Muster für, Pavillons von, Bauen um Die frühe Phase des Kalten Krieges im Architekturzentrum Wien
25. Oktober 2019 • Text von Anna Barbieri
Reminiszenzen an Messearchitekturen tauchen Architekturinteressierte in eine vom aufkeimenden kalten Krieg geprägte Baulandschaft. Der Kontext des Wettstreits um lokale Vormachtstellung beeinflusst Gesellschaften sowie ihre in Wechselwirkungen entstehende Selbstverständnisse.
Den Demokratisierungsprozess Österreichs in der Nachkriegszeit unter Einwirken der alliierten Besatzungsmächte zu zeigen – dieser Herausforderung stellt sich die Kuratorin Monika Platzer mit der Herbstschau im Architekturzentrum Wien. Dafür wurden neben vielen für die Ausstellung angefertigten illustrativen Schautafeln etliche Stücke aus unterschiedlichen Archiven in vier Teilbereiche gegliedert im Ausstellungsraum versammelt. Die meisten Exponate zeigen die Selbstdarstellungen der französischen, britischen, sowjetischen und amerikanischen Besatzungsmächte ab 1945. Der Ausstellung zufolge zentrierte sich das Wirken der Alliierten in Österreich vor allem auf Wien und unternimmt einige Exkurse in baupolitische Prozesse außerhalb wie die Etablierung des Forum Alpbachs und das dort realisierte Paula-Preradović-Haus. Die von den einzelnen Akteur*innengruppen propagierten Architektur- und Stadtplanungsprogramme – britische New Towns, der Einfluss französischer Architektur bei Architekturstudent*innen, amerikanische Fertigteilhäuser und sowjetische Schnellbauweisen – wurden im Nachkriegsösterreich von der lokalen Architekturszene rezipiert, angenommen oder nur kurz aufgegriffen.
Architektur ist Sphäre der politischen Einflussnahme. Projekte und Bauten finden sich in Systemen von Wechselwirkungen, die durch die Neuordnung und Kuratierung von Archivmaterial und historischen Dokumenten zu einem Wissenskontext führen, der den bestehenden in Frage stellt. Der Blick auf den Demokratisierungsprozess ändert sich, aber auch der Blick auf die Bauten im geografischen Raum. Denn der Wettstreit der Alliierten ist keine lokale oder nationale Architekturgeschichte, genauso wenig wie Geschichte selbst nationale oder lokale Entwicklung ist.
Die räumliche Sequenz der Ausstellung lässt die Besucher*innen entscheiden, ob sie entweder mit der Präsentation der britischen oder der französischen Einflussnahme beginnen. Angeregt wird man sich über Großbritannien in die Sowjetunion, weiter zu den USA zu lesen, um mit jenem Ausstellungsteil zu enden, der Frankreichs Architektur-Exporten gewidmet ist. Zeitlich gruppieren sich die Abschnitte mehr oder weniger in dieselben zehn Jahre, sodass die vorgegebene Choreografie mehr den Räumlichkeiten des Architekturzentrums zu entspringen scheint. Markant ist die Veränderung des Displays, das die Interventionen jeder Besatzungsmacht rahmt und somit in nationale Einheiten zusammenfasst: Die britischen Projekte oder die von britischen Ansätzen der Stadtplanung beeinflussten Entwicklungen in Wien sind auf gefalteten Wänden präsentiert. Frankreichs Kulturpolitik breitet sich auf einem Rastersystem, eine Hommage an Le Corbusiers Ausstellungsarchitektur für den siebten CIAM-Kongress in Bergamo – Congrès Internationaux d’Architecture Moderne – aus. Rote Metallrost-Stellwände tragen die Tafeln und Zeichnungen, die der Sowjetunion gewidmet sind. Der Display der USA wirkt im Vergleich dazu gigantisch. Dies ist sicherlich der fast doppelten Höhe der Ausstellungstafeln sowie dem Fokus auf große Bilder und der zentralen Präsentation von Möbeln geschuldet. Die kleinteilig und fragmentiert gehaltenen Exponate in den Abschnitten davor und danach schaffen es kaum, mit dieser Dimension mitzuhalten.
Inhaltlich unterstützen Videobeiträge, etwa zur amerikanisch-beeinflussten Musterhaussiedlung Veitingergasse oder Informationseinstaltungen in Kino oder Fernsehen der Stadt zum Greater London Plan, die Schautafeln. Messe-, Pavillonarchitekturen und die Präsenz der einzelnen Positionen in der Publikationslandschaft sind durch den Ausstellungsraum hinweg aber die großen, wiederkehrenden Medien. Die Maßstäblichkeiten sind dabei so vielfältig, wie nur möglich: von Möbelstücken zu ganzen Rauminstallationen mit Schauspieler*innen, einem Arbeitszimmer als Geschenk für Josef Stalin und der Errichtung konkurrierender Messebauten auf der Wiener Herbstmesse 1957. Der sowjetische und der amerikanische Pavillon in direkter Gegenüberstellung antizipieren eine weitere, bevorstehende Intensivierung des Wettstreits zwischen „Ost“ und „West“. Die Zusammenführung und Verdichtung der Informationen, die sich aus diesen direkten Bezügen herleiten, zeigen die großen Möglichkeiten der Ausstellung die mithilfe von Materialen aus verschiedenen Archivbeständen ein architektonisches Kompendium einer Zeitspanne erstellt. Die globale Bezüge einer Architekturlandschaft erhalten eine weitere Komplexität.
Politische Entwicklungen nicht isoliert zu betrachten, und die einflussnehmenden Aspekte und Triebfedern über das gegenwärtige Moment hinaus aus der Vergangenheit zu speisen, kann als große Aussage an das Ende des Ausstellungsbesuches gestellt werden. Trotzdem verdichtet sich die Verschränkung der vorgestellten Bestrebungen der Alliierten nur in Einzelfällen. Oftmals verbleibt Anhaltspunkte und Projekte, die aus einem der vier Teilbereiche schon bekannt sind, im anderen nur noch als blasser Schatten. Die Teilbereiche erschließen sich hauptsächlich aus sich selbst heraus. Die Luster und der gut aufbereitete Entwurfsprozess der Glasmanufaktur Lobmeyr stehen exemplarisch für die Stärke, die durch weitere Verwebungen oder direktere Bezugnahmen anhand einzelner Bauaufgaben, Projekte oder Messen geschaffen werden können.
WANN: Die Ausstellung läuft bis zum 24.Februar 2020. Sie ist täglich von 10 – 19 Uhr geöffnet. Zusätzlich zur Ausstellung werden Spezialführungen sowie ein breites Rahmenprogramm mit Stadtexpeditionen angeboten.
WO: Architekturzentrum Wien, Ausstellungshalle 2, Museumsplatz 1, 1070 Wien.