Post Bernadette Corporation Fashion
Elevator to Mezzanine bei Ashley

27. November 2018 • Text von

Als Pressebild ihrer ersten Ausstellung in Berlin hat das Künstlerduo Elevator to Mezzanine eine Malerei von Richard Westalls gewählt. Sie zeigt Damokles, wie er unter jenem Schwert sitzt, das er zur Metapher gemacht macht. Bei Ashley gibt es keine Metaphern. Dafür allerdings einen Tisch, über dem zwei Schwerter hängen, an beiden Enden eins. Der Raum ist karg, die Stimmung angespannt. Text: Malte Fabian Rauch

Ausstellungsansicht Plaza Del Dante, Elevator To Mezzanine, Ashley Berlin, 2018, Courtesy of Ashley Berlin and the artists.

Dionysus, der Herrscher von Syrakus – so ist die Geschichte bei Cicero überliefert – hatte den neidvollen Höfling Damokles an seine Tafel gebeten, um ihn mit dem über seinem Kopf hängenden Schwert an die Vergänglichkeit des Reichtums zu erinnern, nach dem er stets schielte. Von der Möglichkeit des jähen Todes bedroht, sah sich Damokles außerstande, das Festmahl genießen zu können. Einen ersten Hinweis darauf, wer bei Elevator to Mezzanine wovor gewarnt wird, geben die Namen von Popkultur-Celebrities, die mit Edding auf die Tischdecke geschrieben sind, als bäte man sie hier zu Tisch. Einen zweiten gibt der Name des Duos selbst. Denn Mezzanines sind Schwellenräume: eingezogene Ebenen, Halbstockwerke, Zwischengänge – Nichtorte, wie sie für die Raumerfahrung in Einkaufszentren üblich sind. „Shopping on the Mezzanine is meditative, a process of inhabiting and mobilizing the clothes’ fit with their semiotic values … The Mezzanine is a shopping complex and personality generator; an architecture largely besides itself“, schreiben die beiden Künstler in einer Publikation, die für eine Ausstellung bei Issue Projekt Room (New York) im letzten Jahr entstand, und aus welcher sie während der Eröffnung bei Ashley vorlasen.

Ausstellungsansicht Plaza Del Dante, Elevator To Mezzanine, Ashley Berlin, 2018, Courtesy of Ashley Berlin and the artists.

Mit diesem Setup stellen sich Steven Warwick und DeForrest Brown Jr. – die beiden Künstler hinter Elevator to Mezzanine – in eine Line mit kritischen Praktiken, wie sie in der zeitgenössischen Kunst vor allem durch die Bernadette Corporation bekannt geworden sind. Es ist eine Form der Kritik des neoliberalen Kapitalismus, die auf seine hyper-ästhetisierten Einkaufswelten, minutiös designten Lifestyles und semiotischen Codes zielt. „Die Mode“, meinte Walter Benjamin schon in der Zwanzigern, „schreibt das Ritual vor, nach dem der Fetisch Ware verehrt sein will.“ Den neuen Formen dieses Rituals erklären Elevator to Mezzanine ihren „War on Style (2018)“ – so der Titel eines Filmessays mit montierten Szenen aus der Popkultur, der in der Ausstellung zu sehen ist. Stil wird von ihnen dabei konsequent als Mechanismus verstanden, der dem Konsumenten die Erfahrung der sozialen Realität ermöglicht, der es ihm erlaubt, sich zu positionieren, ihn aber zugleich überwacht und kontrolliert: „Style is always a battleground, and war is always stylised.“

Ausstellungsansicht Plaza Del Dante, Elevator To Mezzanine, Ashley Berlin, 2018, Courtesy of Ashley Berlin and the artists.

Dieser Krieg gegen den Stil ist ein Krieg mit dem Stil. Denn Elevator to Mezzanine arbeiten mit einer Art immanenter Kritik, für die es kein Außen zu einem semiotisch allgegenwärtigen Kapitalismus gibt. Hat man das Modell der Transgression verabschiedet, muss man dessen Codes zunächst übernehmen, um sie zu subvertieren. Für ihre letzte Ausstellung ließen die Künstler daher ein Fake-Lookbook zu einer Fake-Brand entwerfen, die das Design einer bekannten englischen Marke für Sportkleidung appropriiert. Sie trägt nicht zufällig den Namen „Lonely Days.“ Auch der Titel dieser Ausstellung, „Plaza Del Dante – An Exhibition“, spielt auf die Praktik immanenter Subversion an. Denn das Inferno von Dante figuriert hier als Beschreibung der Gegenwart in Form einer auf Dauer gestellten Konsumhölle, der man zwar nicht mehr entkommen, deren kulturelle Codes man aber noch immer übernehmen, umdrehen und umfunktionieren kann.

Ausstellungsansicht Plaza Del Dante, Elevator To Mezzanine, Ashley Berlin, 2018, Courtesy of Ashley Berlin and the artists.

Immer wieder trifft man in der Ausstellung auf eine latente Spannung; sämtlichen Elementen scheint eine gewisse theatrale Dramatik innezuwohnen, die den Betrachter auf eine diffuse Weise adressiert. Eine gerahmte Arbeit an der Wand – „Uncle Sam Interpolates (2018)“– zeigt die ikonische amerikanische Werbefigur Uncle Sam und hinterfragt mit der Bildunterschrift „Who are You!“ die Modi der Subjektkonstitution in der Gegenwart. Vielleicht deutet sie gar eine vorsichtige Skepsis gegenüber sozialer Interaktion überhaupt an. Das Ready-Made Arrangement „Zuckerbrot und Peitsche“ literalisiert eine weitere Metapher, indem sie deutsches Zuckergebäck zusammen mit einem Objekt zeigt, in dem man sowohl neue Formen neoliberaler Selbstausbeutung wie die gute alte Arbeitsdisziplin erkennen darf. Insgesamt entwirft die von Maurin Dietrich und Kate Brown kuratierte Ausstellung eine Situation, die an ein Filmset mit Elementen erinnert, die das eigene Leben organisieren, ohne dass man selbst darin eine allzu eine große Rolle zu spielen hätte. „Der große Schlaf und seine Kunde“ heißt eine alte Sammlung von Texten; Elevator to Mezzanine stellen den Schlaf aus, um zu fragen, wie viel Zeit noch bleibt, um aufzuwachen.

WANN: Die Ausstellung ist noch bis zum 2. Dezember zu sehen. Am 29. November performen Elevator to Mezzanine „Performing in America (Iconic America)“ in der Pogo Bar der KW. Die Arbeit reflektiert die Rolle des Christentums für die Genese des US-amerikanischen Nationalismus. Zum Abschluss der Ausstellung bei Ashley werden die beiden Künstler am 2. Dezember mit Caroline Busta eine Diskussion veranstalten.
WO: Ashley Berlin, Oranienstraße 37, 10999 Berlin.

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