Lass dir Museum liefern
Sebastian Jung hat den "Museum Express" im Rucksack

20. Februar 2022 • Text von

Es muss nicht immer Frittiertes sein – Sebastian Jung liefert Kunst im Transportrucksack. “Museum Express” heißt sein Mini-Museum. Gerade radelt er damit an Sonntagen für das NRW Forum durch Düsseldorf. Jung ist Bote, Vermittler, Performer – und besonders gern eine Überraschung.

Links ein Kunstwerk aus Wuerfel und Smartphone, rechts die offene Lieferbox des "Museum Express".
Biancoshock x MUSEUM EXPRESS. Credit: Sebastian Jung. // MUSEUM EXPRESS. Credit: Sebastian Jung.

gallerytalk.net: Transportrucksack auf, rauf aufs Rad und los – wie lebt es sich als Lieferbote?
Sebastian Jung: Ganz gut eigentlich. Man spürt am eigenen Leib, was für ein Knochenjob das ist. Großen Respekt an all diejenigen, die uns tagtäglich Essen und Getränke an die Haustür liefern.

Du bist eigentlich Gestalter. Jetzt transportierst du in besagtem Rucksack statt wohlig fettiger Speisen Kunst. Wie kamst du auf die Idee?
Im Home-Office gefangen die letzten zwei Jahre – da sind mir beim Blick aus dem Fenster natürlich die vielen neuen Lieferdienste aufgefallen. Am skurrilsten fand ich dabei die Rucksäcke der Fahrer*innen. Diese großen Würfel. Ich wollte unbedingt damit irgendetwas machen. So ein Würfel ist natürlich bereits ein kleiner Raum in sich und als ich damals im Dezember 2020 auf die Idee kam, waren viele Museen hier in Düsseldorf gerade wegen Corona geschlossen. Im Grunde lagen diese beiden Gedanken so vor mir und ich musste sie nur noch kombinieren. Also warum nicht auch Kunst nach Hause liefern lassen?

Sebastian Jung posiert auf einem Fahrrad mit dem Transportrucksack vom Museum Express auf dem Ruecken.
Sebastian Jung bringt mit dem MUSEUM EXPRESS das NRW Forum zu Interessierten nach Hause. Credit: Katja Illner.

36 cm x 37 cm x 42 cm, das ist ein ziemlich kleiner Ausstellungsraum. Wie kreiert man da dennoch ein Erlebnis für die “Besucher*innen”?
Das stimmt. Es gibt ja immer nur eine einzelne kleine Skulptur oder Installation bei mir zu sehen. Manchmal auch ein einzelnes kleines Gemälde. Ich glaube, das Erlebnis für meine Kundinnen und Kunden ist die Lieferung an sich. Da steht ein Wildfremder im eigenen Wohnzimmer und hat diese Würfel mit einer Ausstellung auf dem Rücken. Das Ganze ist schon sehr skurril und anders, gleichzeitig aber auch spannend, weil es online keine Vorschau auf die Ausstellung gibt. Die Kundinnen und Kunden wissen nicht, was sie erwartet. Es ist also ein Überraschungswürfel gefüllt mit Kunst, kostenlos am Sonntagnachmittag geliefert, dazu ich als Performer. Ich glaube, diese Kombination macht es aus.

Der MUSEUM EXPRESS kommt für fünf bis zehn Minuten vorbei. Fühlen sich die Besuche in der Regel zu kurz, gerade richtig oder vielleicht auch mal ganz schön lang an?
Das ist nur eine grobe Zeitvorgabe. Ich plane immer die Termine mit einem Abstand von einer Stunde ein. Darin ist An- und Abfahrt mit eingerechnet. Wenn es der Zeitplan zulässt, bleibe ich gerne noch etwas länger für ein bisschen Smalltalk. Und wenn es Corona zulässt, gibt es dann auch mal einen Kaffee oder ein Stück Kuchen.

Links eine Polaroid-Arbeit von Erik Kessels, rechts der Museumsexpress in Aktion: zwei Menschen sitzen im Wohnzimmer und schauen in die Lieferbox.
Erik Kessels x MUSEUM EXPRESS. Credit: Sebastian Jung. // Der MUSEUM EXPRESS in Aktion. Credit: Sebastian Jung.

Bringst du die Arbeiten nur zu ihren Rezipient*innen oder trittst du auch als Kunstvermittler auf?
Bei der Präsentation beschreibe ich kurz und knapp den Werdegang der Künstler*innen und versuche, auch andere Werke bildlich zu beschreiben. So entsteht eine Art Spannungsbogen. Danach öffne ich den Rucksack, knipse das LED-Licht an und lasse die Kundinnen und Kunden das Werk zum ersten Mal betrachten. Anschließend liefere ich noch Erläuterungen und Zusatzinformationen. Die Kundinnen und Kunden gestalten aber auch selbst das Erlebnis “Museum Express” mit. Durch Gespräche und Diskussionen zum Werk oder zu meiner Idee des lieferbaren Mini-Museums.

Was ist deine liebste Liefer-Geschichte?
Es gibt ein Foto, wo ein Lieferfahrer, mit seinem Transportrucksack auf dem Rücken, in meinem Ausstellungsrucksack schaut. Das mag ich besonders. Ansonsten gab es Kundinnen und Kunden, die ihrem Partner, ihrer Partnerin oder der Familie den “Museum Express” als Überraschung nach Hause bestellt haben. Das hat erst für viel Verwirrung, aber dann auch für viel Freude gesorgt.

Links: Der Museum Express in Aktion – ein Lieferbote schaut in die Transportbox, rechts: eine kleine abstrakte Malerei von Maartje Jung.
Der MUSEUM EXPRESS in Aktion. Credit: Sebastian Jung. // Maartje Merel x MUSEUM EXPRESS. Credit: Sebastian Jung.

Seit dem 13. Februar lieferst du in Kollaboration mit dem NRW Forum Exponate aus der Ausstellung “Subversives Design”. Auf welchen Transport freust du dich besonders?
Es gibt viele spannenden Künstler*innen in der Ausstellung “Subversives Design”. Aber besonders freue ich mich auf das Künstlerduo PUTPUT aus Kopenhagen. Ihre Arbeiten verfolge ich schon etwas länger. Ihrem Blick auf die Welt und ihrem Humor kann ich sehr viel abgewinnen. Es ist für mich eine einzigartige Erfahrung, dass ich durch das Projekt die Möglichkeit haben, mit so vielen internationalen Künstler*innen zusammenzuarbeiten.

WANN: Bis zum 22. Mai kommt der “Museum Express” von Sebastian Jung mit Exponaten aus der Ausstellung “Subversives Design” des NRW Forums jeden zweiten Sonntag, das nächste Mal am 27. Februar. Vereinbart einen Termin per Instagram-DM oder per E-Mail.
WO: Wo ihr wollt, hauptsache in Düsseldorf.

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