Ein scharfer Blick zurück
Nicole Eisenman im Museum Brandhorst

28. März 2023 • Text von

Dunkler Humor, Ironie und Identität. Nicole Eisenman verwebt in ihrem malerischen und bildhauerischen Werk gesellschaftliche, politische und zutiefst persönliche Aspekte. Das Museum Brandhorst widmet der präzisen Chronistin eine umfangreiche Retrospektive, die rund 100 Werke von 1992 bis heute vereint.

Nicole Eisenman: Morning Studio, 2016, Sammlung Familie Hort © Nicole Eisenman. Courtesy die Künstlerin und Anton Kern Gallery, New York / Private Collection, New York.

Es sind Körper, die das Souterrain des Museum Brandhorst dominieren, skurrile, fragile und zarte. In Skulpturen, Bildern und Zeichnungen finden diese Körper unterschiedliche Formen und Arrangements, einsam oder in Gruppen. Manche sind grotesk überzeichnet, manche wirken zerbrechlich und melancholisch. Nach Lucy McKenzie und Alexandra Bircken widmet das Museum Brandhorst erneut einer herausragenden Künstlerin eine umfassende Retrospektive. Unter dem Titel “What Happened” werden rund 100 Werke von Nicole Eisenman präsentiert, in denen das Politische mit dem Privaten vermengt ist und individuelle Körper in Beziehung zu größeren Umwälzungen gesetzt werden.

Installationsansicht „Nicole Eisenman. What Happened“ im Museum Brandhorst, 24. März – 10. September 2023; © Nicole Eisenman. Foto: Haydar Koyupinar, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Museum Brandhorst, München.

Nicole Eisenman zählt seit den 1990er-Jahren zu den führenden queeren Protagonist*innen der New Yorker Kunstszene und gehört zu den einflussreichsten künstlerischen Positionen der Gegenwart. Die 1965 im französischen Verdun geborene Künstlerin wuchs im Bundesstaat New York auf und studierte an der Rhode Island School of Design. Im Lauf ihrer Karriere hat sie eine höchst individuelle künstlerische Praxis entwickelt, die Humor, Ironie und gesellschaftliche Themen miteinander verwebt. Ihre teilweise anarchisch anmutenden Arbeiten können als nicht immer nur subtile Kommentare zum menschlichen Dasein im Allgemeinen gelesen werden. Dabei ist ihr Schaffen durch ein gleichwertiges Nebeneinander unterschiedlicher Materialien, Formate und Techniken geprägt, sie nutzt Medien wie Malerei, Zeichnung, Druckgrafik und Skulptur.

Nicole Eisenman: Coping, 2008, Sammlung von Igor DaCosta und James Rondeau. Courtesy Barbara Weiss Galerie © Nicole Eisenman. Courtesy die Künstlerin und Hauser & Wirth. Foto: Jens Ziehe.

So werden in der umfassenden Ausstellung im Museum Brandhorst neben ihrer Malerei auch Zeichnungen, Assemblagen und großformatige Skulpturen gezeigt. Eisenmans künstlerische Praxis zeichnet sich durch eine breite Palette von Stilen aus, von figurativ und gegenständlich bis hin zu abstrakt und geradezu expressionistisch. In ihren Werken tauchen häufig exzentrische Figuren aus dem Alltagsleben, der Kunstgeschichte und der Populärkultur auf, die die komplexe und widersprüchliche zeitgenössische Gesellschaft widerspiegeln. Ihr Stil ist eklektisch und verbindet Elemente des Surrealismus, des Expressionismus und der Pop Art. Sie verwendet kräftige und lebendige Farben, während ihre Pinselführung locker und gestisch bleibt. Eisenmans Werke setzen sich häufig mit politischen und sozialen Themen wie Gemeinschaft, Identität, Sexualität, Isolation und Entfremdung auseinander und bleiben doch sinnlich und spielerisch.

Installationsansicht “Nicole Eisenman. What Happened“ im Museum Brandhorst, 24. März – 10. September 2023; © Nicole Eisenman. Foto: Haydar Koyupinar, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Museum Brandhorst, München.

Die Kurator*innen der Ausstellung “Nicole Eisenman. What Happened” Mark Godfrey und Monika Bayer-Wermuth haben die präsentierten Arbeiten in miteinander verwobene Erzählstränge geordnet. Sie sollen ein übergreifendes Bild der drei Dekaden umfassenden Arbeit der Künstlerin zeichnen. Zunächst erfahren die Besucher*innen vom Werdegang einer jungen, queeren und feministischen Künstlerin, die im New York der 1990er-Jahre zunächst nur innerhalb einer kleinen Community agiert, jedoch schnell Internationale Erfolge feiert. Ein weitere Fokus der Ausstellung liegt auf den gesellschaftspolitischen Aspekten im Werk von Nicole Eisenman: Die Präsidentschaft von George W. Bush, die Wirtschaftskrise 2008, der Populismus von Donald Trump und auch die über Allem schwebende Klimakatastrophe finden ihren Platz in den Bilder und Skulpturen.

Nicole Eisenman: Long Distance, 2015, Privatsammlung, New York. Courtesy Anton Kern Galerie © Nicole Eisenman. Courtesy die Künstlerin und Anton Kern Gallery, New York / Private Collection, New York.

Die Ausstellung wirkt nicht nur wie ein Rückblick auf die Arbeit der Künstlerin, sondern fast wie eine Reflexion all der Dinge, die in den letzten 30 Jahren so passiert sind. Auch die zunehmende Präsenz von Bildschirmen und Screens in unser aller Leben wird von Nicole Eisenman präzise dokumentiert. Das Bild “Long Distance” aus dem Jahr 2015 wirkt fast schon tragisch-prophetisch angesichts all der traurigen ZOOM-Calls in Fernbeziehungen und Homeoffice der letzten pandemischen Jahre.

WANN: Die Ausstellung “Nicole Eisenman. What Happened” ist noch bis zum 10. September 2023 zu sehen.
WO: Museum Brandhorst, Theresienstraße 35 a, 80333 München.

In freundlicher Zusammenarbeit mit dem Museum Brandhorst.

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