Eine Frage der Geschlechter
Puppies Puppies in der Galerie Barbara Weiss

11. Februar 2022 • Text von

Die zweite Einzelausstellung „TRANNY“ in der Galerie Barbara Weiss in Berlin der Trans-Künstlerin Puppies Puppies alias Jade Kuriki Olivio besteht Zuschreibungen, Beschimpfungen, unangenehmen Tatsachen und notwendigen Fragen. Puppies Puppies schafft einen Raum der Konfrontation und bringt die Besucher*innen zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Geschlecht.

Puppies Puppies, „TRANNY“, Ausstellungsansicht, Detail. Courtesy of the artist and Galerie Barbara Weiss, Berlin. Photographer: Jens Ziehe. 

„TRANNY“, das ist vieles: „TRANNY“ ist der Titel einer neuen Ausstellung von Künstlerin Puppies Puppies alias Jade Kuriki Olivo in der Galerie Barbara Weiss in Berlin-Kreuzberg. Es ist ein Raum aus weißen Wänden und einem schwarzen, leicht sich im Licht spiegelnden Holzboden, der gefüllt ist mit 19 Textarbeiten aus Vinyl, die auf die Wände der Galerieräume aufgetragen wurden. „TRANNY“ ist der Titel von einer der gezeigten Arbeiten, ein Wort, das für die einen eine treffende Beschreibung der eigenen Identität, für die anderen ein Schimpfwort ist – und für wiederum viele Besucher*innen der Ausstellung wohlmöglich ein Begriff ist, den sie zum ersten Mal hören. 

„TRANNY“, das ist einer der Termini in Versalien, den Puppies Puppies direkt darunter einem Wörterbuch gemäß wie folgt erklärt: „Note: overheard transphobia (considered offensive by some trans women and femmes and non binary femmes + but also reclaimed by some trans women and trans femmes / non binary femmes + *icluding myself)“. „TRANNY“ ist in nur einem Wort Titel, Raum, Beschreibung, Beschimpfung und Selbstzuschreibung der Künstlerin.

Puppies Puppies, „TRANNY“, Ausstellungsansicht, Detail. Courtesy of the artist and Galerie Barbara Weiss, Berlin. Photographer: Jens Ziehe. 

Die Ausstellung „TRANNY“ macht deutlich: Frau, Mann, Trans-Person, Cis-Mensch, homo, hetero, bi – es gibt diese und noch viel detailliertere Begriffe, mit denen sexuelle Geschlechter und Identitäten sich beschreiben oder vielleicht besser umschreiben lassen. Doch treffen diese Begriffe wirklich den Kern dessen, wie es sich im Inneren anfühlt, wie Begehren sich ganz persönlich in Lust verwandelt, wie Anziehung und Liebe funktionieren? Gibt es überhaupt diese eine sexuelle Identität, die sich mit einem Wort umschreiben lässt, in einen Begriff gießen lässt, der die Form bildet, in den der eigene Körper perfekt hineinpasst? 

In ihrem Buch „Wie wir begehren“ (2013) schreibt die Autorin Carolin Emcke über das Herausbilden von sexueller Identität. Sie schreibt auch über scheinbar handliche Begriffe wie Homosexualität, Bisexualität oder Transsexualität. Laut Emcke jedoch würden diese Worte nahelegen, „dass sich Formen des Liebens, Praktiken der Lust, verfestigen zu stabilen, lebenslangen Identitäten. So würden die Geschichten der Entdeckung der eigenen Lust meist in der Pubertät verortet. Es seien stets lineare Erzählungen, aus denen ein einzelnes Begehren hervorgeht, das dann auf den Fluchtpunkt nicht einer Lust, sondern einer Identität hinauslaufe, die sich in jeder sexuellen Begegnung bestätige. „Ist das wirklich so?“, fragt Emcke daraufhin. 

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Puppies Puppies, „TRANNY“, Ausstellungsansicht, Detail. Courtesy of the artist and Galerie Barbara Weiss, Berlin. Photographer: Jens Ziehe. 

Puppies Puppies alias Jade Kuriki Olivo eröffnet mit „TRANNY“ einen Reflexionsraum, der genau das anzweifelt, der Begriffe genau definiert, Abgrenzungen schafft, um Ausgrenzung anzuprangern und zu vermeiden, der die Selbstreflexion der Künstlerin zeigt und die Besucher*innen mit Fragen zu ihrem eigenen Selbst konfrontiert.

Wie auch Carolin Emcke macht auch Puppies Puppies klar, dass es feststehende Begriffe gibt, die notwendig sind, um das Gefühlte zu umschreiben ebenso wie politische Freiheiten zu erkämpfen. Sie reichen jedoch längst nicht aus. Denn meist sind dies Worte, die mehr sind als ihre statische Bedeutung, die diverse und häufig fluide Identitäten hinter sich verbergen. Die Aufteilung der Ausstellung in zwei Räume, in einen großen Raum der Information, der (rhetorischen) Fragen, der Erklärungen und künstlerischen Stellungnahme und einen kleinen Raum für die Selbstreflexion ist extrem gelungen.

Die visuelle Flucht vom ersten in den zweiten Raum bildet das Wort „WOMAN“. Es steht ganz ohne Erklärung da, als bräuchte es keine und wird in seiner Zweidimensionalität zu einer bedeutungsreichen Kippfigur. Frausein – was war das gleich noch mal? Statt eine Antwort auf diese Frage zu liefern, setzt die Künstlerin die Besucher*innen ihrer eigenen Selbstbefragung aus. Man solle sich das eigene Geschlecht vor Augen führen – „LIKE PEOPLE TREATED YOU ONE WAY BUT IT WASN’T YOUR CHOICE“.

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Puppies Puppies, „TRANNY“, Ausstellungsansicht, Detail. Courtesy of the artist and Galerie Barbara Weiss, Berlin. Photographer: Jens Ziehe. 

Puppies Puppies (Jade Kuriki Olivo) ist eine Performance-, Konzept- und Installationskünstlerin. Bis 2018 entstanden ihre Werke anonym. Später machte sie die künstlerische Auseinandersetzung mit ihrer eigenen geschlechtlichen Identität ebenso wie den Aktionismus für die Rechte von BIPOC-Transgender sowie geschlechtsuntypischen und „Two-Spirit +“-Minderheiten zum Schwerpunkt ihrer künstlerischen Praxis. Puppies Puppies‘ Arbeiten waren auf der Whitney Biennale 2017 und auf der 9. Berlin Biennale (2016) zu sehen.

„TRANNY“ ist die gelungene Fortführung dieser künstlerischen Auseinandersetzung mit dem eigenen Trans-Sein sowie mit geschlechtlicher Identität im Allgemeinen. Der Ausstellungsraum verschluckt die Besucher*innen und spuckt sie auf sich selbst zurückgeworfen wieder aus, mit Fragen, die einen so schnell nicht mehr loslassen.

WANN: Die Ausstellung „TRANNY“ läuft noch bis Samstag, den 26. Februar 2022.
WO: Galerie Barbara Weiss, Kohlfurter Str. 41/43, 10999 Berlin. 

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