Leergeträumte Traummaschinen
Peter Fischli in der Galerie Buchholz

7. Dezember 2022 • Text von

Irgendwo zwischen Vergangenheit und Zukunft ragen 12 kinetische Skulpturen von Peter Fischli wie Galgen aus dem grauen Stadtbild. Bunte und weiße Lichter geben uneindeutige Signale, hüllen sich in den Nebel der Ungewissheit. In der Kölner Galerie Buchholz fügen sich Ampelanlagen zu einem Erinnerungswald, in dem vergangene Geister wie Irrlichter auf verschlungene Pfade locken, bis die Besuchenden selbst im Rampenlicht stehen.

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Peter Fischli, ohne Titel, 2022, wood, coated, color, metal, LED-light, glass, electronic components, 320 x 135 x 13 cm, ohne Titel, 2022, wood, coated, color, metal, LED-light, glass, electronic components, 285 x 180 x 12.5 cm, ohne Titel, 2022, wood, coated, color, metal, 198 x 124 x 12.5 cm, installation view Galerie Buchholz, Köln 2022, Courtesy Galerie Buchholz. // Peter Fischli, 12 Arbeiten ohne Titel, installation view, Galerie Buchholz, Köln 2022, Courtesy Galerie Buchholz.

12 Arbeiten ohne Titel, graue Ampelanlagen, wirken fast wie Gehängte am Ende des Stricks. Manchmal tief und manchmal hoch sind sie wie Früchte an den Ästen knorriger Bäume platziert. Ein Wald aus Lichtern, aus technischen Geräten, aus grauen Stelen, der sich so ergibt. Die vielfarbigen Lichter spiegeln sich alternierend auf dem glatten Untergrund, scheinen verloren im Dunkel, sind gleichsam Illusion wie Realität. Helle Punkte, die dich schweigend ansehen, dich beobachten und dir Zeichen geben, die du nicht verstehst.

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Peter Fischli, ohne Titel, 2022, wood, coated, color, metal, LED-light, glass, electronic components, 285 x 180 x 12.5 cm, ohne Titel, 2022, wood, coated, color, metal, 198 x 124 x 12.5 cm, installation view, Galerie Buchholz, Köln 2022, Courtesy Galerie Buchholz. // Peter Fischli, ohne Titel, 2022, wood, coated, color, metal, LED-light, glass, electronic components, 285 x 180 x 12.5 cm, ohne Titel, 2022 wood, coated, color, metal 198 x 124 x 12.5 cm, installation view, Galerie Buchholz, Köln 2022, Courtesy Galerie Buchholz.

Dystopisch muten die neuen kinetischen Skulpturen von Peter Fischli an, wenn das Aufblinken der Signalleuchten keinem bestimmten Muster folgt, keine klaren Anweisungen verspricht. Rote, gelbe und weiße Lampen blitzen manchmal abwechselnd auf, dann wieder gleichzeitig. Das regellose Blinken, das partielle Entfernen der Farbe durchbricht vorgebende Codes, die sonst menschliches Verhalten im Straßenverkehr regulieren, deren Signalen man sich zu beugen hat, ob man will oder nicht. Wann also ist es an der Zeit zu gehen oder zu stehen? Das entscheiden die Besuchenden ganz allein für sich.

Im bestimmenden Grau eröffnen die kinetischen Skulpturen die Tristesse städtischer Räume der Nachkriegsmoderne oder aber Nebelfelder mit in der Ferne weiß blinkendem, transzendentem Licht. Wie Irrlichter durchbrechen die weißen Lampen das asphaltgraue Stadtbild, locken an zur selbst irrlichternden Durchquerung des Unbekannten, wenn der Weg nach innen zu den surrealen Feldern der eigenen Erinnerung führt. Dort, wo grauer Nebel nie ruhende Gedanken umnachtet, sich auf sie niederlegt und so erstickt. Ein bisschen fühlt es sich an, wie einen jenseitigen, entkörperlichten Raum zu durchwandern, ohne genau zu wissen wohin.

