Münchner Kunstgriff
10.02. – 16.02.2016

10. Februar 2016 • Text von

Fotografien, Filme, neue Medien – Diese Woche ist München bildgewaltig. Der Kunstverein wird zum Kino und Anna McCarthy huldigt bei Sperling ihrer Großmutter. Das Köşk widmet sich einem diffusen Sehnsuchtsort, das Haus der Kunst zeigt Arbeiten von James Casebere und in der AkadmieGalerie verhandelt die Projektklasse Gilligan neue Informationsströme.

Wie verändert der Konsum von aktuellen Informationen die Wahrnehmung der Realität? Kanäle der Distribution und Rezeption formen unseren Blick auf politische und gesellschaftliche Ereignisse. Zunehmend auch durch effiziente Algorithmen automatisiert, schaffen sie personalisierte Filterblasen.

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Bild: Projektklasse Gilligan, AkadmieGalerie

Aber wie können bereitgestellte Fakten mit eigenen Narrativen, Erfahrung und Interpretationen gefüllt werden? Und welche künstlerischen Möglichkeiten gibt es, auf diese sich wandelnden Bedingungen zu reagieren? Die Projektklasse Gilligan widmet sich in der Ausstellung „Algorithm of my Life“ diesen Fragestellungen und will untersuchen, wie sich die Wege, auf denen Informationen über die Welt zu uns gelangen, verändern und wie damit umzugehen ist. Dabei fungiert die Ausstellung in der AkadmieGalerie ab Mittwoch als erweiterte Klassensituation, in der  die Möglichkeit geboten wird, aktuelle Diskussionen und Fragen diskursiv weiterzuverfolgen.

WANN: Zu sehen bis 16. Februar 2016.
WO: AkademieGalerie, U-Bahnstation Universität, 80333 München.

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Bild: James Casebere, Sea of Ice, 2014, Courtesy: the artist and Sean Kelly, New York

Geflutete und verlassene Räume, mal erleuchtet, mal dunkel – solche Motive mag James Casebere, jedenfalls Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre. Da kann es schon mal sein, dass für ein gutes Foto der Eingangsbereich des Wohnhauses von Thomas Jefferson unter Wasser gesetzt werden muss. Casebere entstammt einer Generation von Fotografen, die nicht nur abbilden wollen und die es wagen die Wahrhaftigkeit von Bildern zu hinterfragen. In den 70er Jahren beginnt er, skurrile Architekturmodelle abzulichten, später ist es die Geschichte tatsächlicher historischer Bauwerke, die seine Arbeit inspiriert. Mit 50 Werken aus 40 Jahren zeigt das Haus der Kunst eine ganz schön umfassende Retrospektive. „Ich versuche, etwas zu schaffen, das eine bestimmte Art des psychischen Raums verkörpert oder dramatisiert, sodass bestimmte Vorstellungen und Erfahrungen verstärkt werden“, bringt Casebere den Grundgedanken seines vielfältigen Werks auf den Punkt. Aber seht selbst, ab Donnerstag im Haus der Kunst!

WANN: Die Eröffnung ist am 11. Februar ab 19 Uhr, zu sehen bis zum 12. Juni 2016.
WO: Haus der Kunst, Prinzregentenstraße 1, 80538 München.

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Bild: Anna McCarthy, Galerie Sperling

Vor Kurzem wurde sie zur Königin des Friedens gekrönt, sie ist vom Krankenhaus ins Altersheim unter dem Meer gereist, hat Würmer, die ihr Tee servieren, und einen Teilzeitjob bei einer Sicherheitsfirma. Die Rede ist von Anna McCarthys Großmutter. Und wenn ihr die jetzt nicht kennenlernen wollt, dann stimmt was nicht mit euch. Nicht zu einem Tête-à-Tête mit, doch aber zu einer Annäherung an die großartige Dame lädt die Galerie Sperling ab Donnerstag mit McCarthys Einzelausstellung. Es soll um den aktuellen psychischen Zustand der Oma gehen und um die Dürre in Kalifornien und die Flüchtlingssituation in München während des Oktoberfests. Zeichnungen, Videoarbeiten und Skulpturen thematisieren, was im vergangenen Jahr geschehen ist. Wenn McCarthy Verbindungen zwischen den Ereignissen herstellt, dann ganz intuitiv. Außerdem gibt es den Film zu ihrem Gedichtband zu sehen. Der heißt „DRINK COLD, PISS WARM“. Das lassen wir mal so stehen.

WANN: Eröffnung am 11. Februar ab 18 Uhr, zu sehen bis zum 24. März 2016.
WO: Galerie Sperling, Regerplatz 9, 81541 München.

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Bild: Julius Matuschik, Kösk

Blühende Zitronen und flirrende Landschaften. Salzige Oliven und duftender Jasmin. Ist man erst mal über den Brenner oder steigt in einem warmen Land aus dem Flugzeug, so denkt man sich,  scheint die Freiheit und das süße Leben greifbar nah. „Der Süden“ war schon immer ein Sehnsuchts-Konzept, eine diffuse Idee. Nicht wirklich greifbar, aber auch deshalb die ideale Projektionsfläche für flirrende Vorstellungen und saftige Klischees. Aber auch für Vorurteile, Ängste und ganz generell für Xenophobien. Das exotisch Fremde geht immer einher mit dem bedrohlich Wilden. In der Ausstellung „SÜD“ im Köşk präsentieren die vier jungen Fotografen Stefan Loeber, Julius Matuschik, Stephan Rapke und Max Rempe ab Donnerstag Bilder von verschiedenen Kontinenten und zeigen, dass es viel mehr als diesen einen „Süden“ gibt.

WANN: Die Eröffnung findet am 11. Februar ab 19 Uhr 30 statt, zu sehen sind die Bilder bis zum 21. Februar 2016.
WO: Köşk, Schrenkstr. 8, 80339 München.

Außerdem: Der Kunstverein wird zum Kino. „Künstler“ und „Filmemacher“, die Grenze verläuft fließend. Deshalb wird sich der Kunstverein München dieses Jahr näher mit diesem Schwellenbereich befassen und bewegte Bilder von Grenzgängern präsentieren. Alle drei Wochen findet ab jetzt abends ein Screening statt. Film, Video, Animation, Dias und vieles mehr – das vom belgischen Filmkurator Vincent Stroep in Zusammenarbeit mit Chris Fitzpatrick konzipierte Programm will die üblichen disziplinären Zuordnungen unterlaufen. Zu Beginn der Reihe wird am Freitag der Film Fish Plane, Heart Clock (2014) von Arvo Leo gezeigt.

WANN: Das Screening findet am 12. Februar 2016 um 19.00 Uhr statt.
WO: Kunstverein München, Galeriestraße 4, 80539 München.

Die Absätze zu den Ausstellungen im Haus der Kunst und bei Sperling erschienen bereits in der Februar-Ausgabe des Super Paper. Text: Anna Meinecke.

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