980er Jahren als ein für Frauen geeignetes Auto beworben wurde. Seine Vorderlichter dienen hier als Quelle einer Doppelkanalprojektion und erzeugen im Raum ein Bild, das als Augenpaar erkennbar wird. Die 360-Grad-Optik der Videoarbeit erzeugt zudem jeweils die Form einer Pupille im Zentrum der projizierten Bilder. Schnell findet man sich in einem perspektivischen Dilemma wieder: Durch die subjektive Kamera spricht Vogel dem Gefährt ein binokulares Sehvermögen zu, denn der Blick fährt mittels der Rotation die Wände des Raumes ab, gleichzeitig wirft das projizierte Augenpaar seinen Blick zurück und als ob das nicht schon genug wäre, offenbart die Projektion zudem eine visuelle Erfahrung eines Kaleidoskops, das mittels der Drehbewegung der 360-Grad-Optik erzeugt wird und uns in eine kindliche Welt blicken lässt. Vogels Bruch mit einem gewohnten Repräsentationscharakter ist ein wichtiges Element ihrer künstlerischen Praxis. In ihren Videoarbeiten griff sie bereits früh auf Actionkameras und Drohnen zurück. In ihren Installationen kreiert die Künstlerin ihr eigenes Perspektivenkonstrukt, das eine flexible Erzählsituation durch Fragmentierung der Perspektiven ermöglicht.
Die im Raum platzierten und mit Drachen geschmückten Säulen, welche von einem künstlichen, flackernden Feuer gethront werden, werfen Fragen auf. Der Begleittext baut die Brücke zum Modellnamen des Sportwagens Triumph Spitfire und öffnet so das Bild eines imaginären weiblichen Drachens, der die Tür zu einem Hauptthema der Künstlerin öffnet, dem Feminismus. Auch die, trotz der Größe zurückhaltenden und nach unten spitz zulaufenden, dreieckigen Tierhäute, darunter eines mit dem Titel „Ambigua“, bleiben irritierend und nähren die fantastischen Bildwelten der Künstlerin. Sie sind mit nautischen Seilen befestigt und werden teilweise auch als Bildträger für Zeichnungen genutzt.
Oft verbinden sich biografische Elemente, die meist nur subtil offengelegt werden mit verborgenen Bedeutungen, die über Motive teilweise lesbar werden. Die semantische Analyse ist allerdings bei Vogel nie ganz eindeutig. Die komplexen Installationen verweigern sich einer eindeutigen Kategorisierung und vereiteln starre Rollenzuschreibungen – sie entgleiten einem nahezu bei zu eng gefasster Beurteilung. Das Werk lebt von einer bewussten Ambiguität, welche die Beziehung zwischen Zeichen und Bedeutung aufhebt. Der Kritiker Tom Holert sieht in dieser Ambiguität eine widerspruchsreiche, dialektische Bewegung zwischen spezifischen Anlehnungen und Abgrenzungen. Auch Vogels Werk scheint aus dieser Mehrsinnigkeit ihr Potenzial zu schöpfen und geht einem noch lange nach dem Besuch im Kopf herum..
WANN: Noch zu sehen bis zum 30. Juni zu sehen.
WO: Haus der Kunst, Prinzregentenstraße 1, 80538 München.