Münchner Kunstgriff
04.03. – 17.03.20

4. März 2020 • Text von

In München ist in den kommenden zwei Wochen vieles zu erkunden: Politische Filme von Li Xiaofei im Kunstraum,  digitale Post-Humanität von Flaka Haliti bei Deborah Schamoni, die „Interimodule“ von Navid Nuur bei Jahn und Jahn und  das xerografische Werk von Pati Hill im Kunstverein. 

Pati Hill, Alphabet of Common Objects (hair curlers), 1977–79, Xerographie, 27,9 x 21,6 cm. Bild courtesy Pati Hill Collection, Arcadia University, Kunstverein München.

Kämme, Hosen, Kinderspielzeug – bei Pati Hill werden Alltagsgegenstände zum entscheidenden Motiv ihres Werks. Die amerikanische Künstlerin hat solche Objekte mit Kopiergeräten festgehalten. Sie stehen als Symbole für all die Arbeit, die zumeist Frauen hinter den verschlossenen Türen ihres Heims verborgen vor den Augen und damit der Wahrnehmung der Öffentlichkeit verrichten. Der Kunstverein zeigt Hills Kopierarbeiten als Teil der ersten internationalen posthumen Einzelausstellung der US-amerikanischen Künstlerin. Die Retrospektive ist eine umfassende Würdigung des Hillschen Œuvres. In über 60 Jahren Schaffenszeit hinterließ Hill neben ihrem xerografischen Werk, vier Romane, ihre Memoiren, Kurzgeschichten, Gedichte und Zeichnungen. Inwieweit sich ihr visuelles Werk und ihr Schreiben, Publizieren wie Editieren ergänzten zeigt die Ausstellung „Something other than either“.

WANN: Eröffnung ist am Freitag, 6. März, um 19 Uhr, zu sehen bis 3. Mai.
WO: Kunstverein München, Galeriestraße 4, 80539 München.

Navid Nuur: Untitled, 2015 Stretched canvas, Gesso, Jahn und Jahn.

Navid Nuur braucht Platz. Seine Arbeiten bestechen dadurch, dass sie sachte, aber bestimmt Raum einnehmen. Bei der letzten Venedig Biennale füllten drei riesige Gemälde wie selbstverständlich den gesamten Innenhof des Konservatoriums. Nun zeigt die Galerie Jahn und Jahn Zeichnungen, Bilder, Keramiken und weitere Objekte des Künstlers. „What is lost in time will be found by time“ lautet der Titel der Ausstellung. Die Worte klingen nach einem Geschehen-Lassen, nach Hingabe und Vertrauen. Sie beschreiben ein Sein in der Schwebe – wertfrei, ganz einfach als gegeben. Dass passt zu Nuur. Er bezeichnet seine Arbeiten als „Interimodule“. Sie indizieren ein Dazwischen, sind Marker eines Übergangs. Das Woher und das Wohin müssen sich Betrachter*innen selbst denken.

WANN: Eröffnung ist am Donnerstag, den 12. März, um 19 Uhr, zu sehen bis 25. April.
WO: Jahn und Jahn, Baaderstraße 56 B und C, 80469 München.

Flaka Haliti: Watchu expect me to do when I lose my cool, Galerie Deborah Schamoni.

In schwierigen Zeiten ist die Freiheit, „die Ruhe zu verlieren“ ein fast schon politischer Akt. Unter dem Titel „Watchu expect me to do when I lose my cool” zeigt die in München lebende Künstlerin Flaka Haliti bei Deborah Schamoni neue Arbeiten. In ihren Zeichnungen, Fotografien, Skulpturen und Installationen erforscht Haliti eine Welt der digitalen Post-Humanität. Die darin wirkenden globalen Machtstrukturen und Kontrollmechanismen werden durch Poesie, Humor und Analyse vorübergehend aufgebrochen und verfremdet. Sowohl sprachliche als auch materielle Bezugssysteme sind so miteinander verwoben, dass ein hybrider Galerieraum entstehen soll. Dies ist die erste Einzelausstellung von Flaka Haliti in der Galerie, nach gemeinsamen Präsentationen auf der Art Basel.

WANN: Eröffnung ist am Donnerstag, den 12. März, ab 18 Uhr, zu sehen bis 18. April.
WO:DEBORAH SCHAMONI, Mauerkircherstr. 186, 81925 München.

Li Xiaofei: Assembly Line, Kunstraum München.

Eine der prägendsten Erfindungen der kapitalistischen Industriegesellschaft ist das Fließband. Vom Auto-Magnaten Henry Ford etabliert, steht es als Sinnbild für die Mechanisierung von Arbeit und die Entmenschlichung des Arbeiters. Am Fließband herrscht eine Produktionsweise, die vom kapitalistischen Verlangen nach Effizienz getrieben wird: repetitiv, mechanisch, emotionslos. Der chinesische Künstler Li Xiaofei untersucht in seiner künstlerischen Praxis die durch den Kapitalismus beschleunigten Prozesse des sozialen Wandels, vornehmlich in China, aber auch auf globaler Ebene, mit filmischen Mitteln. Er verwebt dokumentarisches Material, fragmentiert es, strukturiert es neu und setzt sich so mit einer „illusorischen Realitätsrekonstruktion“ auseinander. In seiner ersten institutionellen Einzelausstellung in Deutschland präsentiert Li Xiaofei im Kunstraum München neun Videoarbeiten, deren Schwerpunkt auf seinem jüngeren Schaffen der letzten 2 Jahre liegt.

WANN: Eröffnung ist am Mittwoch, den 18. März, ab 19 Uhr, zu sehen bis 26. April.
WO: Kunstraum München, Holzstraße 10 Rgb., 80469 München.

Die Absätze zu den Ausstellungen bei Jahn und Jahn sowie im Kunstverein wurden von Anna Meinecke verfasst und sind Teil der März-Ausgabe des Superpapers.

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