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Peter Fischli, 12 Arbeiten ohne Titel, installation view Galerie Buchholz, Köln 2022, Courtesy Galerie Buchholz.

Immer wieder blitzen Erinnerungen, Träume wie Signalscheinwerfer aus dem innerlichen Dunkel, weisen auf Türen hin, die es zu öffnen gilt – oder vielleicht besser nicht? Wer weiß, welche Gedanken hinter der nächsten lauern und ob sich die Tür danach wieder schließen lässt? Die Lampen illuminieren Gesichter, zeigen, was sich in ihrem Angesicht regt, sich unter der starren Maske verbirgt. Ihr plötzliches Aufleuchten lässt innehalten, für einen Moment verweilen, bis die geblendeten Augen wieder abwendbar sind. Manche der Traummaschinen aber bleiben dunkel und an manchen der Anlagen hängt nicht mal ein Ampelgerät. Dort sind es leere Schnüre, verwaiste Stäbe, hängend im Raum, an deren Ende nur in der Vorstellung etwas besteht.

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Peter Fischli, ohne Titel, 2022, wood, coated, color, metal, LED-light, glass, electronic components, 285 x 180 x 12.5 cm, Courtesy Galerie Buchholz. // Peter Fischli, ohne Titel, 2022, wood, coated, color, metal, LED-light, glass, electronic components, 260 x 183 x 12.5 cm, Elephant, 2022 wood, coated, color, metal, cable 225 x 172.5 x 11 cm, installation view, Galerie Buchholz, Köln 2022, Courtesy Galerie Buchholz.

Der Gang durch die Ausstellung in der Galerie Buchholz fühlt sich an wie das Betreten einer Theaterbühne, sind die Skulpturen doch aus Sperrholz, Glas und kaschiertem Karton ähnlich einer Kulisse erbaut. Nachempfunden ist das scheinbar abblätternde Grau dem zwecks Witterungsbeständigkeit angestrichenen Metall im Stadtraum. Die Arbeiten sind sich ihrer Materialität bewusst, legen ihre Machart offen, schwarze Kabel sind nicht im Innern versteckt. Die Ausstellung ist dabei mit “12 Arbeiten ohne Titel” überschrieben. Ein Titel, der irgendwie keiner ist. Im Duo mit David Weiss war Fischli bekannt für seinen humorvoll-spielerischen Blick auf das Alltägliche. Seit dem Tod von Weiss im Jahr 2012 ist der Schweizer Künstler solo tätig, aber noch immer ist Humor kennzeichnend für seine Arbeiten.

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Peter Fischli, 12 Arbeiten ohne Titel, installation view Galerie Buchholz, Köln 2022, Courtesy Galerie Buchholz. // Peter Fischli, ohne Titel, 2022, wood, coated, color, metal, 198 x 124 x 12.5 cm, Courtesy Galerie Buchholz.

Manchmal liegt eine weiße Schicht wie Schnee auf den Oberflächen. Als würde man spät nachhause fahren in einer langen, dunklen Winternacht. Der Schnee gleicht dem in collagierten Fotos festgehaltenen Rasierschaum, der sich ganz ähnlich über Objekte aus dem Stadtraum ausbreitet. Fischli dokumentierte diese vandalischen Interventionen in Zürich, die sich leicht beheben lassen, ephemere Einschreibungen sind. Als eigentümliche Relikte der Nacht hat Fischli sie unter dem Titel “Wir ungestalten” nun in einer Publikation zusammengefasst. Die Schaumgebilde sind vergänglich, zeugen von einem kurzen Dagegenhalten, von einem Aufbäumen gegen das Fließen der Zeit, bis das zehrende Alltagsgrau alle Spuren verwischt. Plötzlich wird klar – wir selbst stehen inmitten der leergeträumten Kulisse umgeben vom Theaternebel im Rampenlicht.

WANN: Die Ausstellung “12 Arbeiten ohne Titel” läuft noch bis zum 7. Januar 2023.
WO: Galerie Buchholz, Neven-DuMont-Straße 17, 50667 Köln.

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