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Peles Empire erobern den virtuellen Raum

8. April 2020 • Text von

Durch eine äußerst gelungene 3D-Präsentation sticht eine Ausstellung von Peles Empire in der momentanen Fülle an Online-Präsentationen heraus. Mit den zwei Künstlerinnen sprach gallerytalk.net über eine “secret colour”, amüsante Keramiken und Kreativität in Quarantäne.

Even here, I exist, 2020, Installation view, Barakat Contemporary © Copyright Barakat Contemporary 2020.

An allen Enden wird improvisiert, um eine Form von Normalität zu schaffen – die Dinge am Laufen zu halten. Auch die Kunst soll weiterhin „zugänglich“ gemacht werden. So hat sich unser sozialer wie auch kultureller Austausch ins Virtuelle verlagert. Dass dies nicht immer ein Verlust bedeutet, beweist die qualitativ hochwertige und präzise 3D-Präsentation der Ausstellung „Even here, I exist“ von Peres Empire bei Barakat Contemporary

gallerytalk.net: Ausgangssperre, Lockdown das Coronavirus hat unseren Alltag fest im Griff oder besser seit Mitte März komplett umgekrempelt. Deshalb die erste Frage, wie geht es euch?
Peles Empire: Uns geht es ganz gut damit. Wir versuchen, das Beste daraus zu machen, und verbringen viel Zeit mit unseren Kindern im Garten und auf dem Balkon.

Arbeitet ihr weiterhin im Atelier?
Wir sind teils im Atelier aber hauptsächlich zu Hause am Computer.

Die Künstlerinnen im Atelier Courtesy Peles Empire.

Die Welt erscheint einem momentan wie im Pausenmodus. Die soziale Isolation und Zeit in den eigenen vier Wänden zwingt uns zu Ruhe und Beschäftigung mit uns selbst. Wie meint ihr, dass sich das auf eure Arbeit auswirkt? Gibt es so etwas wie „gesteigerte“ Kreativität in der Quarantäne? Oder eher Gegenteiliges?
Da wir ja insgesamt drei Kinder haben, müssen wir uns gut organisieren. Das haben wir zum Glück schon gelernt, als unsere Kinder noch Babys waren und mit uns ins Atelier gekommen sind. Zeit für Besinnlichkeit bleibt eher weniger – zwischen umgeschüttetem Apfelsaft und gebastelten Vulkanen kommt einem manchmal aber trotzdem eine gute Idee dank des „Quantum Brains“. Außerdem unterhalten wir uns den ganzen Tag, das ist auch sonst im Atelier so. Einen Einfluss auf die Kreativität hat diese Situation auf jeden Fall. Wo und wie genau das dann in Kunstwerke einfließt, wird sich aber bestimmt erst später zeigen.

Auch wenn wir alle hoffentlich gesund durch die Zeit der Pandemie kommen, birgt die Situation für viele Künstler große wirtschaftliche Risiken und Verluste. Inwieweit macht ihr euch Gedanken über diese Krise?
Das darf man sich gar nicht zu genau überlegen …

Even here, I exist, 2020, Installation view, Barakat Contemporary, Celadon 3, 2020 © Copyright Barakat Contemporary 2020.

Die soziale Isolation animiert Künstler und Künstlerinnen weltweit zu zahlreichen Performances und Lectures, die man online beinahe rund um die Uhr ansehen kann. Von Konzerten über Theateraufführungen und virtuellen Besuchen in Ausstellungen ist alles geboten. Auch ihr seid momentan durch eine sehr gelungene 3D-Präsentation eurer Ausstellung „Even here, I exist“ bei Barakat Contemporary in Seoul „bestens“ virtuell vertreten. Mir hat es viel Spaß gebracht, mich durch die Ausstellung zu klicken, und trotzdem ist es einfach eine ganz andere Form ästhetischer Wahrnehmung. Wie seht ihr das?
Die Übersetzung von dreidimensionalen Objekten in Bildmaterial, also Zweidimensionalität und der Gewinn und Verlust oder die Qualitätsverschiebung und deren Wahrnehmung stellt einen zentralen Punkt unserer Arbeit dar. Dass die Ausstellung hauptsächlich virtuell wahrgenommen wird, ist für uns daher sehr interessant. Alle Arbeiten in der Ausstellung schweben zwischen Objekt und Bildhaftigkeit. Zum Beispiel sind die „Jesmonite“-Arbeiten, die zwar an der Wand hängen, gegossene und später bedruckte Skulpturen. Es wird niemals die gleiche Erfahrung sein, eine Ausstellung nur virtuell oder durch Fotos zu sehen. Aber das kann man durchaus wertfrei sehen, also nicht unbedingt besser oder schlechter, sondern einfach nur anders.

Even here, I exist, 2020, Installation view, Barakat Contemporary © Copyright Barakat Contemporary 2020.

