Mut zur Lücke

24. März 2017 • Text von

Maxim Fomenko ist ein Künstler, der nicht nur seine Bilder spiegelverkehrt signiert, sondern der gerne auch mal andersherum denkt und so Klischees bekämpft und Erwartungen aufbricht.

Maxim Fomenko, “Bonjour Monsieur Fancis Bacon”, 2017, Öl auf Leinwand, 60 x 50 cm

Maxim Fomenko, “Bonjour Monsieur Fancis Bacon”, 2017, Öl auf Leinwand, 60 x 50 cm

Warum muss ein Porträt ein Gesicht zeigen? Kann man das nicht auch anders machen? Wir haben Maxim Fomenko in der Galerie LeonArt in seiner aktuellen Ausstellung getroffen. Inmitten seiner surreal, grotesken, vor Farbe leuchtenden Gemälde erzählt er ganz abgeklärt, was ein guter Künstler ist und was er an seiner eigenen Arbeit so sehr mag

gallerytalk.net: Ein Porträt wird meist als Darstellung eines Menschen definiert, die nach Ähnlichkeit mit der äußerlichen und innerlichen Verfassung des Dargestellten strebt. Was ist ein (gutes) Porträt für Sie?
Maxim Fomenko: Während meines Studiums habe ich viele Jahre Porträts gemalt und kam schließlich an den Punkt, an dem ich nicht wusste wie es weitergehen soll. Wie kann ich die jahrhundertealte Geschichte der Porträtmalerei noch bereichern? Und so begann ich meine „no face“ Serie, inspiriert durch ein Zitat von Picasso: „Warum setzt man an die Stelle der Augen nicht einfach Geschlechtsorgane, und die Augen zwischen die Beine?“ Diese Idee probierte ich einfach aus und malte auf diese Weise Francis Bacon und ein Porträt von Lucian Freud. Als ich feststellte, dass ich die Gesichter in den Porträts weglassen und die Person trotzdem zeigen kann, war es mir zu langweilig noch Gesichter zu malen, denn so ist der Betrachter gezwungen, sich zu wundern. Ich bin der Zünder von Fragen und jeder beantwortet diese für sich selbst, abhängig davon welche individuellen Gefühle und Erinnerungen hochkommen. Es ist mir wichtig, dass der Betrachter selbst denken muss und nicht nur das sieht, was ich mir gedacht habe. Das ist meine Aufgabe als Künstler und das gefällt mir so daran.

Welche Beziehung haben Sie zu den Personen, die Sie porträtieren?
Eine direkte Beziehung zu ihnen habe ich natürlich nicht. Aber sie waren alle Künstler, die vor mir gelebt haben, und so sehe ich uns als eine große Familie. Deshalb habe ich das Recht, meine Brüder und Schwestern zu porträtieren. Außerdem beschäftige ich mich intensiv mit allen Personen, die ich male. Ich kenne deren Leben, lese Bücher, sehe Dokumentationen und höre Interviews mit Kunsthistorikern. Sie alle sind meine Vorbilder, weniger in ihrem Arbeiten, als mehr in ihrer Persönlichkeit und in ihrem Leben als Künstler. Daher kommt auch der Titel der Ausstellung „Vor-Bildhaft“.

Alle Ihre Porträts zeigen berühmte Persönlichkeiten, meist Künstler oder auch Politiker. Haben Sie auch Menschen aus Ihrem persönlichen Umfeld, Familie oder Freunde gemalt? Was ist der Unterschied?
Ja, als ich meine Frau kennenlernte, habe ich sie zwei Jahre lang jeden Tag gemalt, gezeichnet und porträtiert. Das war in meiner Studienzeit eine Übung für mich selbst, eher wie ein privates Hobby. Aber jetzt versuche ich mich als professioneller Künstler selbst zu finden und in meiner Arbeit beschäftige ich mich mit anderen Künstlerpersönlichkeiten. Die Bilder sind aber im gleichen Stil. Ich würde mich zwischen abstrakt und gegenständlich positionieren. Im Moment arbeite ich an mehreren Themenfeldern gleichzeitig, die sich auch ständig überlagern und vermischen, nämlich Klassizismus und Barock, „no face“ Thematik und surreale Porträts. In welche Richtung ich mich hinentwickle, weiß ich selbst nicht.

