Omnidirektionale Audiokunst
PARA im Radio 80000

5. März 2021 • Text von

Musik, Kunst, Sound und Radio. Das Projekt PARA will akustisch verwandte Baugruppen vernetzen und so Überlappungen und Kollaborationen ermöglichen. Uns gaben die Initiatoren Jakob Braito, Anja Lekavski und Kalas Liebfried einen Einblick in ihr Konzept.

Zu sehen ist eine Collage aus mehreren Bildern, sie zeigen die Partner von PARA
PARA Takeover von Radio 80000, Bilder: PARA.

gallerytalk.net: Ihr kommt eigentlich aus der bildenden Kunst, nutzt Klang in eurer künstlerischen Praxis. Ist diese Intermedialität die Motivation für euer neues Projekt PARA?
PARA: Wir sind sehr an Schnittstellen interessiert, zwischen Musik, Kunst, Sound und Text. Leider passiert an diesen Schnittstellen oft wenig. Es gibt natürlich Festivals und andere Initiativen, die uns oft aber nicht weit genug gehen. Wir wollen Kategorien aufbrechen, mit einem parasitären Ansatz arbeiten. Das Grundkonzept von PARA ist es, neben und zwischen den unterschiedlichen Formen der Produktion eine Plattform zu bieten, auf der verschiedene Klangproduktionen in einer entsprechenden Form präsentiert werden können; jenseits der existierenden und etablierten Formate. Wir denken gerade sehr aus dem Digitalen heraus, wollen die Potenziale der Digitalität von Klang ausreizen.

Was meint ihr mit parasitär genau?
Para ist ja ein Präfix, para-sitär, para-bolisch, para-dox.  Para- dockt sich an etwas an und rückt es in einen Zustand des “Dazwischen”. Wir wollen in Co-Habituation mit anderen Organismen und Formen agieren. Vielleicht ist der nächste Schritt eine Print-Publikation mit einem Verlag oder ein Klang-Stück auf einer SD-Karte. Das widerspricht sich ja nicht.  Es geht darum, die richtige Form der Veröffentlichung für bestimmte Arbeiten und Themen zu schaffen und dabei Austausch und Kollaborationen zu ermöglichen. Parasiten verschlechtern den Wirtsorganismus ja nicht zwingend, sie können ihn sogar verbessern.

Zu sehen ist eine Collage aus mehreren Bildern, sie zeigt die Zusammenarbeit von PARA mit Radio 80000.
PARA Takeover von Radio 80000, Bilder: PARA.

Euer erster Wirt ist das Online-Radio Radio 80000. Was interessiert euch an dem Medium?
Wir versuchen, das Medium Radio zu erweitern, das beim Schritt aus dem Analogen ins Digitale oft Eins-zu-eins übersetzt wird. Andere lineare Medien wurden und werden ja schnell durch on-demand Formate ersetzt. Die Formen der Produktion haben sich mit der Zeit verändert: Fernsehen z.B. durch YouTube oder Netflix. Uns interessiert, wie das Medium Radio der Digitalisierung begegnen kann und wie es mit der nicht mehr zwingend linearen Rezeption umgeht. Radio ist ja nicht nur ein Programm, das man hört. Es geht auch um die visuelle Ebene und die Interaktionen über die sozialen Kanäle. Es gibt nicht mehr nur Sender und Empfänger, es wird zunehmend omnidirektional.

Wie wollt ihr das konkret umsetzen?
Wir werden uns parasitär an Radio 80000 andocken, das Programm übernehmen und eine Konferenz in diesem Kontext ausrichten: aus Radio 80000 wird PARA 80000. Im nächsten Schritt findet PARA vielleicht eine ganz andere Form, auch im physischen Raum. Wir verstehen uns als eine Non-Label-Organisation und verpassen uns bewusst kein Korsett. Wir wollen induktiv eine Form entwickeln, die sich entfaltet und wandelbar bleibt. Die erste Manifestation ist jetzt bei Radio 80000, das als Plattform für Musik einen guten Kick-Off für unser gesamtes Projekt darstellt. Wir haben programmatisch freie Hand, für PARA haben wir über 30 internationale Künstler*innen eingeladen. Diese Kollaborationen werden in Zukunft auch zu anderen Formaten führen. So erweitert sich das Projekt schrittweise, es entsteht automatisch ein organisches Netzwerk.

Zu sehen ist eine Collage aus mehreren Bildern, sie zeigen die Partner von PARA.
PARA Takeover von Radio 80000, Bilder: PARA.

Wie wird die Übernahme aussehen?
Wir beginnen bereits  einzelne Beiträge im Programm zu streuen. Die werden auch im Rahmen des Festivals zu hören sein. Aber zunächst tauchen die Beiträge relativ unangekündigt im Programm auf, als würde man den Sender langsam kapern, sich quasi unauffällig einhacken. Das soll sich im Laufe des Monats verdichten, bis zum Beginn der Konferenz am 25. März. Dann werden wir Panels und Lectures senden und das gesamte Programm von Radio 80000 übernehmen. Der Parasit wird den Organismus in einer dynamischen Übernahme komplett unter Kontrolle bringen.

Wie habt ihr die teilnehmenden Künstler*innen ausgewählt?
Auch dieser Prozess hat sich dynamisch entwickelt und kontinuierlich erweitert. Wir wollten uns zunächst auf München und den deutschsprachigen Raum konzentrieren, haben aber dann recht schnell erkannt, dass wir auch internationaler denken müssen. Nicht mehr nur Freunde von Freunden anfragen, sondern gezielt Positionen suchen, die bereits diese Schnittstellen verhandeln. Die Auswahl hat sich dann sehr schnell verdichtet, die Beiträge ergeben ein konzentriertes und diverses Programm. Wir kombinieren Positionen, die aus dem Theater kommen mit Künstler*innen, die literarisch arbeiten oder sich performativ betätigen und fest in der bildenden Kunst verankert sind. Als offenes Ergebnis bilden wir unterschiedliche Schnittstellen der Produktion ab, wobei die Arbeit mit Klang im Mittelpunkt steht. 

Zu sehen ist eine Collage aus mehreren Bildern, sie zeigt die Initiator*innen von PARA.
PARA Takeover von Radio 80000, Bilder: PARA.

Steht der Takeover unter einem bestimmten Thema, einem Motiv?
Der Titel lautet  „Unset Time and Pace“. Es soll um ein bewusstes Aussetzen, eine Reflexion der Zeitlichkeit im Klang gehen. Die Frage ist, wie man Klangarbeiten adäquat denken und im digitalen Kontext präsentieren kann. Dafür wollen wir die Linearität von Klang hinterfragen und aufbrechen, die atmosphärische Qualität der Stücke betonen. Das soll sich auch in der Webseite spiegeln, die wie eine Ausstellung mit 31 akustischen Räumen aufgebaut sein wird. Man wird diese Räume interaktiv und ohne vorbestimmte Reihenfolge betreten können. Die Rezipient*in kann sich diesen Raum selbst erschließen und so einen Zugang finden. Wir wollen keinen klassischen Mix anbieten oder eine Playlist. Alle Arbeiten laufen in Endlosschleifen und die Rezipient*in bewegt sich frei in einer digitalen Klangausstellung.  Das Aussetzen festgelegter Zeitlichkeiten und Tempi wird dabei zentral. 

WANN: Den gesamten März.
WO: Auf Radio 80000 und PARA.

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