„Even here, I exist“ ist eure erste Ausstellung in Asien. Auch hier geht es um wiederkehrende Sujets in eurer Arbeit wie Illusion, Vervielfältigung, das Reproduzieren und Schaffen neuer Originale. Neben den großformatigen, zweidimensionalen Arbeiten fallen einem vor allem die mittig platzierten, an verformte Vasen erinnernden Keramiken der „YU“-Serie auf. Was hat es damit auf sich?
Wir sind über einen Film gestolpert, der von der Herstellung traditioneller, koreanischer Keramik handelt. Da geht es im Speziellen um einen Meister Namens Yu. Zum einen sind uns die Keramiken mit dem Namen „Celadon“ aufgefallen und zum anderen eine Szene, bei der Meister Yu während der Produktion alle Keramiken an denen für uns augenscheinlich nichts auszusetzen war, einfach mit einer Handbewegung „zerstörte“ und sie im Ofen nicht mitbrannte. Diesen Moment fanden wir natürlich besonders interessant – die Frage, wie und wann ein Objekt fertig gestellt ist und was für Kriterien der „Perfektion“ hier gelten. Wir haben dann angefangen, Keramiken in einer ähnlichen Art anzufertigen, diese mit einem Handschlag zu „zerstören“ und sie dann aber in der Form, die sie nach der „Zerstörung“ hatten, zu brennen. Der Moment des Umbruchs oder Bruchs wurde so festgehalten.

Und der Name „Celadon“ spielte welche Rolle?
„Celadon“ wiederum wurde in Europa durch den Roman „L’Astrée“ des französischen Schriftstellers Honoré d’Urfé geprägt, in dem ein Schäfer namens „Céladon“ ein grünes Gewand oder grüne Schleifen trägt. Diese Farbe „Celadon“ nennt man auch „secret colour“, eine Farbe, die nie richtig gesehen werden kann (unter Celadon oder Seladon wird eine nach ihrer „seladongrünen“ Glasur benannte, chinesische Keramik mit Ursprung im 9. Jahrhundert bezeichnet; Anm. d. Red.). Poetisch passt das ja jetzt ganz gut, da wir die Objekte nun wirklich nicht in Seoul sehen können und dürfen. Es ist wiederum eine Übersetzung, vom Realen ins Virtuelle.

Even here, I exist, 2020, Installation view, Barakat Contemporary, Celadon 3, 2020 © Copyright Barakat Contemporary 2020.

Das ist ein schöner Gedanke. Die Arbeiten gliedern sich außerdem sehr passend in die rohe Architektur des Galerieraums ein. Mir hat vor allem der zerschlagene Berg aus Ton, der im oberen Stockwerk auf „TIBISCVM (E.H.I.E) 1“ zu sehen ist, gut gefallen. Was steckt dahinter?
Dieses Foto ist in einem Arbeitsprozess entstanden, bei dem wir uns mit archäologischen Funden von Figurinen auseinandergesetzt haben, die man überall in der Welt finden kann. Auch in Rumänien wurden solche Figurinen ausgegraben, und es wird angenommen, dass diese für eine Art Liebesritual zusammen mit Wachs ins Feuer geworfen wurden. Wir haben ähnliche Figurinen aus Ton geformt und sie ebenfalls mit Wachs und Papier, auf dem ein Peles Raum zu sehen war, ins Feuer geworfen und verbrannt.

Even here, I exist, 2020, Installation view, Barakat Contemporary © Copyright Barakat Contemporary 2020.

Die Präsentation ist gelungen, trotzdem wäre es sicher eine Freude gewesen die Ausstellung real zu sehen. Wärt ihr hingefahren, wenn die Pandemie nicht dazwischengekommen wäre?
Auf jeden Fall. Unsere Flüge waren ursprünglich zum Aufbau gebucht. Es war wirklich eine Enttäuschung, dass das nicht geklappt hat.

Auch ihr betreibt als Künstlerkollektiv einen Space in Berlin und präsentiert wechselnde Ausstellungen. Wäre etwas geplant gewesen für die jetzige Zeit?
Wir hatten zwei Ausstellungen für diesen Zeitraum geplant, die sich zum Glück sowieso verschoben haben. Wann unser Space wieder eröffnen kann, ist natürlich momentan sehr unsicher.

Wir können nur hoffen, dass sich bald wieder ein realer sozialer wie auch kultureller Austausch einstellt. Auf was freut ihr euch am meisten, wenn ihr wieder unbeschwert das Haus verlassen könnt?
Wahrscheinlich wird es diesen „freien Moment“ so gar nicht geben. Vielleicht schleicht sich die Unbeschwertheit erst langsam an, und wenn wir ganz vergessen haben, darüber nachzudenken, sind wir wieder im Alltag angekommen. Wir wünschen uns, dass man sich bewusst wird und zu schätzen weiß, was man in dieser Zeit gelernt hat.

Die Ausstellung „Even here, I exist“ ist virtuell auf der Website von Barakat Contemporary zu besuchen. Vertreten wird Peles Empire von der Galerie Wentrup.

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