Maxim Fomenko, "Picasso mit seiner Freundin", 2013, Öl auf Leinwand

Maxim Fomenko, „Picasso mit seiner Freundin II“, 2013, Öl auf Leinwand, 105 x 80 cm (befindet sich in der Sammlung Klewan)

Picasso haben Sie eine ganze Werkserie gewidmet. Woher kommt die Faszination für ihn?
Ich habe mich viel mit Picasso als Person auseinandergesetzt und damit, wie er als Künstler seine Entscheidungen traf. Ich finde, er war sehr mutig. Zum Beispiel war er der Erste, der sich getraut hat, die Ähnlichkeit im Porträt einfach zu vernachlässigen. Durch ihn wurde ich zur „no face“ Serie inspiriert und hatte den Mut, Gesichter komplett wegzulassen. Auch seine Lebensgeschichte, besonders seine lebhaften Affären mit Frauen haben gleich eine Reihe von Bildern in meinem Kopf entwickelt. Am liebsten mag ich die erotischen Zeichnungen von Picasso. Diese schaue ich mir immer wieder und wieder an, weil sie mir so gut gefallen. Drei Arbeiten meiner Serie befinden sich in der Kunstsammlung Klewan, von der ein Teil gerade im Museum Belvedere in Wien zu sehen ist. Dort hängt mein “Picasso mit seiner Freundin“ neben einem echten Picasso. Das hat mich natürlich sehr gefreut.

Wenn sie Picasso persönlich treffen könnten, was würden Sie ihm sagen oder fragen?
Ich würde ihm einfach in die Augen schauen, die Hand drücken und ihn umarmen. Mehr nicht. In so einem Fall spricht man nicht.

Maxim Fomenko, “Adelaide Labille-Guiard” (Porträt Labille-Guiard mit einer Schülerin), 2016, Öl auf Leinwand, 150 x 120 cm

Maxim Fomenko, “Adelaide Labille-Guiard” (Porträt Labille-Guiard mit einer Schülerin), 2016, Öl auf Leinwand, 150 x 120 cm

In der Ankündigung der Ausstellung steht, Sie versuchen „sich klassischen Problemen der Malerei mit einer eigenwilligen Bildsprache anzunähern“. Was sind diese klassischen Probleme der Malerei? Wie gehen Sie mit ihnen um?
Als Künstler hat man immer das Problem, was man eigentlich will. Die ständige Frage, was kann ich mit Malerei machen? In welche Richtung will ich gehen? Es gibt ja schon alles. Bei so vielen Stilrichtungen und Epochen ist es schwierig, dem Anspruch gerecht zu werden etwas Neues und Eigenes hinzuzufügen. Also habe ich mir überlegt, Malerei als Werkzeug zu nehmen, um die Zeit zu beschreiben in der ich lebe. Ich rufe die Epochen und deren Personen wieder neu ins Leben, aber eben so, wie sie heute wären. So zeige ich Adelaide Labille-Guiard, eine französische Malerin im Klassizismus und Gründerin der ersten Frauenschule in Paris, mit nackten Brüsten. Auch durch grelle Farben erzähle ich die heutige Zeit. Die Außenkanten meiner Leinwände sind in Neonfarben angemalt, so dass um die Bilder eine Art leuchtender Rahmen an die Wand gestrahlt wird. Auch das ist ein zeitgenössisches Element. Ein guter Künstler ist für mich jemand, drei Kriterien erfüllt: Er wählt ein interessantes Thema, hat ein gutes Handwerk und kann schwierige Themen mit Humor umsetzen. Vielleicht habe ich jetzt ein bisschen mich selbst beschrieben, aber so sehe ich es.

WANN: Die Ausstellung „Vor-Bildhaft“ ist noch bis zum 30. April zu sehen, immer freitags von 16 bis 20 Uhr und sonntags von 14 bis 18 Uhr.
WO: Die Galerie LeonArt findet ihr in der Leopodstraße 24 in Nürnberg.

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