Historische Doppelgänger Das Nouveaux Deuxdeux in der Maxvorstadt
11. Mai 2023 • Text von Quirin Brunnmeier
Und es verändert sich doch etwas. Die neue Galerie Nouveaux Deuxdeux in der Maxvorstadt will verschiedene Arten des kulturellen Dialogs ermöglichen und sich im Herzen des Kunstareals als Ort für zeitgenössische Kunstpraktiken etablieren. Unter dem Titel “Capture Change” werden Arbeiten von Esper Postma, Xavier Robles de Medina, Ayaka Terajima und Maria Trabulo präsentiert.
Veränderung, gewollt oder nicht, kann ein komplizierter Prozess sein. Bezugspunkte verrücken, langsam oder schnell, und die Bedeutung bestimmter Dinge verschiebt sich. Ob historisch oder persönlich, Veränderung schafft neue Begebenheiten, mit denen man umgehen muss. Unter dem Titel “Capture Change” zeigt die Galerie Nouveaux Deuxdeux vier zeitgenössische Positionen, die sich in unterschiedlicher Form dem Themenkomplex Veränderung widmen. Gezeigt werden Fotografien, Bilder, Bildobjekte und Skulpturen, die subtil Verbindungen zwischen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft spannen und sich auch in der Wahl ihrer Materialität im Ungefähren bewegen.
In seiner künstlerischen Praxis untersucht Esper Postma, wie Bilder und kulturelle Artefakte sich über längere Zeithorizonte in ihrer Rezeption verändern, wie sie adaptiert und neu interpretiert werden. In seiner Arbeit “Genius of Fascism Sport” reflektiert er die Geschichte einer öffentlichen Statue im Zentrum Roms. Eigentlich 1939 als Ikone des italienischen Faschismus aufgestellt, wurde die Statue nach dem Zweiten Weltkrieg umbenannt und adaptiert: Die Skulptur bekam Boxhandschuhe über die Hände gestülpt, sie huldigte ab dann dem Sport. Detaillierte Repliken dieser Handschuhe sind nun in der Galerie zu sehen.
Auch Xavier Robles de Medina hat eine forschungsbasierte Kunstpraxis, die sich über den Kontext erschließt. Er sammelt und collagiert Bilder und Texte aus digitalen Plattformen und anderen Quellen und schafft so meist monochromatische Werke, die gleichzeitig poetisch und politisch sind. Die Zeichnung “Ladywell Palace” ist eine Zusammenstellung mehrerer Bilder aus Instagram, aber auch kunsthistorischer Quellen, darunter Referenzen zu Vermeer. Verbunden auch mit seiner persönlichen Erfahrung der letzten drei Jahre entsteht eine vielschichtige, bedrückende aber ironisch gebrochene Komposition.
Als ironisch gebrochen könnte man auch die Arbeiten von Ayaka Terajima beschreiben. Ihre unglasierten Keramikskulpturen sind mit Reliefmustern verziert, die zugleich auf japanische Töpferei und das zeitgenössische Verpackungsdesign verweisen. Sie verwendet recycelten Ton und eine spezielle Technik, um die Muster und Negativräume von Plastikbehältern, die in Kartonverpackungen von Alltagsprodukten zu finden sind, auf ihre Figuren zu übertragen. Terajima kontrastiert die handgefertigte Ästhetik der klassischen Keramik mit der Wegwerfkultur zeitgenössischer Supermärkte und setzt so die Ornamente japanischer Jōmon-Keramik mit den Prozessen von Logistik, Konsum und Recycling in Beziehung.
Transformation und Bewahrung stehen auch im Zentrum von Maria Trabulos Arbeit. Die bildende Künstlerin und Wissenschaftlerin hat ihre Praxis auf die Gebiete der Kunstgeschichte, Wissenschaft, Technologie und Konservierungstechniken erweitert und untersucht Begriffe wie Erinnerung, persönliche und kollektive Geschichte, Gemeinschaft und Widerstand. Sie transformiert dabei mit Hilfe hochauflösender digitaler Bilder Artefakte in neue Skulpturen und nutzt modernste Reproduktions- und Restaurierungsmethoden um zerstörte oder verloren gegangene Objekte in eine neue physische Existenz zu übersetzen.
Am Freitag, den 12. Mai um 19 Uhr wird Esper Postma unter dem Titel “The Double Lives of Monuments” eine performative Lesung halten. In seinem Vortrag will Esper Postma die irrationalen Aspekte von monumentalen Bauten und öffentliche Statuen analysieren, indem er sie als Subjekte behandelt. Dabei bedient er sich des Motivs des Doppelgängers, das bis in die Tiefen der menschlichen Psychologie vordringt. Er will nachzeichnen, in welchen Formen Doppelgänger in Literatur, im Kino und in der Psychoanalyse genutzt werden und wie wir dieses Motiv als Vehikel sehen können, um eine Fragestellung unserer volatilen Zeiten zu verstehen: Denkmäler, die sich selbst verwandeln, reproduzieren und ihre Bedeutung auf irrationale Weise verändern. “Capture Change” ist eine gelungene erste Ausstellung der neuen Galerie, die ein bekömmlicher Impuls für die Galerielandschaft in Schwabing sein kann.
WANN: Die Ausstellung “Capture Change” ist noch bis Samstag, den 20. Mai, zu sehen.
WO: nouveaux deuxdeux, Amalienstr. 22, 80333 München.